Nach Informationen des TV-Senders TA3 soll es sich bei dem Täter um Juraj C., einen ehemaligen Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes handeln. Offiziell bestätigt wurde das zunächst nicht. Trotz eines Informationsembargos gelangte der Sender an eine Videoaufnahme aus der Polizeistation. Darin sagt der benommen wirkende mutmaßliche Attentäter: "Ich stimme der Regierungspolitik nicht zu." Als konkretes Beispiel nannte er mit undeutlicher Stimme die von der Regierung geplante Auflösung des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens RTVS, gegen die seit Wochen Tausende Menschen demonstrieren.
Verstärkter Polizeischutz für Politiker
Innenminister Sutaj Estok kündigte verstärkten Polizeischutz für Politiker, aber auch Journalisten an. Zugleich rief er Medien, Politiker aller Lager und die Öffentlichkeit auf, mit der "Hetze gegen politische Gegner in sozialen Medien" aufzuhören.
Der liberale Oppositionsführer Michal Simecka sagte am Abend alle politischen Aktionen für unbestimmte Zeit ab. Das betreffe auch eine für Mittwochabend geplante Demonstration gegen die Regierung.
Augenzeugen berichteten im Fernsehen, vor dem Kulturhaus in Handlova seien fünf Schüsse gefallen, als Fico ins Freie ging, um Hände zu schütteln. Ein Schuss habe ihn in die Brust getroffen. Das Lokalfernsehen RTV Prievidza veröffentlichte ein Video vom Tathergang: Zu sehen ist, wie sich ein Mann an den Zaun drängt und aus unmittelbarer Nähe auf den Ministerpräsidenten schießt.
Staatspräsidentin spricht von Angriff auf die Demokratie
Staatspräsidentin Zuzana Caputova sagte, es handele sich bei dem Attentat auch um einen Angriff auf die Demokratie. "Jegliche Gewalt ist inakzeptabel. Die hasserfüllte Rhetorik, derer wir in der Gesellschaft Zeuge geworden sind, führt zu hasserfüllten Aktionen. Bitte, lasst uns damit aufhören."
Die liberale Präsidentin hatte sich trotz großer Beliebtheit nicht um eine zweite Amtszeit beworben, weil sie nach eigenen Worten "nach Jahren politischer Krisen und mehreren Regierungswechseln nicht mehr die Kraft" habe. Das Klima zwischen Regierung und Opposition gilt als vergiftet.
Spitzenpolitiker zeigen sich bestürzt
US-Präsident Joe Biden sprach von einer "schrecklichen Gewalttat". "Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und dem slowakischen Volk", erklärte er. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte das Attentat auf Fico "unerträglich". "Ich wünsche ihm, dass er sich gut von diesem feigen Anschlag erholt", sagte Scholz.
In Europa ist Fico wegen seiner oft überspitzten Formulierungen zur Ukraine- und Russland-Politik der EU umstritten. Im Wahlkampf für die Parlamentswahl im Herbst 2023, die er gewann, ließ er mit der Ankündigung aufhorchen, er wolle "keine Patrone" mehr an Waffen an die Ukraine liefern. Tatsächlich aber hat die Slowakei seit Ficos Rückkehr an die Regierung im Oktober alle EU-Sanktionen gegen Russland mitgetragen und auch allen EU-Hilfen für die Ukraine zugestimmt - einschließlich der Verwendung eingefrorener russischer Gelder für die Ukraine und Befürwortung eines Beitritts der Ukraine zur EU - nicht aber zur Nato.
Die Sanktionen gegen Russland lehnt Fico entgegen irreführender Medienberichte nicht grundsätzlich ab. Er kritisiert aber, dass manche von ihnen der von russischem Gas, Öl und Uran abhängigen Slowakei mehr schaden als Russland selbst. Stattdessen verlangt er Sanktionen, die Russland empfindlicher treffen.