Arbeit 4.0: Wie Digitalisierung den Jobmarkt verändert Arbeit 4.0: Das Kapital hat Füße

Von Katharina Wojczenko
Volkswirtin Katharina Dengler vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg hat erforscht, welche Berufe sich in Deutschland jetzt schon durch Maschinen ersetzen ließen. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Werden wir überhaupt noch arbeiten oder werden Roboter uns ersetzen? Darum ging es bei der Veranstaltung "Arbeit 4.0" im Zentrum Bayern Familie und Soziales. Was können Personal- und Firmenchefs daraus lernen?

 
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Lehrer, Busfahrer, Altenpfleger und Friseure müssen nicht weiterlesen: Bisher wurde keine Maschine erfunden, die sie ersetzt. Alle anderen müssen sich auf etwas gefasst machen.

Einer Studie zufolge werden in den nächsten zehn bis 20 Jahren in den USA nämlich fast die Hälfte der Beschäftigten durch Computer oder computergestützte Maschinen ersetzt. Volkswirtin Katharina Dengler vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg hat erforscht, welche Berufe sich in Deutschland jetzt schon durch Maschinen ersetzen ließen. Substituierungspotenzial heißt das.

Verkäufer sind schon zu 67 Prozent ersetzbar

Die Ergebnisse sind teils überraschend. Abrechnung, kassieren, verpacken, Waren auszeichnen: Von den sechs Tätigkeiten, die einen Verkäufer auszeichnen, können Maschinen schon vier erledigen. Substituierungspotenzial also 67 Prozent.

Nur für Kundenberatung und Verkauf gibt es noch keinen Ersatz. Die Forscher haben sich auch die Qualifikationen angeschaut. Wenig überraschend: Expertenberufe lassen sich weniger leicht ersetzen als Helferberufe.

Unersetzlich: Lehrer, Busfahrer, Altenpfleger, Friseure

Was mehr überrascht: Helfer- und Fachkraftberufe haben ein ähnlich hohes Substituierungspotenzial, nämlich um die 45 Prozent. Obwohl die einen keine Ausbildung, die anderen mindestens zwei Jahre Ausbildung voraussetzen. Schwere manuelle Tätigkeiten, wie sie Hilfskräfte tun, ließen sich einfacher durch Maschinen ersetzen, sagt Dengler. Ebenso Fertiggungsberufe.

Am wenigstens ersetzbar sind soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe. Und überhaupt nicht ersetzbar sind: Lehrer, Busfahrer, Altenpfleger und Friseure.

15 Prozent "mit hohem Substituierungspotenzial"

Fazit: Unterm Strich haben derzeit 15 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ein "hohes Substituierbarkeitspotenzial". Nur 15 Prozent, sagt Dengler. Und: Theoretisch. Was rechtlich, ethisch möglich oder bezahlbar ist, lässt die Studie außer Acht.

Von den leicht Ersetzbaren arbeiten in Bayern mehr als im deutschlandweiten Schnitt. Das liegt daran, dass in Bayern viele Menschen im verarbeitenden Gewerbe arbeiten, sagt Dengler.

Mit der Daten-Brille könnte die Hilfskraft Kompliziertes machen

Was ist die Konsequenz? Das fragten sich die Zuhörer, Personalchefs und Geschäftsführer. Dengler sagt: "Angst ist derzeit unbegründet." Die Digitalisierung werde nämlich auch Arbeitsplätze schaffen und bestehende Berufe sich verändern.

Mit Hilfe von Digitalisierung könnten vielleicht auch Hilfskräfte anspruchsvollere Tätigkeiten ausführen. Zum Beispiel, indem sie eine Daten-Brille tragen, auf deren Gläsern die Arbeitsschritte eingeblendet werden. Dengler rät - auch das ist nichts Neues - zu Bildung, lebenslangem Lernen, Weiterbildung.

Die Technik wandelt sich schnell, die Lehrpläne nicht

Wie soll das gehen, fragt eine Zuhörerin aus der Bildungsbranche, wenn sich die Ausbildungsordnungen nur alle fünf bis zehn Jahre ändern und eine Lehrplan-Änderung Jahre braucht? Und wo sind die Lehrer für diese neuen Inhalte?

Zuhörer Thomas Stelzer, Chef der Agentur für Arbeit Schweinfurt, rät, in die Bau- und Elektrobranche zu gehen. "Da werden immer Leute gesucht." Und derzeit händeringend, weil sie die Digitalisierung in den Unternehmen umsetzen müssen.

Ein Arbeitsplatz voller Technik

Apropos händeringend gesucht: Während bei Denglers Vortrag eher denen die Ohren schlackerten, die niedrig Qualifizierte in Arbeit bringen wollen, ging es Nils Urbach, Professor für Wirtschaftssinformatik und Strategisches IT-Management, um den hochqualifizierten Büromenschen.

Der wird anspruchsvoller, wechselt häufiger die Stelle, will mit einem "Arbeitsplatz der Zukunft" geködert werden. Dieser ist vollgestopft mit moderner Technik, geprägt von flachen Hierarchien, Teamarbeit, flexiblen Arbeitszeitmodellen und Vertrauen in den Mitarbeiter.

"Mein wichtigstes Kapital hat Füße"

Auch hier legt eine Zuhörerin den Finger in die Wunde. Mitarbeiter, die immer kürzer im Haus bleiben, die vernetzt arbeiten, denen die Chefs immer mehr Vertrauen entgegenbringen - wie schafft man, dass dieses Wissen die Firma nicht verlässt?

Eine der größten Herausforderungen, bestätigt Urbach - und zitiert einen Unternehmer, den er beraten hat: "Mein wichtigstes Kapital hat Füße. Jeden Abend verlässt es mein Unternehmen. Ich kann nur hoffen, dass es morgen wiederkommt." 

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