Erdogan-Satire-Beitrag jetzt Staatsaffäre

Das türkische Außenministerium hat nach Angaben aus diplomatischen Kreisen in Ankara in einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter gefordert, die Veröffentlichung eines Erdogan-kritischen Beitrags aus der NDR-Satire-Sendung "extra 3" zurückzuziehen.

 
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"extra 3" hatte am 17. März ein satirisches Lied über den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan zur Melodie von Nenas "Irgendwie, irgendwo, irgendwann" ausgestrahlt und darin quasi ausgesagt, dass es keine Pressefreiheit in der Türkei gibt.

Der Botschafter Martin Erdmann war daraufhin ins Außenministerium einbestellt worden, wie "Spiegel Online" zuerst berichtete. Man habe die Ausstrahlung verurteilt, hieß es dazu in den türkischen diplomatischen Kreisen.

Hintergrund des Ganzen ist der aktuelle Prozess gegen zwei "Cumhuriyet"-Redakteure. Erdmann hatte, wie insgesamt 200 Kollegen aus anderen Ländern, den ersten Tag des Prozesses als Beobachter im Gericht verfolgt und in Ankara damit zuvor selbst schon für Unmut gesorgt. Außerdem twitterte der britische Generalkonsul schon am Samstag, dass die Türkei selbst entscheide, was für ein Land sie sein will:

 

 

Die türkische Version des Tweets war dabei übrigens erfolgreicher als die englische und wurde über 80 Mal retweetet:

 

 

Der Deutsche Journalisten-Verband bezeichnete die diplomatische Intervention Erdogans als "lächerlich". «Der türkische Machthaber Erdogan hat offenbar die Bodenhaftung verloren», sagte der DJV-Vorsitzende Frank Überall. «Seine außenpolitische Empörung ist so lächerlich, dass er sich zum Gespött der sozialen Netzwerke gemacht hat.» Über das berechtigte Gelächter dürfe aber nicht übersehen werden, dass «die Verfolgung kritischer Journalisten in der Türkei bittere Realität ist».

Er hoffe, dass der deutsche Botschafter in Ankara den türkischen Präsidenten auf die Bedeutung des Grundrechts Pressefreiheit hingewiesen habe, sagte Überall. Das Auswärtige Amt wollte die Einbestellung des Botschafters auf dpa-Anfrage nicht kommentieren.

"extra 3" reagierte auf die Ansagen aus Ankara erneut mit Satire:

 

Und setzte am Dienstagmittag noch einen drauf:

 

 

 

Erdmann wurde innerhalb von vier Wochen drei Mal einbestellt.  Der "Cumhuriyet"-Prozess wird jetzt unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgesetzt.

Einen Tag nach Bekanntwerden des Vorgangs äußern zahlreiche Politiker, Medienmacher und Vertreter türkischer Verbände in Deutschland heftige Kritik an Erdogan.

dpa/kfe

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