Prozess um Messerattacke in Asylheim

Von Moritz Kircher
Birhat N. (links) soll am 27. Oktober in Pegnitz einen Mitbewohner in einer Pegnitzer Asylunterkunft niedergestochen haben. Mit im Bild die Dolmetscherin Aziz Bekhal und Verteidiger Wolfang Schwemmer. Foto: Moritz Kircher Foto: red

Ein 20-jähriger Iraker steht derzeit vor Gericht, weil er am 27. Oktober vergangenen Jahres in einer Pegnitzer Flüchtlingsunterkunft einen Landsmann niedergestochen haben soll. Dass er kurz vor Mitternacht das Messer geführt hat, bestreitet er nicht. Allerdings habe er sich nur gegen einen Angriff verteidigen wollen. Der Niedergestochene erzählt eine andere Geschichte.

 
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In Hand und Fußfesseln wurde der Angeklagte vorgeführt, der seit dem Vorfall in der Asylunterkunft in der Pegnitzer Bahnhofstraße in Untersuchungshaft sitzt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Totschlag und schwere Körperverletzung vor. Vor der Messerattacke sollen Täter und Opfer eine Auseinandersetzung gehabt haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, danach ein Messer mit einer 20 Zentimeter langen Klinge aus der Küche geholt und auf sein Opfer eingestochen zu haben.

Angeklagter: "Ich habe Angst gehabt."

Der Angeklagte Birhat N. und dessen Pflichtverteidger Wolfgang Schwemmer stellen den Tathergang anders dar. Der Angeklagte sei von seinem späteren Opfer attackiert worden. Zuerst mit Fäusten, dann mit dem Stiel eines Wischmopps habe er auf ihn eingeschlagen. Daraufhin habe sich der Angeklagte für einige Minuten mit zwei anderen Männern im Bad verschanzt.

Als er den Raum wieder verlassen wollte, sei Hussein I. wieder auf ihn losgegangen. Warum habe sich der Angeklagte daraufhin ein Messer geholt und zugestochen, wollte die Staatsanwältin wissen. „Ich habe Angst gehabt“, sagte der Angeklagte. Sein Angreifer sei betrunken und äußerst aggressiv gewesen.

„Ich habe geahnt, dass er nicht in Ordnung ist.“

Aber was war eigentlich der Grund für den Streit? Der 21-jährige Hussein I. berichtet im Zeugenstand, dass er den Angeklagten in einem Durchgangslager in Roth bei Nürnberg zum ersten Mal getroffen habe. Dort hätte Birhat N. schon Probleme gemacht. „Ich habe geahnt, dass er nicht in Ordnung ist.“ Dann war Hussein I. in die Unterkunft nach Pegnitz gekommen. „Ich wusste nicht, dass er auch dort ist“, sagte er mit Blick zum Angeklagten. „Ich war schockiert.“ Sogar im gleichen Zimmer hätten die beiden untergebracht werden sollen. Woraufhin er darauf gedrängt habe, in ein anderes Zimmer umziehen zu können.

Am Tatabend gegen 19 Uhr sei Hussein I. mit zwei Bekannten nach Pegnitz in ein Shisha-Café gegangen. Der Angeklagte habe mitgehen wollen. Die drei Männer hätten jedoch darauf bestanden, alleine zu gehen. Nach 23 Uhr waren die Drei zurück in die Unterkunft gekommen, einer von ihnen stark betrunken.

Schwierigkeiten mit der Übersetzung der Zeugenaussagen

Das habe der Angeklagte Hussein I. zum Vorwurf gemacht und ihn kurz darauf tätlich angegriffen. Erst habe ihn der Angeklagte am Hals gepackt und geschubst, kurz darauf sei er mit einem Wischmopp bewaffnet aus dem Bad gekommen und habe danach das Messer aus der Küche geholt und ihm in die linke Schulter und ins linke Bein gestochen.

Die Befragung des Angeklagten, des Opfers sowie mehrerer Zeugen aus der Flüchtlingsunterkunft gestaltete sich schwierig, da es bei der Übersetzung der Dolmetscher aus dem Kurdischen und dem Arabischen immer wieder zu Schwierigkeiten und offenbar auch zu dem ein oder anderen Missverständnis kam. Vieles deckte sich auch nicht mehr mit dem, was die Polizei in der Tatnacht zu Protokoll genommen hatte, weil vor Ort niemand war, der zuverlässig aus dem Arabischen und Kurdischen übersetzen konnte.

Zeuge verstrickt sich in Widersprüche

Vor allem bei der Zeugenaussage von Murat M. (58) hatte das Gericht Probleme, eine schlüssige Aussage zu bekommen. Nach Aussage von Hussein I. soll Murat M. die ganze Tat beobachtet haben, was dieser verneinte. Er sei erst durch Geschrei auf dem Flur aus dem Schlaf gerissen worden. Er habe sich eingemischt und sei wieder auf sein Zimmer gegangen, nachdem Birhat N. in die Küche verschwunden war. Dann habe er Hussein I. schreien gehört, sei abermals aus seinem Zimmer gekommen und habe den jungen Mann blutend am Boden gesehen. „Da habe ich Angst bekommen und bin wieder in mein Zimmer gegangen.“

Auf Nachfragen von Verteidiger Schwemmer verstrickte sich Murat M. so sehr in Widersprüche, dass der Vorsitzende Richter Michael Eckstein die Verhandlung für eine Viertelstunde unterbrach und dem Zeugen nahelegte, seine Erinnerung zu sortieren und dann noch einmal auszusagen. Danach erinnerte sich Murat M. an eine handgreifliche Auseinandersetzung zwischen den beiden.

Notarzt beurteilt die Verletzungen als nicht lebensbedrohlich

Am Tatabend war Matthias Henkel als Notarzt in Pegnitz im Einsatz gewesen. Mit dem Finger habe er getastet, dass beide Stichwunden bei Hussein I. etwa vier Zentimeter tief waren. „Es war aber keine aktiv spritzende Blutung“, weshalb der Mediziner die Wunden als nicht lebensbedrohlich einstufte.

Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt. Angesetzt waren ursprünglich sechs Verhandlungstage. Da allerdings nur noch wenige Zeugenaussagen fehlen, könnte am zweiten oder dritten Verhandlungstag bereits ein Urteil fallen.

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