Keine zweite Chance für Messerstecher

Von Moritz Kircher
Birhat N. (links) muss wegen versuchten Totschlags für drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Sein Verteidiger Wolfgang Schwemmer (rechts) hatte einen Freispruch wegen Notwehr beantragt. In der Mitte: die Kurdisch-Dolmetscherin Aziz Bekhal. Foto: Moritz Kircher Foto: red

Drei Jahre und neun Monate Gefängnis - so lautet das Urteil gegen den Asylbewerber Birhat N. Die große Strafkammer am Landgericht Bayreuth befand den 20-jährigen Iraker damit der gefährlichen Körperverletzung für schuldig. Er hat am 27. Oktober vergangenen Jahres in einer Flüchtlingsunterkunft in Pegnitz einen Mitbewohner niedergestochen. Viele mildernde Umstände hielt ihm das Gericht nicht zugute.

 
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Den Tathergang sieht das Gericht als weitgehend erwiesen an. Gegen 23.30 Uhr kam ein Mitbewohner von Birhat N. stark betrunken in Begleitung von Hussein I. nach Hause. Das machte der Angeklagte dem Begleiter zum Vorwurf. "Die Stimmung war aufgeheizt", sagte Richter Michael Eckstein in seiner Urteilsbegründung.

Die Tatwaffe war ein 20 Zentimeter langes Küchenmesser

Den Tathergang rekonstruierte das Gericht so: In der Nacht des 27. Oktober kommt es in der Flüchtlingsunterkunft zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung. Die Rauferei ist fast schon beendet, da geht Birhat N. in die Küche, holt ein Messer mit einer breiten, 20 Zentimeter langen Klinge und sticht zweimal zu. In die linke Schulter und den linken Oberschenkel seines Opfers. Dass der zweite Stich die Beinschlagader nicht durchtrennt, ist Glück. Fünf Millimeter haben gefehlt, und Hussein I. wäre wohl verblutet.

Das Gericht verurteilte Birhat N. dafür wegen gefährlicher Körperverletzung, die mit einer Höchststrafe von zehn Jahren belegt ist. Nicht aber für einen versuchten Totschlag. Der Angeklagte habe nicht mit einem Tötungsvorsatz gehandelt, hielt ihm der Richter zugute. "Es waren zwei Stiche, die einem spontanen Geschehen entsprangen", sagte Eckstein. Dennoch sei vor allem der Stich mit dem Messer in den Oberschenkel eine "lebensgefährdende Behandlung" durch den Angeklagten gewesen.

Staatsanwaltschaft fordert sechs Jahre für versuchten Totschlag

Birhat N. nahm das Urteil gefasst auf. Dem Plädoyer von Oberstaatsanwältin Juliane Krause hatte er zuvor mit verkrampft gefalteten Händen und starrem Blick gelauscht. Sie sah den Sachverhalt aus der Anklageschrift weitgehend bestätigt, weshalb sie an den beiden Anklagepunkten gefährliche Körperverletzung und versuchter Totschlag festgehalten hatte.

Nach der Schlägerei, so Krause, sei es dem Angeklagten jederzeit möglich gewesen, den Ort des Geschehens zu verlassen. Doch der habe sich anders entschieden. Er sei in die Küche der Asylunterkunft gelaufen, habe das Messer geholt und damit auf sein Opfer eingestochen. Er habe dabei "tödliche Verletzungen billigend in Kauf genommen". Die Staatsanwältin ging auch davon aus, dass Birhat N. weiter auf sein Opfer eingestochen hätte, hätten ihn herbeigeeilte Bewohner der Unterkunft nicht entwaffnet.

Verteidigung: Der Geschädigte hat die Schlägerei provoziert

"Der Angeklagte befand sich in einer Ausnahmesituation", sagte Verteidiger Wolfgang Schwemmer in seinem Plädoyer. Er sei in Sorge um einen Freund gewesen, den der Geschädigte am Tatabend in sturzbetrunkenem Zustand nach Hause gebracht hatte. Birhat N. habe den Verantwortlichen nur zur Rede stellen wollen und sei dann von dem körperlich überlegenen Mann angegriffen worden. Selbst als Birhat N. sich mit zwei anderen Männern im Bad eingeschlossen hatte, habe Hussein I. vor dem Raum gewartet und dann wieder auf den Angeklagten eingeschlagen, als dieser die Tür öffnete. Schwemmer: "Es spricht viel dafür, dass der Geschädigte der Angreifer war."

Sollte das Gericht den 20-jährigen Angeklagten nicht freisprechen, so sollte nach Meinung des Verteidigers zumindest Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen. Durch seine Lebensumstände, die seit jeher von Flucht gekennzeichnet seien, sei "eine Reifeverzögerung nicht auszuschließen". Er widersprach damit der Einschätzung der Jugendgerichtshilfe. Deren Vertreter hatte sich über die Lebensumstände und den kulturellen Hintergrund des Angeklagten informiert und ein Urteil nach Erwachsenenstrafrecht empfohlen.

Der Angeklagte bricht in Tränen aus

Birhat N. war die Anspannung immer deutlicher anzumerken. Während des Plädoyers seines Verteidigers brach er in Tränen aus. Vor seinen abschließenden Worten musste der Vorsitzende Richter Michael Eckstein die Verhandlung unterbrechen. Der Angeklagte bat das Gericht, ihm eine zweite Chance zu geben. Er entschuldigte sich für die Messerattacke. "Ich wollte nicht, dass das passiert." Das Gericht gab ihm diese zweite Chance nicht.

Lesen Sie hier die Berichte von den ersten beiden Verhandlungstagen:

Prozess um Messerattacke in Asylheim

Messerattacke: Opfer hat Schutzengel

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