Dorf-Phantom wird in Bayreuth therapiert

Von und Marie-Christine Fischer
Symbolfoto: dpa Foto: red

Ein Mann lebt jahrzehntelang von der Außenwelt abgeschottet in seinem Elternhaus: Der Fall eines heute 43-Jährigen aus einem Hollfelder Ortsteil ist tragisch, von der Qualität von prominenten Fällen wie dem des österreichischen Inzesttäters Josef Fritzl aber weit entfernt.

 
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Der Mann habe sich „in seinem Bereich“, zu dem mehrere Zimmer des Einfamilienhauses gehört hätten, „frei bewegen“ können, sagt Jürgen Stadter, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken, auf Nachfrage.

Polizei ermittelt weiterhin gegen Eltern

Dennoch bleibt die Frage offen, ob der Mann das Haus nicht verlassen durfte oder ob er dies nicht wollte. "Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen." Die Vorwürfe an die Eltern - Freiheitsberaubung und Körperverletzung durch Unterlassung - bleiben also aufrechterhalten.

Wie berichtet wollte der Mann zunächst nicht mitkommen, als Polizisten ihn Mitte September aus dem Haus holten und ins Bezirkskrankenhaus brachten. Offenbar fühlte er sich bei den Eltern gut aufgehoben.

Der Mall soll in Bayreuth therapiert werden

Jetzt kümmern sich Ärzte, Therapeuten und Pflegekräfte im Bezirkskrankenhaus (BKH) Bayreuth um den 43-Jährigen. „Es geht ihm nicht gut, aber den Umständen entsprechend“, sagt BKH-Sprecher Christian Porsch. Dringlichstes Ziel sei jetzt herauszufinden, welche Hilfe der Mann braucht. „Nach momentanem Stand der Dinge wird die Therapie am Bezirkskrankenhaus Bayreuth erfolgen.“ Das Haus sei mit entsprechendem Fachpersonal ausgestattet.

Fall findet überregional Beachtung

Wenngleich die Klinik vorbereitet ist, sagt Porsch: "Es ist schon ein außergewöhnlicher Fall." Entsprechend groß ist das Medieninteresse. "Bei uns laufen momentan die Drähte heiß." Die Frage, ob der Sohn jetzt von seinen Eltern abgeschottet wird, beantwortete Porsch mit Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht nicht. Nach Informationen des Kuriers darf der Mann seine Eltern nicht sehen.

Vieles spricht bei dem 43-Jährigen für eine geistige Behinderung, die erst im Kindesalter einsetzte. Frühere Mitschüler erinnerten sich nicht an ein auffälliges Verhalten des Mannes. Der 43-Jährige bleibt ein Phantom. Ehemalige Schüler seiner Schule können sich nur ganz vage an ihn erinnern. Sie beschreiben ihn, nach einigem Nachdenken, als eher ruhigen Typ. „Ja stimmt, der war da.“ Er habe kaum Kontakt gesucht, sei alleine gewesen.

Kein Kontakt in angemessener Weise

Ab einem bestimmten Alter schien es dem jungen Mann nicht mehr zu gelingen, mit anderen Menschen in angemessener Weise in Kontakt zu treten. Nach Informationen des Kuriers war er als Junge schon in psychiatrischer Behandlung deswegen. Diese haben seine Eltern allerdings nicht weiter verfolgt – und abgebrochen.

Schulpflicht offenbar missachtet

Schätzungsweise rund 30 Jahre lang waren Mutter und Vater die einzigen Kontakte sozialen Kontakte, daran hat offenbar auch die Schulpflicht nichts geändert. Vermutlich endete seine Schulzeit vor Ablauf der vorgeschriebenen neun Jahre. Laut Gesetzt kann die Schule die „Durchführung des Schulzwangs“ beantragen – muss es aber nicht. Der heute 43-Jährige war als Teenager nach Angaben der Polizei als „nicht schulfähig“ eingestuft worden. Seine Spur reicht bis in die sechste Klasse der Gesamtschule in Hollfeld, dann verliert sie sich. Danach soll er auf einer Spezialschule in Scheßlitz gewesen sein.

Mit Material von dpa

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