Mehr Erleichterung als Jubel

Von Frank Schmälzle und Michael Weiser

Die große Lösung kann kommen, noch in diesem Jahr sollen an der Stadthalle die Arbeiten beginnen. Denn das Bürgerbegehren gegen das 55-Millionenprojekt ist am Sonntag am Quorum gescheitert. Zwar riss auch das Ratsbegehren diese Hürde - doch mit einigem Vorsprung auf die Gegner. Hier lesen Sie von den Reaktionen. Und warum Stadtrat Klaus Wührl in Rage geriet.

 
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Zu den ersten, die sich im zweiten Stock des Rathauses für das Ergebnis der Abstimmung interessieren, gehören die Mauerers mit ihren drei Söhnen. Die dürfen zwar erst in etlichen Jahren abstimmen, sollen aber schon jetzt mitbekommen, was Demokratie bedeutet. "Ich finde es wichtig, zum Wählen zu gehen", sagt Papa Christian, der allerdings als Anhänger einer abgespeckten Sanierung die Opposition im eigenen Haus sitzen hat. "Ich bin für die große Lösung", sagte Ehefrau Eva-Maria.

Egal, wer innerhalb der Familie Mauerer wie abgestimmt hat, die mehreren sind auf jeden Fall die anderen: die Bayreuther, die gar nicht erst zum Wählen gegangen sind. Zwar zeichnet sich schon wenige Minuten nach 18 Uhr ab, dass das Ratsbegehrung in Führung liegt. Allerdings auch, dass nicht genügend Stimmen für die Hürde des Quorums abgegeben worden sind. Und so bleibt es bis zum Schluss. Die große Mehrheit stellen die Nichtwähler, "die nicht einmal heute ihren Arsch zwischen Bier und Bratwürscht kurz zur Wahlurne bewegen können", wie Grünen-Stadtrat Klaus Wührl-Struller via Facebook zürnte.

Die Befürworter haben zumindest nicht verloren, ja sie halten das Bürgerbegehren gegen die große Lösung sogar auf Distanz und gewinnen damit eines: Gewissheit. "Es kann weitergehen, im September wird die Halle geschlossen, noch in diesem Jahr wollen wir mit den Bauarbeiten beginnen", sagt Baureferent Hans-Dieter Striedl. Weitere Reaktionen. 

Stadtrat

Klar. Dass die große Lösung jetzt kommt, ist das Thema des Abends. Aber nur knapp vor der niedrigen Wahlbeteiligung. Nur jeder fünfte, der durfte, hat seine Stimme tatsächlich abgegeben. Darüber kann man erschrocken sein. Oder wütend. So wie Grünen-Stadtrat Klaus Wührl-Struller, der sich auf Facebook Luft. Seit Monaten dominiere das Thema Stadthalle die Schlagzeilen, schreibt er. Und dann geht’s los: „Jeder Depp kann noch nach dem zehnten Seidla genau erzählen, wie man es richtig machen müsste. Werden wir also 40, 50 oder gar 60 Prozent Wahlbeteiligung haben?“ Nein, weder die große, noch die kleine Lösung habe  das  Quorum der 8824  notwendigen Ja-Stimmen  erreicht. „Es ist völlig egal, wie das ausgeht, verloren hat in jedem Fall Bayreuth mit seinen Bürgern, die nicht einmal heute ihren Arsch zwischen Bier und Bratwürscht kurz zur Wahlurne bewegen können. Es soll mir bloß keiner mehr kommen und irgendwas über den Stadtrat lästern. Es wird ja gern erzählt, dass Bernd Mayer gesagt hätte, der Bayreuther sei nicht blöd. Er hatte recht. Der Bayreuther Bürger ist noch viel blöder.“

Die fraktionslose Stadträtin Christa Müller-Feuerstein ist es gestern Abend bedeutend ruhiger. „Sehen wir das doch mal so“, sagt sie. „ Die, die nicht zum Bürgerentscheid gegangen sind, sind offenbar mit dem Stadtratbeschluss einverstanden.“ Und der heißt eben: große Lösung.

Wolfgang Grubers Gemütslage liegt so mittendrin. „Für mich ist das hier eine Bestätigung, dass es den Bayreuthern schlichtweg wurscht ist, was wir so im Stadtrat machen“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP/DU. „Nichtwählen ist auch eine Entscheidung.“ Jetzt sieht er die Befürworter der großen Lösung in der Verantwortung, ihre Versprechen einzuhalten. Was sie versprochen haben? Ordentliche Konzepte. Für die Nutzung der Stadthalle nach Sanierung und Umbau. Dafür, dass Zuschüsse kommen und die Stadt nicht auf allzu viel der 55-Millionen-Investition sitzen bleibt. Und dafür, dass es eine verlässliche Finanzierung kommt. Und dann sagt Gruber noch: „Die Voraussetzungen waren ungleich.“ Er hatte wenige Tage zuvor mit einem Eilantrag an die Regierung erreicht, dass die prüfte, ob die Stadt im Vorfeld des Bürgerentscheids ihre Neutralitätspflicht verletzt habe. Ergebnis: Hat sie nicht.

Triumphgefühle spart sich einer der erklärten Befürworter der großen Lösung an diesem Abend. CSU-Fraktionsvorsitzender Stefan Specht sagt, er sei einfach nur „sehr froh. Weil sich Bayreuth über die Marke Kulturstadt definiert“.  Versöhnen will er, nicht weiter spalten. „Wir müssen jetzt alles daran setzen, die Bedenken der Bürgerinitiative für eine günstigere Lösung zu zerstreuen.“  Und noch einer, der für die große Lösung geworben hat, ist sichtlich erleichtert. CSU-Stadtrat Franz-Peter Wild hat gerade in den Tagen vor dem Bürgerentscheid eine Trendwende gespürt. „Das Ergebnis hat sich abgezeichnet.“ Noch vor ein paar Wochen war das ganz anders: „Da habe ich jeden Tag meine Watschn gekriegt.“

Verwaltung

"Sehr zufrieden" zeigt sich Kulturreferent Fabian Kern. "Es war eine eindeutige Entscheidung, und zwar eine sehr gute. Es ist zwar traurig, dass nur so wenige Bürger abgestimmt haben, Aber für die Kulturstadt  ist es eine richtungsweisende Entscheidung."  Baureferent Hans-Dieter Striedl äußert sich ebenfalls zufrieden. "Die große Lösung lag vorne, und auch am Quorum waren wir näher dran." Bühnenplaner Walter Kottke spricht von einem "guten Tag für Bayreuth".

Kulturveranstalter

"Möglichst schnell" müsse es nun weitergehen, findet Udo Schmidt-Steingraeber, Chef der Bayreuther Klaviermanufaktur, und zwar mit den Bauarbeiten ebenso wie mit der Suche nach einer Ersatzspielstätte. Er ist sicher: "Die Abstimmung über die Rotmainhalle wäre nicht so absurd ausgegangen, hätte man sich ebenso ins Zeug gelegt wie jetzt bei der Stadthalle." Stephan Jöris hatte sich noch vor wenigen Tagen als Befürworter ins Zeug gelegt. "Wenn jetzt wieder Stillstand gekommen wäre, hätten wir auch in den nächsten 20 Jahren keinen Fortschritt erlebt. Und das wäre das Ende gewesen. Dann wäre der Zug für Bayreuth abgefahren. Jetzt haben wir eine Chance, auch zum Nachjustieren." Clemens Lukas von den Kulturpartnern: "Nicht die billigste, aber die beste Lösung."

Der Gegner

Bernd Abele ist Sprecher der Bürgerinitiative gegen die große Lösung. Er äußert sich enttäuscht über das unerwartet geringe Interesse der Bürger, sieht jetzt aber die Planer und Entscheider stärker in der Pflicht: "Wie gehen Stadtrat und Verwaltung mit der Entscheidung um? Denn jetzt müssen sie sanieren, jetzt wird die Frage der Haushaltskonsolidierung ganz aktuell. Vielleicht wären sie sogar ganz froh gewesen, wenn die Bürger in unserem Sinne entschieden hätten."

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