Im großen Saal und auf der kleinen Bühne: Qualität ist Trumpf beim Kneipenfestival Kneipenfestival: Ziemlich gut gespielt

Zwischen Blues und knallhartem Rock: Alles war möglich beim 23. Kneipenfestival. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Stimmen mit Gänsehautgarantie, Bluesrockprofis voller Spielfreude, Krawallbands aus Köln und intelligentes Songwriting Made in Bayreuth. Das alles – und noch viel mehr – wurde am Samstagabend beim Kneipenfestival geboten. Unsere Kurzkritiken.

 
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Andreas Kümmert, Zentrum (Europasaal): Das Erste, was an Andreas Kümmert auffällt: Er trägt jetzt das Haupthaar kurz, auch der Bart wirkt ordentlich gestutzt. Wer denkt, dass Kümmert jetzt zum geleckten Mainstream-Popstar mutiert, den kann man beruhigen. Denn musikalisch ist alles beim Alten geblieben beim Franken. Vor allem stimmlich bleibt er ganz nah an seinem Vorbild Joe Cocker dran. „Heart Of Stone“, mit dem Kümmert den Vorentscheid zum Eurovision-Song-Contest gewonnen hat, darf nicht fehlen, genauso wenig wie auch „Simple Man“, die Nummer, mit der Kümmert den Durchbruch nach der Casting-Show „Voice Of Germany“ schaffte. Der Mitsingfaktor ist also garantiert. Wird auch gemacht, vor allem in den vorderen Reihen, in denen sich überwiegend das weibliche Publikum versammelt. Hinten ist mehr als stehen nicht mehr möglich, hat sich doch der Saal schlagartig derart mit Menschen gefüllt, dass viele vom Foyer aus zuhören müssen. Überraschend ist es deshalb nicht, dass Kümmert nicht ohne Zugabe aufhören darf – der Applaus ist zu überzeugend. aba

The Whiskey Foundation, Zentrum (Kleinkunstbühne): Einlassstopp zur Kleinkunstbühne des Zentrums – zehn Minuten nach Konzertstart. Sieht man jetzt nicht unbedingt oft in Bayreuth. Beim Kneipenfestival schon. Geschafft haben das The Whiskey Foundation, die auf der Kleinkunstbühne des Zentrums ran durften. Kennt man von den fünf Herren aus München aber nicht anders, hatten sie doch vor ein paar Monaten schon das Glashaus bis auf den letzten Platz vollgemacht. Ihre Musik: Bluesrock, der kraftvoller nicht gespielt werden kann. Das liegt vor allem an Frontmann Murat Kaydirma, dessen Stimme unheimlich viel Wiedererkennungswert hat. Und das Publikum? Das gleiche Bild wie bei Andreas Kümmert: Vorne wird ansatzweise getanzt, hinten meist nur mitgewippt. Das hat aber nichts mit der Stimmung zu tun, die ist nämlich prächtig. Mehr lässt einfach der Platz nicht mehr zu, denn dicht an dicht stehen die Menschen im kleinen Saal. Ach so, die Musik: The Whiskey Foundation sind Profis, das hat man gemerkt. Da passt jeder Griff, jede Textzeile sitzt. Dem musikaffinen Publikum fällt vor allem die musikalische Nähe zu The Doors auf, auch weil Kaydirma ab und zu sehr wie Jim Morrison klingt. aba

Kmpfsprt und Adam Angst, Rosenau: „Wir sind Kampfsport aus Köln und wir sind beim Kneipenfestival für den Krawall zuständig!“ Ok, eigentlich könnte man die Konzertbesprechung hiermit beenden, denn die wesentlichen Dinge sind mit den vier K-Wörtern gesagt. Man könnte aber der Vollständigkeit auch noch erwähnen, dass der Stilbruch beim Kneipenfestival gelungen ist. Denn: Über Jahre hinweg dominierten beim Kneipenfestival in der Rosenau Elektrobeats. Mit Bands wie Susanne Blech, OK Kid, Fuck Art, Let’s Dance, I Heart Sharks oder Captain Capa. Doch im Fahrwasser von Turbostaat und Love A haben sich harte deutsche Gitarrenbands mittlerweile eine treue Fangemeinde erspielt – der Audiolith-Zug scheint abgefahren . . .

Adam Angst wurde als Kunstfigur von Sänger Felix Schönfuss (ex-Frau-Potz und ex-Escapado) geschaffen und vereint Wut, schlechte Laune und Scheinheiligkeit in sich. Ein echter Kotzbrocken also. Dementsprechend ist er gleich im ersten Song „Jesus Christus“, zurückgekommen um die Menschheit endgültig zu vernichten, doch dann geblendet wird von „Acht Millionen Klicks und einer Show auf Pro 7“. Zum Glück alles nur gespielt. Und das ziemlich gut: Denn der Hauptact des Abends in der Rosenau überzeugt mit nahezu perfekt arrangiertem Poppunk. mx

Steffen Krafft und Band, Heimathafen: Hat er zu viel versprochen im Gespräch mit unserer Zeitung? Hat er nicht! Steffen Krafft solo – also ohne Waste – im Heimathafen war zum Start in die Nacht so richtig solo. Ein Mann am Keyboard. Hinter ihm edel ausgeleuchteter Raum, Instrumente ohne Musiker. Intelligenter deutscher Pop, eingängige Texte. Hintergründig, witzig. Dazu diese wunderbare Stimme. Es dauert wenige Sekunden, bis Steffen Krafft im Heimathafen sein Publikum im Griff hat. Bis nach Mitternacht, verspricht er, will er durchziehen. Das Versprechen hält Krafft. Zusammen mit seiner Band, die wenig später einsteigt, zieht er mit viel Spielfreude sein Heimspiel im Heimathafen durch. Wahrscheinlich hat er auch das andere Versprechen gehalten, das er in dem Moment seinem Publikum gibt, als der Kurier-Fotograf auftaucht und die ersten Fotos macht: „Ausgerechnet jetzt, beim einzigen Coversong des Abends, kommt der Fotograf“, sagt Krafft. Und spielt „Crazy“ – ein Motto für den Abend, bevor er sich seinen eigenen Songs widmet. wah

Christine Set The Scene, Engin’s Ponte: Kennt man in Bayreuth. Und weiß: So viel Spaß haben wenige Bands. Im Ponte laufen schon um 21 Uhr die Scheiben an. Und Christine Mühlenkamp treibt ihre Band von einer Höchstleistung in die nächste. Der nimmt man ab, dass der „Son Of A Preacherman“ nicht nur Dusty Springfield was beigebracht hat. Nicht nur bei umarrangierten Coversongs geht das Publikum mit, auch bei Christines eigenen Songs. wah

Paddy’s Last Order, Kilians: So fühlt es sich auch in Dublins Kneipenviertel Temple Bar an, wenn am späten Nachmittag in den Pubs die Livemusik beginnt und trunkene Gemütlichkeit zelebriert wird. Paddy’s Last Order kommen zwar nicht von der Grünen Insel, sondern aus Herzogenaurach – trotzdem bewegen sie sich sicher zwischen den Hits der Dubliners, der Pogues und Traditonals wie „A Pub With No Beer“. Wer sich seinen Platz im Kilians erkämpft hat, will so schnell nicht wieder raus. mx

Souljam, Alex: Keinen Einlassstopp gibt es in der Sportsbar Alex – obwohl Souljam auf jeden Fall mehr Publikum verdient hätten. „Rap Meets Rock“ ist das Motto der Band, die sich musikalisch irgendwo zwischen alten Chili Peppers, Prince und den Beastie Boys bewegt. Mit Freestyleraps begrüßt Frontmann George 33 auch mal spontan neue Gäste. mx

Williams Orbit, Enchilada: Die Weidener sind eine der Überraschungen beim Festival. Mit je einer Prise Kings Of Leon und alten Mumford & Sons (als die noch nicht belanglosen Stadionrock machten) aber vor allen Dingen vielen eigenen Ideen lassen Williams Orbit aufhorchen. Diese Band will man unbedingt auf einer großen Bühne wiedersehen. mx

Oporto, Zentrum (Europasaal): Die Vorband schlechthin. Haben vor kurzem ihr erstes Album veröffentlicht. Und sind bekannt. Schon kurz nach Beginn ist der große Saal des Zentrums daher gut gefüllt. Und es wird noch voller. Verdient haben das Oporto auf jeden Fall. aba

Me & Reas, Zentrum (Kleinkunstbühne): Vergangenes Jahr beim Uni-Open-Air, jetzt in der Kleinkunstbühne des Zentrums. Mit Folkpop, der an die Mighty Oaks erinnert, eingängig und tanzbar. Leider steht das Publikum vorwiegend. Stimmung ist trotzdem. Sänger Andreas Jäger und seine Kollegen haben Spaß auf der Bühne und erhielten viel Beifall  aba

Klangwerk, Sinnopoli: Thomas Göttlicher und seine Kollegen können Clubkonzert. Sie spielen Songs aus ihrem Debütalbum „Tausend Gesichter“. Die Bayreuther Band hat ihre Fangemeinde mitgebracht. Kein Problem, auf Tuchfühlung zu gehen. Viele kennen die Texte, singen mit. Nachdenkliche deutsche Texte. Auch das geht beim Kneipenfestival. wah

Suzan Baker und Dennis Lüddicke, Caffè Rossi: Im Hinterzimmer des Rossi lebt das große Gefühl: Suzan Baker ist eine ausgemachte Rockröhre. Eigenkompositionen und Covers großer Rockballaden bestimmen das Programm. Das Publikum lauscht eher denn zu feiern. Suzan Baker und ihr Kollege sind Show genug. wok

Steff & Bam, Waikiki-Bar: Steff & Bam füllen die Kneipe schnell. „Wir spielen jetzt schon eine Weile – und es ist immer noch nicht leerer geworden. So schlimm sind wir wohl nicht“, sagt. Nein, ganz und gar nicht. Zwei Gitarren und zweistimmiger Gesang, Covers von Balladen – das geht auf. So macht die Schwitzbude Spaß. wok

Feuerbach Quartett, Ponte Central: Das Quartett verwandelt Songs von Adele und den Red Hot Chili Peppers virtuos zu Preziosen klassischer Streichmusik. Tanzmusik ist es keine. Dafür hört man aus dem großen Publikum oft das Wort: „Genial.“ wok

Picked Up, Café Florian: Welche Musik spielt man mit zwei Akustikgitarren und einem Keyboard? Stadionrock. Klingt wie ein Witz, funktioniert aber. Man hat das Gefühl, dem Sänger platzt gleich die Halsschlagader. Der kämpft sich aber leidenschaftlich durch Lieder wie „I Want To Break Free“. Klasse Unterhaltung. wok

Tubbe, Fabrik: Hemden und Kaschmirmäntel in der Fabrik und dazu eine Band aus dem Audiolith-Umfeld. Tubbe aus Berlin reißen alles ab – und brauchen dafür nicht einmal eine Gitarre. Sängerin Steffi Jakobs arbeitet richtig an ihrem Bass, singt aber nicht wirklich. Eher skandiert sie die Texte. Hinter ihr hängen T-Shirts. Darauf steht: „Keine Arbeit lieber tanzen“. Dazu tragen die Barleute Champagnerkühler durch die Menge. So viel Alternative war hier noch nicht, steht dem Laden aber. wok

Gurdan Thomas, Tapas: Versponnene, liebenswerte Indiemusik, dargebracht vom Briten Gurdan Thomas und seinen Mitstreitern auch mit ausgefalleneren Instrumenten wie der Charango und der Tuba. Gemäßigte bis gute Stimmung, weniger was zum Tanzen, eher was zum versonnenen Lauschen. Sehr sympathisch. we

Artischoque, Lamperium: Über den Namen kann man vielleicht streiten, über die handwerklichen Qualitäten des Septetts nicht. Funk, Jazz und Soul, satte Bläsersätze, knackiger Bass, dazu die Stimme von Debora Wagner: Das pulsiert, das hat Kraft. Und zieht: Ganz wenig Platz und ganz schön hohe Temperaturen für den Besucher. we

Donnerbalkan, Borracho: Zum zweiten Mal in Bayreuth und schon kein Geheimtipp mehr. Wie man im packevollen Borracho sehen und spüren kann. Die Münchner Band kombiniert Balkan, Bläsersatz, Balladen, Reggae und Hip-Hop und rockt den Laden. Vermisst wird vom einen oder anderen Fan Sängerin Katharina Guglhör – sie ist wegen einer Erkältung zu Hause geblieben. Klappt aber trotzdem, das Konzert.we

Hurricane Sound, Koco: Lange ist im Koco wenig los. Das ändert sich gegen halb eins. In Bayreuth ziehen Hip-Hop und Dancehall immer. Wer nicht in die Fabrik geht, schwingt seinen Booty in gediegener Loungeatmosphäre. Der Bass wummert durch das Gewölbe. Man bewegt sich schon allein deswegen. wok

Soundselectors, Suite: „Sorry“ hört man oft in der Suite. Ständig tritt man jemandem auf die Zehen. In Bayreuth lassen die Leute den Abend bei African Beats und Dancehall ausklingen. Es ist die Stadt von Jean Paul – da darf man zu Sean Paul tanzen. „Shake That Thing“, jault es durch den Club, und die Meute folgt. Gelungener Ausklang. wok

Brassbound Rockets, Hörsaal: Es dauert, bis sie an diesem Abend auf Touren kommen, die Meister des Rock ’n’ Roll und des Rockabilly. Wohl wegen der lautstarken Konkurrenz der Playboys ein Stockwerk tiefer ist das Besucherinteresse vor allem am Anfang eher verhalten. gs

Boxgalopp, Bräustüberl: Ihre ganz eigene Fangemeinde hat das Musikerkonglomerat mit seinem Galopp durch die verschiedensten Stilrichtungen. Was ihnen am Samstag bestens gelang: Bei Zwickl, Landbier, Original oder Hellem die Übergänge zwischen Volksmusik im besten Sinne und Rock ’n’ Roll fließend zu gestalten. Garniert von einem orangen Dudelsack und der markanten Klarinette, und das mit einem „harten fränkischen Akzent.“ Da haben sie die Lacher auf ihrer Seite.gs

Willie And The Playboys, Aktienkeller: Wer sich zu vorgerückter Stunde dem feiernden Bermuda-Dreieck hoch oben an der Kulmbacher Straße nähert, dem dröhnen bereits wummernd die Bässe entgegen. Zu „Then I Saw Her Face“ von den Monkees oder Neil Youngs „Heart Of Gold“ wird getanzt und geschwoft im Gewölbekeller.gs

Vom 23. Bayreuther Kneipenfestival berichteten Udo Meixner (mx), Eric Waha (wah), Michael Weiser (we), Gabi Schnetter (gs), Alexander Bauer (aba) und Wolfgang Karl (wok).

Mehr dazu:

Hier kann man den Abend noch einmal im Minutenprotokoll nachlesen.

Und hier gibt es eine große Fotogalerie vom 23. Bayreuther Kneipenfestival.

Über 6000 Menschen unterwegs

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