Mit Musik und Feuer gegen die Nachbarn

Von Manfred Scherer
Im Wahn will ein wegen Brandstiftung und wegen Drogendelikten angeklagter Bayreuther viele falsche Beschuldigungen erhoben haben. Foto: Britta Pedersen dpa-Archiv Foto: red

Eine Frau sah erst ihn durch den Türspion, dann Flammen an ihrer Wohnungstür. Eine andere Frau fuhr mit ihm nach Leipzig in die Disco und erhielt eine mutmaßlich ungerechtfertigte Anklage wegen Drogenhandels. Eine Polizistin musste mit ihm kämpfen „wie noch nie in ihrem Leben“. Ein 29-jähriger Bayreuther hat am Montag vor dem Landgericht gestanden, dass er viele Bayreuther zu Unrecht beschuldigt hat. Angeklagt ist er unter anderem wegen Drogenhandels und versuchter schwerer Brandstiftung.

 
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Der Angeklagte ist ein „Junkie“, ein Drogensüchtiger: Er konsumierte Cannabis, Crystal-Speed, LSD. Heute ist er überzeugt: Die Drogen haben ihn verändert und waren der Grund für seine Straftaten.

Als Angeklagter vor der Strafkammer des Landgerichts berichtet er, er habe er habe die Trennung von seiner Freundin nicht verkraftet. Und er habe deshalb immer mehr Drogen konsumiert. Und sich in diese Vorstellung hineingesteigert: Seine Ex-Freundin habe in seiner Wohnung heimlich Kameras installiert: „Ich war überzeugt, dass heimlich Filme von mir gedreht und ins Internet gestellt werden. Ich habe geglaubt, dass meine Nachbarn da mit drin stecken.“

Er schrieb alle möglichen Bekannten an, unterbreitete ihnen seinen Verdacht und erntete Unverständnis: „Auf Facebook haben mir alle die Freundschaft gekündigt, das hat meine Vorstellungen nur noch verstärkt.“ Er durchforstete Youtube und Facebook, um die Filme zu finden – erfolglos. Er forderte die Polizei auf, bei den Nachbarn Hausdurchsuchungen zu machen – die Polizei sah keinen Grund.

Vergeltung mit Lärm

Zunächst versuchte der Mann, an seinen Nachbarn mit Lärm Vergeltung zu üben: indem er so laut Musik aufdrehte, dass die Polizei wegen Ruhestörung alarmiert wurde. Als Polizisten seinen Internet-Router mitnehmen wollten – er hatte die Musik aus dem Netz gestreamt – drohte er: „Ihr kommt hier nicht mehr raus.“

Weil er versuchte, die Polizisten in seiner Wohnung einzusperren, kam es zum Gerangel und zur vorläufigen Festnahme. Eine Streifenbeamtin erklärte vor Gericht, der Angeklagte habe sich derart heftig gegen die Fesselung gewehrt, dass ihr und ihren Kollegen der Schweiß herunterlief.

Nach dem erfolglosen Musik-Einsatz griff der Mann zu drastischeren Mitteln. Er gestand, dass er am 10. Juni 2017 mit Waschbenzin die Türen bei zwei Nachbarn angezündet habe, um die Polizei auf den Plan zu rufen und damit doch noch die Durchsuchungen zu erreichen.

Vorwürfe aus der Luft gegriffen

Eine 34-jährige Nachbarin sagte als Zeugin über den 10. Juni: „Es klingelte an meiner Tür. Ich sah ihn durch den Türspion. Ich öffnete nicht. Er ging weg. Dann sah ich die Flammen an der Tür.“

Der Festgenommene kam ins Untersuchungsgefängnis, wo er sich mit Hilfe von Medikamenten von seinen Wahnvorstellungen lösen konnte. So fand er Klarheit darüber, dass er bei der Polizei eine Vielzahl von Leuten zu Unrecht beschuldigt hatte, mit ihm zusammen in Drogengeschäfte verwickelt gewesen zu sein. Eingeräumt hat er das aber erst im Prozess.

Eine Frau, ehemals eine gute Bekannte, hat sogar eine Anklage zum Landgericht bekommen und erfuhr erst am Montag, dass diese Vorwürfe aus der Luft gegriffen sein dürften. Die Deals selbst gab es, gestand der von Volker Beermann verteidigte Angeklagte: Er habe insgesamt rund 800 Gramm Hasch erworben – auch in Leipzig, wo er mit der falsch beschuldigten Frau in der Disco gewesen war.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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