Diplom-Geologe: „Eine mittlere Katastrophe“ Tausende Liter Kerosin versickert

Von Andrea Pauly
Foto: Ralf Münch Foto: red

Das Ingenieurbüro Piewak und Partner für Geologie und Umweltschutz aus Bayreuth hat den Boden rund um die Wrackstelle auf giftige Rückstände untersucht. Im Interview mit dem Kurier spricht Geschäftsführer Ralf Wiegand über die Untersuchungen und die Folgen des Absturzes für den Wald, den Boden und das Grundwasser im Wald bei Engelmannsreuth.

 
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Nach Angaben des Landkreises Neustadt an der Waldnaab lag der höchste festgestellte Hydrazinwert bei 0,0012 Gramm pro Liter – und zwar an der Stelle, an der der Tank auf den Boden aufgeschlagen ist. Wie ordnen Sie diesen Wert ein?

Ralf Wiegand: Wir diskutieren im Milligrammbereich, rund um das Flugzeugwrack sogar im Mikrogramm-Bereich. Das ist hinsichtlich der Stoffgefährlichkeit ein sehr, sehr geringes Risiko. Prinzipiell muss man sagen, dass die Gefährlichkeit auf die reine Flüssigkeit bezogen ist.

Wie viel Hydrazin ist ausgetreten?

Wiegand: Da geht es um 24 Liter insgesamt. Der Tank ist durch den Absturz 80 Meter weit weg geflogen. Dabei kam es höchstwahrscheinlich zu zirka 13 Litern, die auf einer großen Fläche ausgelaufen sind. Der Tank war zuerst wohl intakt und nur durch die Schlauchleitungen gab es Tropfverluste. Die restlichen Liter sind erst durch den Einschlag ausgelaufen. Verunreinigungen durch Hydrazin gab es im Absturzbereich des Flugzeugs nicht, das hat sich durch die chemischen Untersuchungen bestätigt.

Besteht oder bestand aus Ihrer Sicht Gefahr für den Menschen?

Wiegand: Wir müssen leider sagen, dass wir von den Amerikanern keine weiteren Informationen bekommen. Auch für uns ist so etwas selten, wir haben nicht jeden Tag mit einem Flugzeugabsturz zu tun. Aber aufgrund der sehr geringen Gehalte im Boden leiten wir ab, dass auch in der Luft gesundheitsgefährdende Inhalte fast auszuschließen waren und die nicht für eine akute Gefährdung ausreichen.

Welche Auswirkungen hat der Absturz auf den Boden und das Grundwasser?

Wiegand: Was das Hydrazin betrifft, haben wir teilweise leichte Überschreitungen der Grenzwerte. Da könnte eine Grundwasserverunreinigung erfolgt sein, die Sanierung des Bodens dort ist auf einer Fläche von etwa vier mal fünf Metern schon ausgeführt. Der eigentliche Beelzebub sind mehrere Tausend Liter Kerosin, die ausgelaufen sind.

Seit wann ist dieses Problem bekannt?

Wiegand: Das Gelände war 14 Tage lang Sperrgebiet. Vorher war für niemanden, auch nicht für Ämter oder Retter, bekannt, dass auch Hydrazin dort war. Direkt nach der Freigabe, am 24. August, durften wir zum ersten Mal rein. Unsere erste Aufgabe war Überprüfung der Maßnahmen der Streitkräfte. Leider ist der Informationsfluss da sehr schlecht. Wir haben bis heute keine richtigen Informationen und können nur mutmaßen, dass keine Bodensanierungen stattgefunden haben.

Das bedeutet, dass die Treibstoffe fast zwei Wochen Zeit hatten, im Boden zu versickern. Wie bewerten Sie das?

Wiegand: Das ist eine mittlere Katastrophe! Die ersten Erkundungen haben gezeigt, dass es unmittelbaren Handlungsbedarf gibt, der dann auch unmittelbar ausgeführt wurde. Die lange Wartezeit hat aber dazu geführt, dass die Sanierung größer geworden ist. Jeden Tag dringt das Kerosin tiefer in den Boden ein. Es gab einen Bodenaushub von bis zu sechs Metern Tiefe. Das wäre bei schnellerem Eingreifen weniger gewesen.

Was haben Sie unternommen?

Wiegand: Wir haben schon gleich bei den ersten Sondierungen gesehen, dass eine enorme Verunreinigung vorliegt. Das erkennt man auch sofort am Geruch des Kerosins. Wir haben Proben genommen. Im eigentlichen Schadensbereich, einer 30 mal 50 Meter großen Fläche, gab es sechs bis sieben Sondierungen. Die Bodensanierung hat sofort begonnen, als die Infrastruktur hergestellt war. Im Wald sind die Wege schlecht, dass erstmal eine Straße geschottert werden musste. Sämtlicher verunreinigter und verbrannter Boden wurde abgetragen und entsorgt. Die große Sanierungsgrube war 20 mal 25 Meter groß und zwei bis sechs Meter tief. Daneben haben wir zum Teil den Oberboden abgezogen, um Kerosin und Brandstoffe abzutragen. Die von Kerosin und Feuer in Mitleidenschaft gezogenen Bäume wurden alle entfernt, das Holz entsorgt.

Wie haben Sie die Mitarbeiter vor Ort geschützt?

Wiegand: Es gibt bei solchen Projekten einen Schwarz-Weiß-Bereich, also die Trennung von dem unsauberen und sauberen Bereich. Auf verunreinigten Flächen wird mit Schutzausrüstung gearbeitet, das gilt sogar für die Baggerfahrer und die auch für die Gutachter vor Ort. In diesem Rahmen wurden immer wieder Proben genommen und geschaut, ob die Grube sauber ist.

Ist das Grundwasser betroffen?

Wiegand: Kerosin ist in jedem Fall ein wassergefährdender Stoff. Die Grenzwerte im Boden waren überschritten, somit bestand Sanierungsbedarf. Wir waren knapp an der Kante zum Grundwasser. Dort haben wir gering durchlässiges Gestein, aber er ist etwas durchlässig. Der jetzige Stand ist: Der gesamte verunreinigte Boden ist abgetragen. Bis jetzt gibt es keine Hinweise, dass Wasser Schaden genommen hat. Es gab keine Auffälligkeiten. Aber man kann es nicht ganz ausschließen. Das zeigen die weiteren Ergebnisse. Und dann wird in den nächsten Tagen festgelegt, ob eine Grundwasser-Messstelle eingerichtet wird, um das abschließend zu prüfen.

Wie geht es jetzt weiter?

Wiegand: Wir warten gespannt auf die Ergebnisse der Beweissicherungsproben, ob da alles raus ist. Bei einer Restbelastung muss nachgearbeitet werden, deshalb ist die Fläche jetzt noch abgesperrt. Aber wir gehen nicht davon aus.

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