Gesetz von 1919 kann dazu führen, dass man sein Feld an jemanden verkaufen muss, an den man nicht verkaufen will Uraltgesetz: Auf einmal ist der Acker weg

Von Sarah Bernhard
Wer sein Feld verkaufen möchte, muss aufpassen an wen – sonst kann es sein, dass alles ganz anders kommt als eigentlich geplant war. Foto: Archiv/Ronald Wittek Foto: red

Eine alte Dame will einer Freundin zwei Felder verkaufen. Der Verkaufspreis: Gerade so hoch, dass es für ihr Pflegeheim reicht, aber deutlich unter Wert. Was sie nicht wissen: Es gibt ein Gesetz aus dem Jahr 1919 zur Sicherung von Ackerland, das dem Bauernverband ein Vorkaufsrecht einräumt. Ein Drama nimmt seinen Lauf.

 
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Die alte Dame aus dem Landkreis hatte einen Plan: Sie wollte einer Freundin, die sich seit Jahrzehnten um sie kümmert, zwei Felder verkaufen. Sie grenzen ans Grundstück der Freundin, deren Familie plant, sie später zu bewirtschaften. Die alte Dame will von dem Geld ihr Pflegeheim bezahlen. Der Verkaufspreis liegt deutlich unter Wert, es geht um einen Freundschaftsdienst, nicht um Gewinn.

Doch eines Tages flattert ein Brief vom Landratsamt ins Haus: Der Bayerische Bauernverband (BBV) plane, sein Vorkaufsrecht zu nutzen. Von dem die alte Dame und ihre Freundin bisher laut eigener Aussage gar nichts wussten.

Das erste Gesetz der Weimarer Republik

Die Grundlagen für dieses Recht liegen im „Grundstückverkehrsgesetz“ (GrdstVG) und im „Reichssiedlungsgesetz“ (RSiedlG). Das eine stammt aus dem Jahr 1962, das andere von 1919. Es ist das erste Gesetz, das die Nationalversammlung der Weimarer Republik nach Verabschiedung der Verfassung beschlossen hat.  „Die Gesetze dienen dazu, dass das Land in den Händen der Landwirte bleibt“, sagt Harald Köppel, Geschäftsführer des BBV Bayreuth.

Denn sie besagen: Um Felder oder Wiesen zu verkaufen, braucht man eine Genehmigung. Ist der Käufer kein Bauer, haben lokale Landwirte über den BBV ein Vorkaufsrecht. „Man hat damals schon erkannt, dass das zur Ernährungssicherung wichtig ist“, sagt Köppel.

"Wir müssen das prüfen, sonst bekommen wir Ärger"

Das Gesetz in diesem Fall einfach nicht anzuwenden, sei unmöglich. „Wir müssen das prüfen. Ansonsten würden wir Ärger bekommen, weil wir vom Freistaat beauftragt sind.“ Wie bei allen Gesetzen gebe es Härten, die den Einzelnen träfen, „aber das zu entscheiden liegt nicht in unserer Macht“.

Pocht der BBV auf sein Recht, bekommt nun ein lokaler Landwirt das Grundstück. Und zwar ebenfalls deutlich unter Wert. Denn: „Ab dem Moment, in dem das Landratsamt die Anfrage an den BBV weitergegeben hat, kann man den Vertrag nicht mehr ändern oder zurücktreten“, sagt Hubertus Benecke. Er  ist Rechtsanwalt für Agrarrecht in Hof, einer der wenigen in Deutschland. „Sie könnten höchstens noch versuchen, mit einem Betriebskonzept darzulegen, dass sie Bauern werden wollen. Dann gilt das Vorkaufsrecht nicht.“

Anwalt hat den Vertrag angefochten

So weit will es der Anwalt, der auch die betroffene Familie vertritt, aber nicht kommen lassen. Er hat den Vertrag angefochten, der BBV und der kaufwillige Bauer haben noch bis Anfang September Zeit, sich zu äußern. Deshalb wollen die Betroffenen auch nicht mit ihrem Namen in der Zeitung auftauchen. Wenn für sie alles gut geht, wird der BBV auf sein Recht verzichten. Dann gehen die Felder einfach wieder an die alte Dame zurück.

 

Die wichtigsten Antworten zum Fall

Ist das ein Einzelfall?

Die Familie sei mit ihrem Problem nicht alleine, sagt Anwalt Hubertus Benecke: „So etwas kommt öfter vor als man denkt.“ Allerdings vor allem in den neuen Bundesländern. Eine Anfrage an die BBV Landsiedlung, wie oft dieses Vorverkaufsrecht in Bayern und im Landkreis Bayreuth bisher genutzt wurde, blieb unbeantwortet. Auch das Landratsamt kann die Frage nicht beantworten.

Ist das Mauschelei?

Wenn statt des geplanten Käufers zufällig ein lokaler Bauer beim Feldkauf zum Zug kommt, empfinden das manche Betroffene als Mauschelei. Doch dieses Vorgehen ist rechtlich geregelt: Sobald das Vorkaufsrecht gilt, muss der BBV prüfen, ob ein ortsnaher Bauer die Flächen braucht, sagt BBV-Geschäftsführer Harald Köppel. Manche Oberlandesgerichte hätten zwar auch schon entschieden, dass Landwirte in der heutigen Zeit ein Feld auch über große Entfernungen hinweg sinnvoll bewirtschaften können. „Aber die meisten Gerichte halten eher an der ortsnahen Regelung fest“, sagt Benecke.

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