Mein Konkurrent, der Roboter

Von Kerstin Fritzsche
Roboter werden äußerlich immer menschlicher. Ersetzt dieser Kerl bald den Bürokollegen? Archivfoto: Peter Kneffel/dpa Foto: red

Das Wort Roboter wurde in einer Science-Fiction-Geschichte geboren. Seitdem träumen die Menschen von dem humanoiden Alleskönner, der ihnen das Leben erleichtert. Je wahrer der Traum wird, desto mehr wächst die Angst vor dem nimmermüden Konkurrenten. Zu Recht? Ein Essay.

 
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130 Jahre ist die Industrielle Revolution her. Seitdem hat sich vieles verbessert, vor allem dort, wo Maschinen monotone Arbeiten übernommen haben. Jetzt stecken wir mitten in der Digitalisierung. Und so manch einer hat Angst, dass Kollege Roboter ihm nicht nur assistiert, sondern ihm den Job klaut. Ist das berechtigt?

Die Robotergesetze

1942 erschien im amerikanischen Science-Fiction-Magazin "Astounding" die Kurzgeschichte "Runaround" des sowjetischen Schriftstellers Isaac Asimov. Darin wird erstmals ein Roboter als humanoider, also menschenähnlicher Alleskönner beschrieben. Das Vorbild aller Maschinen, die Menschen im Alltag helfen sollen, war geschaffen. Inklusive Gesetzen, die das Zusammenarbeiten von Mensch und intelligenter Maschine regeln sollten.

Sie lauten:

1. Ein Roboter darf kein menschliches Wesen (wissentlich) verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.

2. Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Gesetz 1 kollidieren.

3. Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht gegen Gesetz 1 oder 2 verstößt.

Diese heute als "Robotergesetze" bekannte Regeln waren der Grundsatz, nach dem Asimov sieben später seinen Roman "Ich, der Robot" schrieb.

I, Robot: 2004 wurde der Science-Fiction-Klassiker verfilmt:

Dieses Buch, 2004 sehr frei von Alex Proyas mit Will Smith in der Hauptrolle verfilmt, ist heute ein Klassiker der Science-Fiction-Literatur. Aber es ist auch Grundlage der Computerwissenschaft, genauer: der Robotik. Und seitdem gehören die Themen Arbeit und Roboter zusammen.

Ein Abbild des Menschen

Dominik Henrich, Professor für Angewandte Informatik an der Uni Bayreuth. Foto: Christian Wißler

 

Dominik Henrich, Professor für Angewandte Informatik an der Uni Bayreuth, sagt: Asimovs Vision vom humanoiden Alleskönner ist bis heute der Traum aller Robotiker. „Das Problem dabei: Ein Roboter ist nur ein technisches Abbild des Menschen.“ In der Mechanik sei man relativ weit in der Anpassung. Der humanoidste Roboter, den es seit 2000 gibt, ist der Asimo von Honda.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Asimo schon kennengelernt.

Der kann zwar grüßen, tanzen, laufen, servieren und Kanzlerin Merkel die Hand verweigern. „Aber so ein Roboter kann eben nicht die Vielfalt der Menschlichkeit abbilden“, sagt Henrich. "Er kann weder fühlen noch assoziieren. Selbst Kombinieren wird schwierig."

Mensch gegen Roboter

Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Es gibt Computerwissenschaftler, die prophezeien einen Schichtwechsel: Intelligente Roboter werden uns demnächst bis zu 60 Prozent der Arbeitsplätze wegnehmen, weil sie bald auch kognitive Fähigkeiten lernen werden.

Googles selbstfahrendes Auto ist schon wieder Schnee von gestern, die amerikanischen Wissenschaftler im Silicon Valley sind längst dabei, Robotern menschliches Verhalten zu lehren, also kombinieren, assoziieren, reagieren.

Die Angst vor dem Konkurrenten

Das erzeugt Ängste. Belastbare Studien und klare Zahlen gibt es bis jetzt wenige. Autoren einer Studie im Auftrag der ING-Diba sprechen von 18 Millionen Jobs, die in Deutschland durch Automatisierung verloren gehen werden. Sabine Bendiek, Vorsitzende von Microsoft Deutschland, gibt Entwarnung: "Bis jetzt sind nur 0,4 Prozent unserer Arbeitsplätze in Gefahr."

Sabine Bendiek, Vorsitzende von Microsoft Deutschland. Archivfoto: dpa (mit Erlaubnis von Microsoft Deutschland)

Der englische Rundfunk BBC hat 2015 einen virtuellen Test erstellt. Wer seinen Beruf dort eingibt, erfährt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Roboter einem den Arbeitsplatz wegnimmt. Wenig überraschend: Das Risiko steigt mit dem Automatisierungsgrad. Vom flächendeckenden kompletten Ersatz von Arbeitsplätzen seien wir weit entfernt, meint Microsoft-Deutschland-Chefin Bendiek.

Vom Robot zum Cobot

Das sieht der Bayreuther Robotiker Henrich genauso: "Wir sind mit der Entwicklung entsprechender Robotik auf dem Niveau eines Säuglings." Das Hauptproblem sei, dass momentan die einzelnen Bereiche nicht integrierbar sind.

Kollege Roboter hat in vielen Werkshallen schon einen festen Platz - und dieser soll ausgebaut werden. So wird der Robot zum Cobot. Wo sich Robotik mit Naturwissenschaften weiterentwickelt, setzt man wie auch an der Uni Bayreuth auf Mensch-Roboter-Kollaboration mit entsprechender Programmierung.

"Roboter sollen den Menschen assistieren, etwa Sachen bewegen, anreichen oder in eine Reihenfolge bringen“, sagt Henrich. Der Weg dorthin ist noch weit. „Wie soll ein Roboter zum Beispiel gleichzeitig Farben erkennen und dann Gegenstände nach Farbe bereitlegen, wenn er nicht weiß, wo links und rechts ist?", sagt Henrich. Wir Menschen wissen das intuitiv.

Was die Uni Robotern beibringt

Wenn der Roboter das aber erst beherrscht, könnte er laut Henrich neue Anwendungsbereiche erschließen: in der Kleinproduktion, in Labor, Küche, Werkstatt und Büro. Dass Sensoren und Tiefenkameras mittlerweile deutlich billiger und kleiner sind, hat diese Entwicklung beschleunigt. Gegenstände aufgreifen, ablegen, einen Bewegungsablauf "lernen", der dann automatisiert wird - daran forscht man am Lehrstuhl für Robotik und Eingebettete Systeme in Bayreuth.

Auch Automobilkonzerne investieren in diesen Bereich. Den Hersteller Kuka in Augsburg hat gerade ein chinesischer Hausgeräte-Hersteller übernommen, weil der Wettbewerb bei der Robotik für den Alltag von Anfang an global war.

Wird unsere Arbeit in Zukunft spannender?

Das schafft aber auch neue Chancen. "Leute werden durch zunehmende Automation Jobs verlieren", sagt Henrich. Dafür werde es in anderen Bereichen neue Jobs geben. "Diese höherwertige Arbeit wird durch die Cobots ermöglicht." Deswegen würden Bildung und Spezialisierung immer wichtiger.

Stefan Heumann, Mitglied der Geschäftsführung der Stiftung Neue Verantwortung. Foto: red

 

Stefan Heumann von der Stiftung Neue Verantwortung denkt noch radikaler: "Das deutsche Bildungssystem ist überhaupt nicht auf die Industrie 4.0 ausgerichtet. Statt rein linearer, chronologischer Wissensvermittlung brauchen wir mehr Kompetenzvermittlung“, sagt Heumann.

„Wir müssen lernen, lebenslang zu lernen und uns immer wieder an die neuen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt anzupassen", sagte er bei einem Schwerpunkt zur Zukunft der Arbeit auf der diesjährigen Internet-Konferenz Republica.

Der Arbeitsschutz

Dominik Henrich macht auf noch ein Problem aufmerksam: "Was wir Menschen akzeptieren oder als Gefahr betrachten, ist kulturell unterschiedlich." Es sei daher sehr schwierig, gemeinsame Normen zu entwickeln, um beispielsweise die Sicherheit zu gewährleisten. Die Berufsgenossenschaft in Deutschland akzeptiere etwa erst seit fünf Jahren Berührungen zwischen Mensch und Roboter, und das auch nur in Grenzen.

Weil freilich niemand freiwillig an sich testen lassen möchte, inwiefern die enormen Kräfte eines stationären Roboters sich auf seinen Kopf auswirken, wenn etwas schiefgeht. Aus Forschungssicht ist das paradox. "Dagegen setzen wir uns im Straßenverkehr selbstverständlich diesen Gefahren aus", sagt Henrich.

Noch ein langer Weg, bis Roboter selbstverständlich die "dritte Hand" des Menschen sein werden. Aber realistisch.

Online-Redakteurin Kerstin Fritzsche war für den Nordbayerischen Kurier bei der Internetkonferenz Republica in Berlin. In ihrer Jugend hätte sie gern einen Roboter als dritte Hand gehabt - zum Zimmer-Aufräumen.

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