Arnold Kiesl: Links und hinterm Tresen

Von Martina Bay
Arnold Kiesl. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Das Plectrum in Bayreuth ist Kult-Kneipe und für viele Gäste wie ein zweites Wohnzimmer. Chef Arnold Kiesl sorgt dafür, dass sich dort auch nach 30 Jahren nicht viel ändert.

 
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Man stelle sich Arnold Kiesl in einer piekfeinen Bar wie dem Schumann's in München vor. Wie er reinkommt mit seinen Gesundheitslatschen und den blau-gestreiften Wollsocken. Den langen grauen Haaren, die etwas zerzaust sind, vielleicht sogar nicht einmal gekämmt. Die Münchner Bussi-Bussi-Gesellschaft, die so viel Wert auf den äußeren Schein legt, wäre vermutlich total platt.

Aber im Plectrum, seiner Kult-Kneipe in Bayreuth, fällt der 58-Jährige nicht auf. 1984 wurde sie eröffnet, die Möbel sind immer noch dieselben. "Warum sollte ich sie gegen neue austauschen, die sind doch noch gut." Auch von technischen Erneuerungen hält er nicht viel. Computer, Handy, wozu denn das? "Man kann mich in der Kneipe erreichen oder zu Hause, das reicht."

"Weil es so schön bei dir ist. Das ist für dich."

Auch seine politische Einstellung versteckt er nicht. Die Ausgaben der linken "taz" liegen auf dem Tresen. An der Wand hängen Urkunden "Für hervorragende Leistungen im sozialistischen Wettbewerb in der Biervernichtung", seine Stammtisch-Fußballgruppe nannte sich "Chaos und Anarchie Plektrum". "Ich bin ein Sympathisant der Grünen und politisch stehe ich zwischen der SPD und den Linken."

Ob links, rechts oder politisch überhaupt nicht interessiert, ins Plectrum kommt Jung und Alt. Vor allem wenn die Kinder zufrieden sind, ist Chef und Koch Kiesl glücklich. Einmal kam eine Fünfjährige zu ihm und drückte ihm einen Euro in die Hand. "Weil es so schön bei dir ist. Das ist für dich." Für Kiesl war das sein "schönster Moment".

Fünf bis sechs Bier und dann mit dem Auto nach Hause

Auch wenn die Zeit in der Kneipe stehengeblieben zu sein scheint, bei den Gästen und ihrem Konsum von Alkohol hat sich einiges geändert. "Es wird viel weniger Alkohol getrunken. Früher haben die Männer fünf bis sechs Bier getrunken und sind danach noch mit dem Auto nach Hause gefahren." Mitgetrunken hat Kiesl nicht. "Für uns gilt 0,00 Promille. Meine Mitarbeiter können nicht eine Flasche Schnaps saufen. Wie sollen sie da noch die Gäste abkassieren?" Die Preise hält er weiterhin niedrig. "Ich möchte als Gast in einem Lokal auch keine überteuerten Preise bezahlen. Und ein Schweinebraten für 13 Euro ist einfach zu teuer."

Wie ein zweites Wohnzimmer

Deswegen hat Kiesl Stammgäste, die schon seit Jahrzenten in die Kneipe kommen. So um die 20 sollen es sein. Der harte Kern, der immer wieder bei Kiesl vorbeischaut. Und der auch manchmal immer wieder dasselbe erzählt. "Das kann schon vorkommen, dass man eine Geschichte schon mehrmals gehört hat." Und dann stellt man sich Kiesl vor, der kein Dauerquatscher zu sein scheint und auf Fragen relativ kurz antwortet, wie er hinter seinem Tresen steht, und sich wieder eine Geschichte vom letzten Urlaub anhören muss. Aber genervt ist er davon nicht, er hört seinen Gästen zu. Und das gerne, weil ihm das Plektrum, das er gepachtet hat und die ganze Woche offen hat, auch für ihn so wichtig ist. "Die Leute sollen sich in der Kneipe wohlfühlen. Für viele ist das Plectrum wie das zweite Wohnzimmer. Sie kennen alles und sie kennen mich schon seit ewigen Zeiten."

Mädchen oben ohne

Ein zweites Wohnzimmer war für den gebürtigen Weidener das Jugendzentrum, das er mit anderen Jugendlichen als 18-Jähriger in Weiden aufgebaut hat. "Wir haben es uns erkämpft", sagt er. Der Stadtrat habe sich wohl gedacht, "was wollen die linken Chaoten da"?  Einmal mussten sie das Jugendzentrum schließen, weil es in einem Zeitungsbericht der "Weidener Zeitung" hieß, dass dort die Mädchen oben ohne die Getränke ausgeben. " Das hat überhaupt nicht gestimmt. Wir haben damals 600 Menschen mobilisiert und sind vor das Rathaus gezogen. Dafür haben wir jeden Einzelnen angerufen." Und damals habe es weder E-Mail noch soziale Netzwerke gegeben. Das Jugendzentrum, das es heute immer noch gibt, hatte danach ganz schnell wieder geöffnet.

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Arnold Kiesls Top 3 im Plectrum

1. Knoblauchbrot mit Käse: 2 Euro

2. Schaschlikpfanne: 5,30 Euro

3. Kaffee: 1,90 Euro

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