„Es gibt keinen eisernen Rahmen für Musik“

Von Michael Weiser

Wer Jaques Loussier mag, wird seine Musik lieben: Mit dem Ausnahme-Pianisten David Gazarov und seinem Trio beginnt am Samstag, 23. April, die Musica Bayreuth. Wir riefen ihn in Kroatien an, wo er sich gerade bei seiner Frau erholt, und sprachen mit ihm über wahre Liebe und die Nummer eins der Komponisten. Und warum man nicht fürs Klavier komponieren muss und bei Pianisten dennoch gut ankommen kann.

 
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Ihre Frau lebt schon in Zagreb, Sie aber in München. Wollen Sie Bayern am Ende dem Rücken kehren?

David Gazarov: München ist meine große Liebe, seit 1991 bin ich dort. In Zagreb bin ich immer wieder ab und zu, wegen meiner Frau. Ist ja ebenfalls schön dort. Es sieht ziemlich österreichisch aus, es war halt ein Teil der k.u.k- Monarchie. Was hier schön ist, kommt aus der K.u.k-Zeit. Für mich als Musiker ist hier der Musikverein wichtig, Und wer hat ihn gegründet? Kaiser Franz Joseph. Und Franz Liszt hat ihn dann auf die Beine gebracht.

Sie stammen aus der früheren Sowjetunion, leben in München und in Zagreb und sind überhaupt viel unterwegs. Sie überall zu Hause zu sein, was Sie ohnehin mit Liszt verbindet.

Gazarov: So ähnlich, wobei ich München als mein Zuhause betrachte. Ich bin aber Kosmopolit. Ich fühle mich nirgendwo richtig fremd. Es sei denn, wo ich Probleme mit der Mentalität habe. Dort, wo Frauen nicht respektiert werden, muss ich mich aufregen.

Belastender Konflikt

Sie haben Erfahrung mit Oberfranken. Mit den Bamberger Symphonikern haben Sie schon Konzerte im Ausland gespielt.

Gazarov: 1997 war das. Und es waren nicht die offiziellen Symphoniker, sondern Orchestermitglieder um Till Weser, die sich Symphony Bigband nannten. Das war ein Crossover-Projekt und nannte sich „Gershwin meets Renaissance“. Die CD hat sich sehr gut verkauftt.

Sie sind Armenier...

Gazarov: Moment, ich bin armenischer Herkunft, geboren bin ich aber in Baku.

Pardon...

Gazarov: Nicht schlimm. Durch die ganze Unruhe dort interessieren sich die Europäer mehr und fangen an, das besser zu verstehen. Es ist sehr kompliziert.

Was löst das Wiederaufflammen des Konflikts in Ihnen aus?

Gazarov: Das ist sehr belastend für mich. Ich kann nicht verstehen, warum die Leute so dumm sind. Im Endeffekt kämpfen dort größere Mächte um Öl und Einfluss. Und derweil sterben die Menschen.

Wie hat Sie die Musik in ihrer aserbaidschanischen Heimat geprägt?

Gazarov: Ich hatte Glück. Seit meinem vierten Lebensjahr hat mich Musik beschäftigt, weil ich Klavierunterricht erhielt. Die ganze westeuropäische, insbesondere aber die deutsche Kultur war bei uns immer sehr präsent. Literatur, Musik und Malerei. Gleichzeitig hat mein Vater als junger Musiker Big Bands gleitet. So nahm ich auch Kontakt mit dem Jazz auf, und das schon als Kind. Gleichzeitig war Baku damals sehr international, jedenfalls haben die Leute dort Musik förmlich gelebt, Klassik, Jazz, aber auch Volksmusik. Und das alles in einer großen Mischung. Deswegen gibt es für mich in der Musik keine Grenzen. Die ganze Musik ist ein großer Weltkörper. Dazu gehört auch die Volksmusik; sie beeinflusst große Komponisten, auch Mozart und Beethoven – das ist raffinierte deutsche Volksmusik. Nein, es gibt keinen eisernen Rahmen in der Musik.

Als Sie jung waren, gab es noch die Sowjetunion. Wie gedieh die Musik im Kommunismus?

Gazarov: Es gab sehr viele Dummheiten, aber auch Sachen, die sehr gut waren. Zum Beispiel Ausbildung. Und: Alles, was Weltkultur anging, wurde gefördert. Politische Spielereien, die waren nicht gut. Ich musste manchmal lachen, aber manchmal auch weinen. Ich bin Kosmopolit, nicht nur im Sinne, dass ich die Welt liebe, sondern auch politisch: Es war mir nie klar, warum manche Völker in Grenzen eingesperrt sind und andere nicht kontaktieren dürfen.

Hauptsache, gute Musik und gute Kollegen

Wie kamen Sie nach München?

Gazarov: Weil ich einen Plattenvertrag hatte. Es war reiner Zufall. Ein Produzent hatte mich in Moskau gehört, 1990, bei einem Konzert. Sofort nach dem Konzert kam er hinter den Vorhang und schlug mir einen Plattenvertrag vor. Es gab auch wichtige Konzerte mit Bigband vom BR. Und Auftritte bei Festivals.

Sie sind solo zu erleben, im Trio, aber auch mit großem Orchester. Sind Sie gerne in Gesellschaft? Was mögen Sie am liebsten?

Gazarov: Eigentlich liebe ich alles, Hauptsache, es ist gute Musik mit guten Kollegen, und das meine ich in professioneller Hinsicht genauso wie menschlich. Wenn das zusammenkommt, dann kann man gute Musik in allen Konstellationen machen.

Was ist für Sie gute Musik?

Gazarov: Haha. Das ist ein großes Thema. Wenn die Musik den Zufall als Resonanzboden hat und ihn zum Klingen bringt, dann kann sie sogar heilen. Wissen Sie, es gibt Forschungen. Man stellte ein Glas Wasser zwischen Lautsprecher. Wenn Musik ertönte, kräuselte sich das Wasser, in immer anderen Mustern, je nach Musik. Wir bestehen zu 70 Prozent aus Wasser. Dazu kommt allerdings unser Hirn, das bestimmte Frequenzen mit bestimmten Lebensereignissen verbindet. Natürlich beeinflussen wir so den Zuhörer und seine Gefühle. Deswegen wirkt Musik so stark.

Wagner? Einer der genialsten überhaupt!

Und wer macht die beste Musik?

Gazarov: Natürlich Bach. Dann lange nichts mehr. Dann Mozart, und dann lange nichts mehr. Und dann eine ganze Galaxie von Musik, von Komponisten. Ich liebe Strawinsky, Hindemith, die Impressionisten – alles mögliche, auch Mahler. Und Wagner, er ist einer der genialsten überhaupt. Wie er das Orchester beherrscht...

Aber für Piano hat er so gut wie nichts geschrieben.

Gazarov: Man muss nicht für Piano schreiben, damit ich’s mag. Ich habe übrigens auch schon ein Konzert in Bayreuth gespielt, zusammen mit Karlheinz Steffen. Da haben wir über Motive aus verschiedenen Opern Richard Wagner improvisiert. Am Anfang waren die Leute sehr skeptisch. Was kann Wagner mit Jazz zu tun haben? Und ich verstehe die Menschen auch. Nach dem ersten Ton herrschte Stille, die Menschen haben wie die Mäuschen gelauscht. Es war ein großer Erfolg, auch die Familie Wagner kam auf uns zu, und auch James Levine. Und als Folge davon wurden wir von Barenboim nach Israel eingeladen. Das war ein großer Erfolg, das war Ruhm. Die Leute haben gesehen, dass zwei Musiker, die ihr Fach beherrschen, eine geniale Musik in anderem Licht präsentieren und keinen Zirkus daraus machen. Und das hat geklappt.

INFO: Jazziger Start für die Musica Bayreuth, mit dem David Gazarov-Trio und „Bachology“. Der Pianist David Gazarov, Michi Schulz am Bass und Obi Jenne am Schlagzeug spielen am Samstag, 23. April. Achtung: Das Konzert hätte ursprünglich im Reichshof über die Bühne gehen sollen, doch wurde die Genehmigung nicht erteilt. Neuer Ort: Stadthalle. Das Konzert beginnt um 19.30 Uhr, Karten beim Kurier und an der Theaterkasse. Weitere Infos: www.musica-bayreuth.de

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