Pegnitzerin erlebt Erdbeben in Japan

Belinda Preißinger aus Pegnitz lebt seit ein paar Jahren in Japan. Foto: privat Foto: red

Belinda Preißinger lebt und arbeitet seit fast zwei Jahren in Kumamoto in Japan, insgesamt ist die 26-jährige Pegnitzerin schon länger in Japan. Kumamoto liegt sehr sicher in der Mitte auf der südlich gelegenen Insel Kyushu. Daher war das Erdbeben Donnerstagabend für Preißinger ein umso größerer Schock. Für den Kurier schildert sie ihre Erlebnisse.

 
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Wir hatten letzte Nacht zwei große Erdbeben mit einer Stärke von über 6 Punkten auf der Richterskala. Der Entstehungspunkt des Erdbebens lag genau unter der Stadt Kumamoto, deshalb wurde die höchste Erdbebenwarnstufe 7 bekanntgegeben. Bis Freitagmorgen (Stand: 8 Uhr) wurden zwei weitere große Erdbeben mit Stärke 5 und 4 gezählt. Darüber hinaus gab es über 100 kleinere Beben und Nachbeben.

"Es bebt fast im Minutentakt"

Es werden aber noch stärkere Beben in den nächsten sieben Tagen erwartet, und es bebt fast im Minutentakt. Das Beben letzte Nacht war übrigens das größte, das bisher auf der Insel Kyushu verzeichnet wurde, und das drittgrößte seit Osaka-Kobe (1995).

Dennoch sieht die Stadt gut aus. In der Innenstadt sind keine Gebäude eingestürzt, aber Putz ist von den Wänden gefallen, Fenster sind zerbrochen, und es gibt Risse im Boden. Auch die wunderschöne Burg Kumamoto wurde stark beschädigt. Die Aufräumarbeiten scheinen zwar langsam, aber gut voranzuschreiten. Es sollen über 5.000 Häuser ohne Wasser- und Stromversorgung sein. Diese liegen überwiegend im Ost- und Westteil Kumamotos sowie der Stadt Mashiki westlich von Kumamoto, die es wesentlich schlimmer getroffen hat. Dort befindet sich auch der Großteil der eingestürzten Wohnhäuser. Insgesamt gab es laut den Behörden in der Präfektur Kumamoto bisher neun Tote.

AKW nicht betroffen, keine Tsunami-Gefahr

Das AKW, das rund 130 Kilometer von uns entfernt in der Präfektur Kagoshima liegt, soll nicht betroffen sein. Und aufgrund der Lage von Kumamoto und des Entstehungszentruma des Erdbebens besteht keine Tsunami-Gefahr.

Das Rathaus, in dem ich arbeite, ist nicht betroffen, und alle Angestellten sind wohlauf und unverletzt. Bis zu 44.000 Menschen sollen sich in 500 bereit gestellte Evakuierungszentren begeben haben.

"Niemals hätte ich gedacht, dass der Boden sich so bewegen kann"

Ich war während des Vorfalls auf einer Abschiedsfeier einer Kollegin und guten Freundin. Wir waren mit mehr als 20 Personen feucht-fröhlich beim Karaoke, als die Erde zu beben begann. Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass sich der Boden so bewegen kann. Die Ausschläge waren gefühlte 50 Zentimeter von links nach rechts. Alle schrien. Nach etwa 30 Sekunden war es vorbei. Alle lagen auf dem Boden und versuchten ihren Kopf zu schützen. Manche weinten. Kurz darauf kam ein Angestellter und evakuierte das Gebäude. Es hatte in der Wand einen riesigen Riss. Die Situation war beängstigend.

Telefonnetz ausgefallen

Das Telefonnetz ist vollkommen ausgefallen, aber alle konnten über Apps wie Facebook und Line kommunizieren.

Ich selbst bin sofort zurück an meinen Arbeitsplatz. Bei Katastrophen müssen sich alle Angestellten im Rathaus versammeln, und jede Abteilung hat einen anderen Zuständigkeitsbereich. Meine Abteilung (Abteilung für Internationale Beziehungen) ist für die Versorgung von ausländischen Bewohnern zuständig und für internationale Anfragen. Für ausländische Einwohner haben wir ein Evakuierungszentrum mit Englisch sprechenden Helfern im Internationalen Zentrum der Stadt Kumamoto.

Auch war ich sehr überrascht von einem plötzlichen Anruf des Oberbürgermeisters aus Heidelberg – unserer Partnerstadt, der uns Unterstützung von Feuerwehr und rotem Kreuz anbot. Übrigens das erste derartige Angebot aus dem Ausland. Darüber hinaus hatten wir gerade Gäste aus Leipzig, um die ich mich gekümmert habe und die ich zu beruhigen versuchte. Alle waren unverletzt, aber der Schock sitzt immer noch tief.

Glück im Unglück

Meine Wohnung ist nicht betroffen. Es lag ein wenig am Boden herum, und ein paar Gläser und Tassen sind zu Bruch gegangen. Mehr aber nicht. Da war ich erleichtert, obwohl man bei den ständigen Nachbeben nicht richtig zur Ruhe kommt. Ich traue mich kaum einen Fuß vor den anderen zu setzen, weil man ja nie weiß, ob und wann es wieder losgeht. Man ist immer auf der Suche nach dem nächstbesten Platz, wo man sich im Ernstfall unterstellen könnte. In meinem Bekannten- und Freundeskreis gab es keine Verletzten. Eine kleine Erleichterung in diesem großen Unglück.

Insgesamt habe ich als gebürtige Pegnitzerin bisher 5 Jahre meines 26-jährigen Lebens in Japan verbracht und hatte schon mehrere kleine Erdbeben-Erfahrungen. Dies war aber mein erstes großes Beben, und ich würde gerne auf weitere Beben in diesem Maße verzichten. Das wird sicherlich ein Trauma sein, das mich noch sehr lange beschäftigt. Inwiefern sich das auf mein Leben hier auswirkt, kann ich noch nicht absehen.

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