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Launert nimmt man aber auch ab, dass sie nicht nur aufgrund ihres früheren Berufslebens viel Ahnung mitbringt. Sondern dass sie sich auch fleißig einarbeitet. „Ich bin immer gut vorbereitet“, sagt Launert und lässt Kramme, die in gewohnter Berufspolitiker-Manier vorträgt, damit in manchen Momenten schlecht aussehen. Als es um die Frauenquote geht, zum Beispiel. Als Kramme sagt, dass es dabei nur um Vorstandsposten gehe und Launert sagt: „Ich war in den Gesprächen dabei. Wir haben auch über die Quote im öffentlichen Dienst gesprochen. Es ist schade, dass sie sich nicht informiert haben.“
Kramme stellt ihr Licht unter den Scheffel
Kramme hingegen, und das ist das Komische an diesem Abend, könnte von vielem erzählen, das sie schon geleistet hat. Immerhin hat sie es zur Staatssekretärin gebracht. Aber stattdessen stellt sie ihr Licht so dermaßen unter den Scheffel, dass es selbst Launert nicht mehr mit anschauen mag. „Sie haben doch nicht 19 Jahre lang geschlafen. Warum reden Sie sich selbst so schlecht“, fragt Launert und an dieser Stelle wird das ganze Drama der einst stolzen Volkspartei spürbar. Einer SPD, der der politische Gegner Mut zusprechen muss, weil ihr Schröders Agenda 2010 bis heute nachhängt. Einer Partei, der Martin Schulz schon alleine deshalb wie der Erlöser vorgekommen sein muss.
Neben solchen nachdenklichen Momenten gibt es einen, in dem Launert Kramme anschreit. Weil sie die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen abschaffen wolle, während selbst im Sozialministerium solche Verträge üblich seien. Woraufhin Kramme Launert der Verlogenheit bezichtig, schließlich sei das CDU-geführte Finanzministerium für den Stellenplan verantwortlich.
Und es gibt Momente, in denen man glaubt, sich verhört zu haben. In denen die Kandidatinnen reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Wenn Launert sagt: „Ich hab auch mal Sexualdelikte verhandelt, da hat man mit immer gesagt: du bist kein Opfer, die suchen sich schwache Frauen.“ Oder wenn sie erzählt, dass sie in einer großen internationalen Kanzlei bereits mit 27 Jahren 100.000 Euro im Jahr hätte verdienen können. „Einstiegsgehalt“ wohlgemerkt, wie Launert betont. Und wenn Kramme sagt, dass sie als Abgeordnete schon so viel gearbeitet habe, dass sie ihre 40 Berufsjahre in der Hälfte der Zeit bereits vollbracht habe. In den Ohren kleiner Leute müssen solche Sätze wie Hohn klingen, auch wenn sie nicht so gemeint sind.
Einen Sieger?
Wer hat also dieses Duell gewonnen? Keiner von beiden. Natürlich die Wähler, die sich ein Bild davon machen konnten, wie die Kandidatinnen ticken. Wer hören wollte, dass sich die Kandidatinnen auf politische Vorhaben festlegen, der musste sich, außer mit Anette Krammes Distanzierung von der Agenda 2010, mit Silke Launerts Zusage begnügen: „Wir machen das nicht!“ Niemand wolle schließlich die Rente mit 70, warum also sollte sie im Koalitionsvertrag stehen.
Stattdessen fallen an diesem Abend Sätze wie der von Launert: „Es ist in mir drin, ich muss immer managen, Probleme lösen. Es gibt Grenzen wie Haushalt, Koalitionen und es ist eine Erfahrung, auch an diese Grenzen zu stoßen.“ Es scheint, als hätte Launert an diesem Abend selbst eine Grenze überschritten. So aufgeweckt und angriffslustig hat man sie selten erlebt. Kramme dagegen punktet mit Ruhe und Sachlichkeit, lässt sich nicht einmal aus dem Konzept bringen, als sie angeschrien wird. Man nimmt ihr ab, dass sie ihre Lust auf Politik aus etwas anderem zieht. Aus dem „Tüfteln und Austricksen, wenn man dem Koalitionspartner ein Wörtchen untergejubelt hat und er es erst in zweiter Lesung bemerkt“. Da ist dann auch Kramme wieder Juristin, die ein Gespür hat für die Macht des einzelnen Wortes. Die eher als Strippenzieherin hinter den Kulissen wahrgenommen wird und das an diesem Abend auch nicht ändern will. Man könnte sagen, im Herzogkeller trafen Angriffslust auf Routine und Eifer auf Erfahrung.
thorsten.guetling@nordbayerischer-kurier.de