Brandstifter noch kränker als gedacht?

Von Manfred Scherer
Foto: Britta Pedersen dpa/Archiv Foto: red

Der Vorsitzende der Großen Strafkammer des Bayreuther Landgerichts, Michael Eckstein, will Ende des Jahres in den Ruhestand. Er hat in Hunderten Prozesses schon einiges erlebt. Aber, dass er in letzter Sekunde die Plädoyers in einem Prozess verschieben musste, noch nicht.

 
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„Das war ja noch nie da“, sagte Eckstein am Dienstagnachmittag. Soeben hatte sich im Prozess gegen einen wegen Drogenhandels und Brandstiftung angeklagten Drogensüchtigen die Frage aufgeworfen: Ist der Angeklagte womöglich noch kränker als gedacht?

In dem Fall geht es um das Schicksal eines Mannes, der schon mit 15 seinen ersten Joint rauchte. Und der mit 17 zum ersten Mal mit dem Crystal Speed in Berührung kam. Der wegen seiner Drogensucht straffällig wurde und zur Therapie geschickt wurde. 6000 Euro kostet das den Staat im Monat. Nach der Therapie war er fünf Jahre abstinent. Doch dann ging es wieder los.

Selbst im Darknet Stoff besorgt

Im aktuellen Prozess vor der Strafkammer liegt ihm Drogenhandel zur Last. Zwischen Herbst 2015 bis zum Sommer 2017 soll er in vielen Fällen gedealt haben, vorwiegend um seine Sucht zu finanzieren. Selbst im Darknet soll er sich Stoff besorgt haben.

Die im Crystal Speed enthaltene Droge Metamphetamin verursachte Psychosen, attestierte ihm ein Psychiater. Der Mann bekam Wahnvorstellungen.

Die sahen so aus: Er glaubte, in seiner Wohnung seien Kameras versteckt. Er glaubte, von ihm würden heimlich Filme gedreht und ins Internet gestellt. Er fühlte sich verfolgt und legte nachts sein Handy im aktivierten Aufnahmemodus an die Wohnungstüre, um hörbare Beweise gegen unbekannte Verfolger im Treppenhaus zu sammeln. Er glaubte, seine Nachbarn in einem Mietshaus am Grünen Hügel hätten mit der Sache zu tun. Er versuchte ihnen die Polizei auf den Hals zu hetzen, damit die Beamten die Filme bei den Nachbarn beschlagnahmten. Als die Polizei dies nicht tat, griff er zu drastischeren Mitteln.

An zwei Tagen im Juni 2017 versuchte er vor den Wohnungen der Nachbarn Feuer zu legen. Die durch die Feuer alarmierte Polizei würde, so seine Vorstellung, endlich zu seinen Gunsten tätig werden.

Die Brandstiftungen gingen glimpflich aus – abgesehen von dem Schrecken, der den betroffenen Nachbarn eingejagt wurde.

Gutachter sieht große Gefahr

Im Prozess bekam der Angeklagte vom Erlanger Psychiater Thomas Wenske diese Beurteilung: der Mann sei bei den Brandstiftungen in einem Wahnzustand gewesen, der seine Schuldfähigkeit erheblich einschränke. Nach der Festnahme sei die Drogenpsychose abgeklungen.

Wenske erläuterte, der Angeklagte habe schon mehrere derartige Zustände gehabt und sagte: „Er ist in größer Gefahr.“ Der Psychiater meinte damit, dass das Gehirn des Angeklagten sich irgendwann einmal nicht mehr von den Folgen des Metamphetamins erholen werde. Dann werde aus der Psychose eine ausgewachsene Schizophrenie, die schwer heilbar ist. Jetzt könne man aber noch einmal einen Drogen-Zwangsentzug machen.

Das Gutachten quittierte der Angeklagte so: Er wolle nun einen Drogendeal gestehen, von dem er vorher behauptet hatte, der Deal stimme so nicht. Und es begründete dies mit den Worten: „Ich habe jetzt gemerkt, dass ich keine Bewährung kriege.“ Und er machte deutlich, dass er keine Drogentherapie machen wolle.

Auf die Frage des Vorsitzenden Eckstein: „Haben sie wirklich geglaubt, dass sie Bewährung kriegen? Da fragt man sich, ob sie die Realität nicht völlig verkennen“, intervenierte Verteidiger Volker Beermann. Er beantragte, die vorgesehenen Plädoyers zu verschieben. Bis kommenden Montag will er versuchen, seinem Mandanten die Lage zu erklären.

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