Altenpflegeschulen müssen bangen

Von Peter Rauscher
Das sind die Altenpfleger von morgen: Lehrerin Jutta Hammer (rechts) unterrichtet in der Klasse der Berufsfachschule für Altenpflege und Altenpflegehilfe des bfz in Bayreuth. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Die Ausbildung von Kranken, Alten- undKinderkrankenpflegern wird nach Beschluss des Bundestages vom Donnerstag ab dem Jahr 2020 in großen Teilen vereinheitlicht. Die beiden Altenpflegeschulen in Bayreuth und dieSchule für Kinderkrankenpflege am Klinikum stehebn vor einer ungewissen Zukunft.

 
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Elisabeth Scharfenberg, pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion  aus Rehau, ist pessimistisch: "Reine Altenpflegeschulen dürften in Schwierigkeiten geraten“, teilt sie dem Kurier mit. Der Grund: Nach dem neuen Gesetz werden Alten- Kranken- und Kinderkrankenpfleger künftig zwei Jahre lang gleich ausgebildet. Im Fachjargon spricht man von generalistischer Ausbildung. Nur wer sich schon zu Beginn für eine Altenpflegeausbildung entschieden hat, könne im dritten Jahr spezielles Wissen für die Altenpflege erwerben. Er oder sie könne sich  auch noch für die Generalistik entscheiden.

Generalist bleibt Generalist

Umgekehrt sei das nicht möglich. Wer sich zu Beginn für die Generalistik entschieden habe, müsse auch dabei bleiben. Scharfenberg schließt: Vermutlich würden mehr Auszubildende am Ende den generalistischen Abschluss wählen. Für Altenpflegeschulen bedeute das, dass sie keine komplett dreijährige Ausbildung mehr anbieten können, sondern lediglich Vertiefungseinsätze während der generalistischen Ausbildungsphase sowie das dritte Ausbildungsjahr für diejenigen, die sich für den Abschluss in Altenpflege entschieden hätten. Weil aber nicht feststehe, wie viele Schüler am Ende den Abschluss in Altenpflege machen wollten, könnten die Schulen nicht mehr gut planen. Altenpflegeschulen müssten entweder Kooperationen mit generalistischen Pflegeschulen eingehen oder selbst die generalistische Ausbildung anbieten.

Ausbildung wird krankenpflegelastiger

Christine Schmelzer ist Leiterin der Altenpflegeschule des Berufsfortbildungszentrums (bfz) in Bayreuth mit derzeit 65 Schülern. Was aus ihrer Schule wird, ob sie gar überflüssig wird, kann sie noch nicht sagen. Lehrpläne oder offizielle Unterrichtungen gibt es noch nicht. Sie vermutet nach dem, was sie gehört hat: „Die Ausbildung wird krankenpflegelastiger werden.“ Für Schulen wie ihre werde das eine "gewaltige Umstellung" sein.  Man werde auch neue Kooperationen brauchen, um zum Beispiel Praktikumsplätze in der Krankenpflege anzubieten.

Was wird mit der psychischen Betreuung?

Den Weg zur generalistischen Ausbildung hält sie für problematisch. „Unsere ausgebildeten Altenpfleger sind Langzeitpfleger, die pflegen nicht akut Kranke, da spielt die psychische Seite eine viel größere wichtigere Rolle. Wenn dies künftig zurückgefahren wird, fände ich das schade.“ Im Ausland werde Deutschland um seine eigene Altenpflegeausbildung beneidet. Der Bayreuther Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes, Träger der Bayreuther Altenpflegefachschule mit derzeit 104 Schülern, wollte keine Stellung nehmen, ehe konkrete Gesetzesinhalte bekannt sind.

Wird der Altenpfleger abgeschafft?

Ob mit der neuen Pflegeausbildung mehr oder weniger Menschen für den Pflegeberuf gewonnen werden können, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. "Nein", sagt die Grüne Scharfenberg, „dieses Gesetz fördert vor allem Verunsicherung.“ Noch niemand wisse, wie die Ausbildungen aussehen werde. Wenn sich mehr als 50 Prozent der Schüler für den generalistischen Abschluss entscheiden würden, könnten die Abschlüsse in Altenpflege und Kinderkrankenpflege nach sechs Jahren ganz abgeschafft werden. „Wer wählt einen Abschluss, der vielleicht bald abgeschafft wird?“ fragt Scharfenberg.

Schulgeld fällt weg

Emmi Zeulner, Kulmbacher CSU-Bundestagsabgeordnete und gelernte Krankenhpflegerin, glaubt das genaue Gegenteil. Die Attraktivität der Pflegeberufe werde gesteigert, zumal Schulgeld künftig bundesweit abgeschafft werde. Sie bemängelt den Verlust an Spezialisierung nicht in der Alten-, sondern in der Kinderkrankenpflege, weil die Anforderungen hier doch ganz anders als in der Krankenpflege.

Gute Chance für Kinderkrankenpflege

Am Klinikum Bayreuth geht man davon aus, dass die Kinderkrankenpflegeausbildung hier eine gute Zukunft hat. Sprecher Frank Schmälzle sagte, auch wenn die Auswirkungen der Ausbildungsreform derzeit unbekannt seien: Am Klinikum Bayreuth sei es „strukturell“ möglich, neben der generalisierten Ausbildung zur Krankenpflege weiterhin auch eine spezialisierte Ausbildung für Kinderkrankenpflege anzubieten, da man auch über eine Kinderklinik verfüge. Derzeit lassen sich am Klinikum 48 Schüler zu Kinderkrankenpflegekräften ausbilden.

In einem Punkt stimmt Emmi Zeulner ihrer Abgeordnetenkollegin Elisabeth Scharfenberg zu: Kleine Pflegeschulen werden durch die Reform vor „große Herausforderungen“ gestellt. Zeulner fordert schon jetzt: Sollten sie in Not geraten, müssen sie unterstützt werden.

Die Reform der Pflegeausbildung

Nach dem neuen Gesetz wird von 2020 an ein generalistischer Ausbildungsgang mit einheitlichem Berufsabschluss eingeführt. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen. Die wichtigsten Änderungen:    - Die Ausbildungen in der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege werden zu einer neuen generalistischen Pflegeausbildung zusammengeführt. Der einheitliche Berufsabschluss lautet "Pflegefachfrau" und "Pflegefachmann". Er berechtigt Absolventinnen und Absolventen, in allen Bereichen der Pflege zu arbeiten und gilt auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.    - Parallel kann die dreijährige Ausbildung weiterhin mit einem Abschluss in Kinderkranken- oder Altenpflege abgeschlossen werden. Das letzte Ausbildungsjahr dient dann der Spezialisierung. Diese Pflegekräfte können jeweils nur in ihrem Bereich arbeiten.    - Zugang zur dreijährigen Pflegeausbildung haben alle Interessenten mit einer zehnjährigen Schulbildung. In den ersten beiden Jahren lernen sie zusammen, in der zweiten Hälfte des zweiten Ausbildungsjahres können sie sich dann für einen spezialisierten Abschluss entscheiden. - Wer die generalistische Ausbildung nach zwei Jahren beendet, erwirbt einen Abschluss als Pflegeassistent/in.    - Hauptschüler und -schülerinnen mit einem neunjährigen Schulabschluss können nur die Ausbildung zum Pflegeassistenten beginnen. Wollen sie sich später zur Fachkraft ausbilden lassen, ist dies möglich, wenn sie die Ausbildung zum Helfer abgeschlossen haben. Sie beginnen von neuem, es wird aber die erste Ausbildungszeit ganz oder zum Teil angerechnet.    - Das Schulgeld wird überall abgeschafft. Durch ein Umlageverfahren sollen alle Pflegeeinrichtungen an den Ausbildungskosten beteiligt werden. Die Pflegeschülerinnen und Schüler sollen eine angemessene Ausbildungsvergütung geben. Sie lernen an Pflegeschulen und an mehreren Einsatzorten in der Praxis.    - Es wird ein berufsqualifizierendes Pflegestudium eingeführt und festgelegt, welche Aufgaben in der Pflege den akademisch ausgebildeten Pflegekräften vorbehalten werden.    - Die neuen Regeln sollen von Januar 2020 an gelten. Ausbildungen, die bis Ende 2019 nach heutigem Recht begonnen werden, werden auch noch nach diesem Recht abgeschlossen.    - Nach sechs Jahren soll der Bundestag anhand der Ausbildungszahlen entscheiden, ob die Abschlüsse in der Alten- und Kinderkrankenpflege weiter bestehen bleiben sollen.

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