Mutter, Baronin, Dirigentin zu Guttenberg

Von 

Ljubka Biagioni zu Guttenberg, die zweite Frau von Enoch zu Guttenberg, ist eine der wenigen Frauen, die ein Orchster leiten, heuer etwa auf dem Plassenburg Open-Air. Die Chefdirigentin der Symphonie von Sofia ist schön, charmant, klug - und hat zuweilen mit ihrer Dreifachrolle als Mutter, Baronin und Dirigentin zu kämpfen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Dirigenten fallen einem viele ein, Dirigentinnen sind eine Ausnahmeerscheinung. Woran liegt das?

Ljubka Biagioni zu Guttenberg:  Das hat viele Gründe, einer ist die Musik-Tradition, weil der Beruf des Dirigenten aus dem Konzertmeisterberuf kommt. Der Konzertmeister war derjenige, der den Rhythmus vorgegeben und angezeigt hat.  Die Orchester wurden immer größer und desto mehr wurde ein Dirigent gebraucht, der die vielen Musiker sammelte, um dem Ganzen, auch konzeptionell eine Richtung zu geben. Musik ist eine sehr spezifische Kunst und das Dirigieren immer in männlicher Hand gewesen.

In unserer Zeit, trotz Emanzipation und Unterstützung berufstätiger Frauen, ist es schwierig, wenn eine Frau dirigieren will. Eingeladen für eine Opernproduktion in Rom, Wien oder London, die einen oder zwei Monate dauert, tut sich eine Mutter mit Kindern sehr schwer. Wir Frauen müssen uns meistens entscheiden - entweder Beruf oder Familie. Und ich lasse meine Kinder nicht gerne alleine.

Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist das eine. Wie sieht es mit Talent und Durchsetzungsfähigkeit aus?

Zu Guttenberg:  Natürlich ist man es gewohnt, nur Männer am Pult zu sehen. Ein Diktator? Das muss immer ein Mann sein! Eine Frau kann ein Diktator sein und genauso ekelhaft (lacht). Die Frau wird anders gesehen. Als Dirigentin in der Symphonie in Sofia hatte ich zwei Konzerte im Monat, die Hälfte des Monats war ich weg und das fiel mir schwer. Ich bin eine begeisterte Mutter, ich liebe meinen Garten und das Haus und habe darunter gelitten, die Kinder nicht zu sehen. Es war ein besonderer Druck: Ich muss weg und die Partituren lernen und dann zurück nach Hause und Hausaufgaben machen.

Sie könnten sicherlich eine Tagesmutter einstellen...

Zu Guttenberg: Das will ich aber nicht und die Kinder haben sich geweigert, mit anderen Frauen zu lernen. Das ist sehr kompliziert und hat nie wirklich funktioniert. Beide sind jetzt in einem humanistischen Gymnasium in Bayreuth, eine fantastische Schule, sie müssen aber sehr viel lernen und deshalb will ich jetzt mehr Zeit mit der Familie verbringen. Wenn mein Mann unterwegs ist, bin ich wenigstens daheim. Wenn ich eine Oper vorbereite, kann das zwölf, 14 Stunden dauern. Probe mit dem Orchester, Probe mit dem Chor, Probe mit den Solisten, Regieproben: Das ist sehr anspruchsvoll, man braucht sehr viel Kraft, sehr viel Geduld, sehr viele Nerven. Nicht jede Frau ist bereit, so viel zu geben.

Wann ist in Ihnen die Entscheidung gereift, Dirigentin zu werden?

Zu Guttenberg: Das hat sich sehr langsam entwickelt. Nach dem humanistischen Abitur in Rom wollte ich Philosophie, Medizin oder Jura studieren - und Musik machen. Ich war Pianistin und habe Musik studiert, weil ich dafür ein Stipendium in Bulgarien bekommen habe.  Meine Mutter ist Bulgarin, mein Vater Italiener. Dirigieren war eines von vielen Fächern und bis ich einige Wettbewerbe gewonnen habe, wusste ich nicht, dass es in diese Richtung gehen wird.  

Also hat sich das Ganze mehr oder weniger zufällig ergeben?

Zu Guttenberg: Ja, genau, später hatte ich sehr viel assistiert, ich war drei Jahre Assistentin von Gustav Kuhn und dadurch habe ich meinen Mann kennengelernt – und so bin ich hier in Oberfranken gelandet. Er wollte mit ihm ein Festival zusammen machen, sie hatten aber inhaltlich und formal unterschiedliche Visionen. Mittlerweile haben mein Mann und ich die Herrenchiemsee Festspiele ins Leben gerufen, das war vor 16 Jahren. Und Gustav Kuhn hat die Tiroler Festspiele gegründet, wo ich dieses Jahr mit meinem Orchester dirigiere. Mein Mann kam zu einem Konzert von mir, das war vor 19 Jahren, wir wollten zusammen arbeiten, mittlerweile sind wir seit 18 Jahren verheiratet.

Sie hatten  viele berühmte Lehrer. Von wem haben Sie am meisten gelernt?

Zu Guttenberg: Ich habe von allen etwas mitgenommen. Wenn man jung ist, nimmt man von den ersten Lehrern sehr viel mit, das waren bei mir zwei ganz großartige Lehrer in Bulgarien. Später Leonard Bernstein, der musikalisch und als Persönlichkeit ein großes Geschenk war. Später nachdem ich diplomiert war, Valery Gergiev und Ferdinand Leitner, ein großer Dirigent in der Oper in Zürich, der mir viel Technisches beigebracht hat und natürlich bei Gustav Kuhn, wo ich sehr viel über Oper gelernt habe, Richard Strauss, Bruckner und so weiter.  Mein letzter Lehrer war natürlich mein Mann. Wir verstehen uns sehr gut und helfen uns gegenseitig musikalisch, das ist ein großes Glück. Er konnte mir durch sein Beispiel und seine Arbeit den letzten Schliff geben. Jetzt habe ich meinen eigenen Chor und mein eigenes Orchester, mit dem ich in Erlangen bei Klassik am See war und am 17. Juli zum dritten Mal bei Klassik auf der Burg. 

Wie bereiten Sie sich auf ein Stück vor? Lernen Sie auswendig?

Zu Guttenberg:  Eine Vorbereitung ist immer sehr vielfältig. Sie hat sehr viele Facetten, eine ist natürlich die Musik, andere die Noten, die Partitur, der Text. Jeder Komponist hat einen anderen Stil. Ich lese sehr viel über den jeweiligen Komponisten, was da in der Welt, in der Kunst oder in der Philosophie passiert ist, was ich ja auch studiert habe. Die Musik ist nur die Basis, die Noten sind eigentlich nur ein Symbol wie Buchstaben. Ein einzelner Buchstabe hilft Ihnen nicht, wenn Sie ein Buch lesen und verstehen wollen. Und dann muss das innerlich reifen.

Wenn man so viele Jahr mit Menschen arbeitet, entsteht eine Verbindung zu den Musikern und nur so bekommt man die Musik, die man wirklich hören will.  Musik wird für mich nicht aus den Noten geboren. Für mich kommt sie von den Menschen und der Beziehung, die man zu den Menschen hat. Nur wenn man die Leute kennt, kann man die Stücke vertiefen. In der Musik ist das interessant, was hinter den Noten steckt. Wichtig ist, dass der Dirigent schafft, die Interpretation, die in seinem Kopf in den Jahren gereift ist, so  zu übertragen, dass die Leute sie als Gefühl empfinden. Nur so kann die Musik die Leute berühren.

Man kann all seine Erfahrungen, als Mensch, als Frau, als Mutter hineinbringen, bei einem Dirigenten ist das alles mehr sichtbar als bei einem Musiker, der ein Instrument spielt. Je älter man wird, desto interessanter und lockerer wird die Arbeit, weil man frei von Problemen ist, die man am Anfang der Karriere hatte. Man kann sich immer mehr vertiefen in das Wesentliche. Wenn man zwanzig ist, dirigiert man anders als mit vierzig oder sechzig. Das ist vielleicht wie bei einem Lehrer, der am Anfang unerfahren ist und viele Fehler macht, aber je erfahrener er ist, desto besser die Kinder versteht.

Beim Plassenburg Open Air in Kulmbach waren Sie bereits 2013 und 2014 zu Gast. Was werden Sie dieses Jahr mit ihrem Orchester aufführen?

Zu Guttenberg: Ich bin sehr glücklich, dass ich wieder dabei sein darf. Letztes Jahr hat es leider nicht geklappt, weil ich zum selben Termin am Chiemsee dirigieren sollte. In diesem Jahr muss ich allerdings auf meinen Chor verzichten, der ist im Sommer zum Plassenburg Open-Air leider verhindert. Dafür kommt das Orchester, diesmal mit 80 Leuten besetzt, und es kommen sechs fantastische Solisten, die werden uns die Lieder der berühmtesten Duette und Quartette über die Liebe vortragen, ein großer Teil wird aus „Die lustige Witwe“ sein, eine Operette von Franz Léhar, die ich schon in Bologna mit Gustav Kuhn gemacht, obwohl ich damals noch kein Deutsch konnte, habe ich mich in die deutsche Sprache verliebt. Eine Mischung aus Melodien, die jeder kennt, zusammen mit Auszügen aus den berühmtesten Werken Puccini, Bellini und Johann Strauß.

Der Schöne Hof der Plassenburg bietet eine wunderschöne Kulisse für Konzerte. Sind Sie auch mit der Akustik zufrieden?

Zu Guttenberg: Die Akustik ist so perfekt, da bräuchte man eigentlich keine Beschallung mehr. Wenn die Leute ein bisschen lauter sind, versteht man vielleicht in der hinteren Reihe nichts mehr. Man muss wirklich leise sein. Im ersten Jahr habe ich den ersten Teil des Konzerts komplett ohne Beschallung gemacht. Ich habe die „Eroica“ von Beethoven aufgeführt und wollte, dass sich die Leute auf die Musik konzentrieren. Manche haben sich gewundert, weil es anscheinend so leise war, das war aber der natürliche Klang. Die Farben und der Geist der Musik kommen ohne Beschallung viel mehr zum Ausdruck.

Sie haben auch schon Regie geführt. Kommt das für die Plassenburg auch mal infrage?

Zu Guttenberg: Ich würde gerne eine Oper machen, ja. Das Publikum soll nicht zu lange stillsitzen müssen und ich werde natürlich keine Wagner-Oper machen. Meine Regien sind sehr normal, ich mache keine außergewöhnlichen Sachen, wo man ein Buch braucht, um sie zu verstehen. Wenn ich die „Traviata“ mache, versteht jeder, dass das die „Traviata“ ist und wenn ich „Die Zauberflöte“ mache, versteht jeder, dass es „Die Zauberflöte“ ist.

Autor

Bilder