Wie die Nürnberger Kripo über einen anderen Spitzel die Ermittlungen in der LKA-Affäre beginnen konnte Entlastung für den V-Mann

Von Manfred Scherer
 Foto: red

Im Bayerischen Landeskriminalamt ist er der zurzeit am meisten gefürchtete Mann. Holger H. (53), Hauptkommissar bei der Korruptionsdienststelle der Kripo Nürnberg. Er hat im Zuge der V-Mann-Affäre Verfahren gegen sechs zum Teil hochrangige LKA-Beamte zuwege gebracht. Im Prozess gegen Ex-V-Mann Mario F. ist er der bedeutendste Entlastungszeuge. Er sagt: Was Mario F. dem LKA vorwirft, sei durch seine Ermittlungen grundsätzlich „bestätigt“.

 
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Und das ist im Groben, was Mario F. behauptet: Als V-Mann bei der kriminellen Rockergruppe „Bandidos“ in Regensburg beging er Straftaten, unter anderem als Drogendealer. Und weil er diese Straftaten mit Wissen, Billigung und im Auftrag seines V-Mann-Führers beim LKA begangen habe, hält Mario F. sich für unschuldig. Das konnte er bislang nie beweisen, auch in einem Drogenprozess vor dem Landgericht in Würzburg im Jahr 2012 und 2013 nicht. Er wurde zu mehr als sieben Jahren Haft verurteilt.

Zehn Gramm Rauschgift in der Unterhose

Nun läuft seit November für einen Teil dieser Verurteilung die Prozess-Neuauflage in Würzburg. Es geht um eine Teilstrafe für ein vergleichsweise „kleines“ Rauschgiftgeschäft von zehn Gramm Crystal Speed. Mario F. war am 23. November 2011 bei Waldsassen mit dem Rauschgift in der Unterhose gefasst worden. Wegen eines Messers, das damals im Auto des V-Manns lag, wird der Prozess wiederholt.

Mario F. hat heute bessere Karten

Mario F.’s Karten sind heute besser als damals: Denn parallel wird gegen LKA-Beamte ermittelt. Wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt, wegen möglicher Falschaussagen zuungunsten von Mario F. durch LKA-Beamte im ersten Prozess.

Ein Baggerdiebstahl in Dänemark bringt das LKA in Verdacht

Der Mann, dessen Ermittlungen das Blatt gewendet haben könnten, berichtete am Dienstag, wie es zu den Ermittlungen kam, die dem Ex-V-Mann neue Hoffnung geben und die die LKA-Affäre mitsamt Dringlichkeitsanträgen im Landtag auslösten.

Dem Staatsanwalt wurden Beweise vorenthalten

Hauptkommissar Holger H. bestätigte, dass Mario F. mit mehreren „Bandidos“ Ende September 2011 in Dänemark vier Minibagger stahl. Mario F. fuhr einen Laster mit drei der Bagger darauf, seine Komplizen einen Kleintransporter mit dem vierten Bagger darin. Weil in einem Bagger auf dem Laster des V-Manns ein versteckter Peilsender war, spürte die Fahndung den Laster am 26. September im Bereich der Rastanlage Wernberg-Köblitz auf. Mario F. gab sich als LKA-V-Mann zu erkennen. In der Folge, so der Nürnberger Ermittler, vertuschten LKA-Beamte die Beteiligung des V-Mann-Führers, der von dem kriminellen Motiv der „Bandido“-Fahrt nach Dänemark vorab informiert gewesen sei. „Gutgläubige“ Beamte der zuständigen Kripo in Amberg wurden manipuliert und „bearbeitet“, dem Staatsanwalt Beweise vorenthalten. Mario F. wurde als nicht mehr verdächtig entlassen, seine Komplizen konnten sich unbehelligt des vierten Baggers entledigen.

Zeuge bestätigt: V-Mann-Akte manipuliert

Diese Komplizen hatten jedoch Angst. Und wandten sich an einen Bekannten, von dem sie wussten, dass er ebenfalls als V-Mann für jenen Hauptkommissar des LKA arbeitete, der Mario F. führte. Der zweite V-Mann verriet, dass gegen die besorgten „Bandidos“ eine Telefonüberwachung lief.

Das war der Ansatzpunkt für die ersten Ermittlungen des Nürnberger Kriminalbeamten. Dadurch gewann er Erkenntnisse, die in einem Ermittlungsauftrag eines Staatsanwalts mündeten. Nach den ersten Beweisen für die Beteiligung von Mario F.’s V-Mann-Führer am Baggerdiebstahl bekam er Durchsuchungsbeschlüsse und eine Freigabe der unter Verschluss gehaltenen V-Mann-Akte von Mario F. Ergebnis: Die Akte war manipuliert worden. Details, die Mario F. entlasten und seinen V-Mann-Führer belasten konnten, waren verschwunden.

LKA hatte Interesse an Rockertreffen

Allerdings fand der Nürnberger Ermittler die verschwundenen Aktenteile, unter anderem auf einem Datenträger im Rucksack des V-Mann-Führers. Darin unter anderem E-Mails von Mario F. über seine Erkenntnisse, die er als V-Mann bei den „Bandidos“ gewonnen hatte; über „Auslandseinsätze“, die das LKA im ersten Prozess in Würzburg bestritten hatte; und über die möglichen Hintergründe des Zehn-Gramm-Schmuggels von Waldsassen. Holger H. bestätigte die Existenz von beiseitegeschafften Unterlagen, die nahe legen, dass die zehn Gramm für das LKA von besonderer Bedeutung waren: Laut Mario F. diente das Rauschgift als „Stimmungsmacher“ für eine Party anlässlich eines Übertrittstreffens des damaligen „Bandido“-Chefs Ralf K. zu den konkurrierenden „Hells Angels“. Dieses Treffen wollte das LKA unbedingt observieren. Da passt dazu, dass Mario F.’s V-Mann-Führer sich für die Freilassung seines gerade festgesetzten Mitarbeiters einsetzte und den versteckten Unterlagen zufolge seinen V-Mann angewiesen haben soll, tags drauf zu dem Übertrittstreffen zu gehen – mit zehn Gramm Crystal in der Tasche. Das wäre ein Indiz, das für die bislang unbewiesene Behauptung des Ex-V-Manns spricht, sein Führungsoffizier habe von dem Zehn-Gramm-Schmuggel gewusst.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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