Bayreutherin spendet ihrem Mann eine Niere

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Genau vor vier Jahren schenkte Hilde Schreiber ihrem Mann ein neues Leben. Die heute 48-Jährige spendet ihrem Mann Norbert eine Niere. Einen größeren Liebesbeweis kann es kaum geben.

 
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Vorgenommen wird die Transplantation am 22. Juli 2013 am Uniklinikum in Erlangen. "Ich werde dieses Datum nie vergessen", sagt der 52 Jahre alte Bayreuther. "Der Tag ist für mich mein zweiter Geburtstag." Und irgendwie auch wie ein neuerlicher Bund fürs Leben.

Radler mit Spenderorganen fahren nach Frankfurt

Aus Dankbarkeit nimmt das Ehepaar an der Radtour pro Organspende teil. Start war am Samstagnachmittag am Klinikum Bayreuth. 650 Kilometer wollen die 31 Teilnehmer zurücklegen. Die einwöchige Tour führt über Kulmbach, Coburg, Haßfurt, Lohr und Hanau bis nach Frankfurt. Organisiert wurde sie zum elften Mal vom Verein TransDia-Sport Deutschland.

Frau spendet eine Niere

Obwohl Norbert Schreiber das Glück hatte, in seiner Frau eine Spenderin zu finden, war der Weg alles andere als einfach. "Unsere Blutgruppen passten nicht zusammen", erzählt Hilde Schreiber. Daher habe sie sich einer Art Blutwäsche unterziehen müssen. "Wichtig war außerdem, dass ich von Kopf bis Fuß komplett gesund bin." Der erste Verdacht, dass ihr Mann an einer schwerwiegenden Nierenerkrankung leidet, kam 2002 nach einer Reise auf. Als die Werte immer schlechter wurden, riet der Nephrologe zur Organtransplantation. "Ich wollte nicht zuerst zur Dialyse, sondern entschied mich für eine Lebendspende."

Täglich sterben vier Menschen auf der Warteliste

Doch in Deutschland herrscht ein Mangel an Spenderorganen. Mehr als 10.000 Patienten warten auf ein Organe, zirka 8000 auf eine Niere. Aber es warten rund dreimal so viele Menschen auf eine Niere wie Transplantate vermittelt werden können. Konkret heißt das: Nur ein Teil der Wartenden überlebt. Weil sich ihr Gesundheitszustand immer weiter verschlechtert. Oder kein Organ rechtzeitig zur Verfügung steht. Dabei geht es nicht nur um die Niere: Auch für Leber, Herz, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm werden Wartelisten geführt. "Täglich sterben derzeit vier Menschen, die auf einer Warteliste stehen", sagt Bernd Hilpert, einer der Organisatoren der Radtour. Schon ein Spender könnte bis zu sieben Bedürftigen eine Überlebenschance bieten.

Ständig unter ärztlicher Aufsicht

Selbst wenn eine Transplantation erfolgreich war, machen die Betroffen hinterher viel mit. Bis sie vollständig genesen sind, bis sie wieder Sport treiben und ein Leben ohne größere Einschränkungen führen können. "Die Spende hat mir das Leben gerettet", sagt der 52-jährige Norbert Schreiber. "Jetzt geht es mir wieder gut." Obwohl er zwei Abstoßungsreaktionen hinter sich hat und nach wie vor starke Medikamente nehmen muss. Und seine Frau litt zunächst unter starken Narbenschmerzen. Beide müssen regelmäßg zur ärztlichen Kontrolle, er alle sechs Wochen.

Jeder will so schnell wie möglich drankommen

Nicht jeder, der ein neues Organ benötigt, kommt überhaupt auf eine Warteliste. Wenn das Risiko zu hoch ist und wenig Aussicht auf Erfolg besteht, kommt ein Eingriff nicht infrage. Entschieden wird dies von Medizinern, die ihre Gründe nach dem Transplantationsgesetz dokumentieren müssen. Zuletzt hatte ein Skandal um angeblich manipulierte Wartelisten das Uniklinikum in Hamburg-Eppendorf in Verruf gebracht. Die TransDia-Sport Vorsitzende Gudrun Manuwald-Seemüller, die ebenfalls mit radelt, bedauert die negativen Schlagzeilen. "Die Intensivmediziner kämpfen um das Leben jedes einzelnen." Die Verteilungsgerechtigkeit sei ein brisantes Thema. In Spanien spendeten viel mehr Menschen Organe. "Bei uns sind leider zu viele Hände im Spiel."

"Wie ein Sechser im Lotto"

Hans-Jürgen Kohler aus dem Schwarzwald erhielt vor 25 Jahren das erste Mal eine neue Niere. 1992 war eine zweite Transplantation notwendig. "Das war für mich wie ein Sechser im Lotto", sagt der 74-Jährige, der zugleich der älteste Radler im weiß-gelb-roten Trikot ist. "Was nützt es dir alles Geld, wenn dein Leben auf dem Spiel steht." Da er zeit seines Lebens sportlich war, fiel es im nicht schwer, auch nach der Operation wieder Sport zu treiben. Denn Bewegung helfe, den Körper zu entgiften. Die Abwehrkräfte sind verringert, die Muskulatur geschwächt. Hans-Jürgen Kohler ist dankbar für die neue Lebensqualität. Er reist viel in Begleitung seiner 72 Jahre alten Ehefrau Veronika, die ebenfalls mit E-Bike bei der Tour mitmacht. "Hätte meine Transplantation nicht geklappt, meine Frau wäre längst Witwe."

Zwei bis sechs Entnahmen im Jahr

Die Organspende sei eine gesellschaftliche Herausforderung, die in Deutschland noch nicht optimal gelöst sei. Am Klinikum Bayreuth werden zwei bis sechs Organe im Jahr entnommen. Prof. Harald Rupprecht, stellvertretender Ärztlicher Direktor der Klinikum Bayreuth GmbH und Chefarzt der Klinik für Nephrologie, radelt einen Teil der Strecke bis nach Kulmbach mit. Er hält den Einsatz der Menschen mit Spenderorgan und der Dialysepatienten für bemerkenswert. "Sie kämpfen für andere mit, obwohl sie selbst Torturen hinter sich haben."

Hintergrund:

Seit der Änderung des Transplantationsgesetzes gilt in Deutschland die sogenannte Entscheidungslösung. Jeder über 16 Jahren soll sich gegenüber der Krankenkasse erklären, ob er nach seinem Tod Organe spenden will. Eine Pflicht, sich zu entscheiden, gibt es nicht. Der Chefarzt der Klinik für Nephrologie in Bayreuth, Harald Rupprecht, plädiert aber dafür, die Organspende verpflichtend zu machen. Ein Vermerk im Personalausweis oder in der Gesundheitskarte der Krankenkasse würden genügen, so Rupprecht. Momentan müssten Ärzte und Angehörige in Stresssituationen die Entscheidung treffen. Deshalb sollte seiner Ansicht nach jeder zu Lebzeiten eine Wahl treffen und dies nicht den Angehörigen überlassen. Ist ein Organspendeausweis vorhanden, gilt dieser als Wille des Verstorbenen. Allerdings gibt es Fälle, in denen die Angehörigen in letzter Konsequenz ihre Zustimmung verweigern.

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