"Niemals hätte ich gedacht, dass der Boden sich so bewegen kann"
Ich war während des Vorfalls auf einer Abschiedsfeier einer Kollegin und guten Freundin. Wir waren mit mehr als 20 Personen feucht-fröhlich beim Karaoke, als die Erde zu beben begann. Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass sich der Boden so bewegen kann. Die Ausschläge waren gefühlte 50 Zentimeter von links nach rechts. Alle schrien. Nach etwa 30 Sekunden war es vorbei. Alle lagen auf dem Boden und versuchten ihren Kopf zu schützen. Manche weinten. Kurz darauf kam ein Angestellter und evakuierte das Gebäude. Es hatte in der Wand einen riesigen Riss. Die Situation war beängstigend.
Telefonnetz ausgefallen
Das Telefonnetz ist vollkommen ausgefallen, aber alle konnten über Apps wie Facebook und Line kommunizieren.
Ich selbst bin sofort zurück an meinen Arbeitsplatz. Bei Katastrophen müssen sich alle Angestellten im Rathaus versammeln, und jede Abteilung hat einen anderen Zuständigkeitsbereich. Meine Abteilung (Abteilung für Internationale Beziehungen) ist für die Versorgung von ausländischen Bewohnern zuständig und für internationale Anfragen. Für ausländische Einwohner haben wir ein Evakuierungszentrum mit Englisch sprechenden Helfern im Internationalen Zentrum der Stadt Kumamoto.
Auch war ich sehr überrascht von einem plötzlichen Anruf des Oberbürgermeisters aus Heidelberg – unserer Partnerstadt, der uns Unterstützung von Feuerwehr und rotem Kreuz anbot. Übrigens das erste derartige Angebot aus dem Ausland. Darüber hinaus hatten wir gerade Gäste aus Leipzig, um die ich mich gekümmert habe und die ich zu beruhigen versuchte. Alle waren unverletzt, aber der Schock sitzt immer noch tief.
Glück im Unglück
Meine Wohnung ist nicht betroffen. Es lag ein wenig am Boden herum, und ein paar Gläser und Tassen sind zu Bruch gegangen. Mehr aber nicht. Da war ich erleichtert, obwohl man bei den ständigen Nachbeben nicht richtig zur Ruhe kommt. Ich traue mich kaum einen Fuß vor den anderen zu setzen, weil man ja nie weiß, ob und wann es wieder losgeht. Man ist immer auf der Suche nach dem nächstbesten Platz, wo man sich im Ernstfall unterstellen könnte. In meinem Bekannten- und Freundeskreis gab es keine Verletzten. Eine kleine Erleichterung in diesem großen Unglück.
Insgesamt habe ich als gebürtige Pegnitzerin bisher 5 Jahre meines 26-jährigen Lebens in Japan verbracht und hatte schon mehrere kleine Erdbeben-Erfahrungen. Dies war aber mein erstes großes Beben, und ich würde gerne auf weitere Beben in diesem Maße verzichten. Das wird sicherlich ein Trauma sein, das mich noch sehr lange beschäftigt. Inwiefern sich das auf mein Leben hier auswirkt, kann ich noch nicht absehen.