Wie bringt man Einwanderer dazu, aufs Land zu ziehen? Und wollen wir das überhaupt? Sollen Asylbewerber zu uns aufs Land?

Von Sarah Bernhard
Elham Shbat (auf dem Bett) und ihre Kinder Abdlwahed und Ghadeer Alhasan (von links) könnten schon lange aus der Asylbewerberunterkunft in Warmensteinach ausgezogen sein. Doch sie finden keine Wohnung. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Die Bundesregierung plant, anerkannte Asylbewerber dazu zu zwingen, auf dem Land zu wohnen. Doch wie sinnvoll ist das? Wir haben mit Menschen gesprochen, die es wissen müssen. Und mit Menschen, die andere Ideen haben. Verrückte Ideen.

 
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Die große Not

Ingrid Gleißner-Klein ist Chefin des Ausländeramts. Und sie hat ein Problem: 110 der rund 780 vom Landkreis untergebrachten Asylbewerber, die meisten von ihnen Syrer, sind mittlerweile anerkannt. Damit endet die Zuständigkeit des Amts, die Migranten müssten sich eigentlich so schnell wie möglich eine eigene Wohnung suchen. „Aber die meisten können ja nicht einmal eine Annonce lesen“, sagt Gleißner-Klein. Und Mietverträge verstehen oder gar Gespräche mit den Vermietern führen schon gar nicht.

Die Flüchtlinge würden also obdachlos und fielen damit in die Zuständigkeit der Kommunen – die oft schon deutsche Obdachlose in Bruchbuden unterbringen müssen. Also bleibt die Sache doch wieder am Amt hängen. „Wir lassen die Leute nicht im Regen stehen“, sagt Gleißner-Klein.

So schnell wie möglich raus aus der Unterkunft müssen die anerkannten Flüchtlinge trotzdem. Weil die in der Regel 25 Euro pro Tag und Person kostet. Und damit deutlich teurer ist als eine Mietwohnung. Ab Mai will das Landratsamt deshalb in Kooperation mit der Caritas einen Wohnungsvermittler beschäftigen. Er soll in Zusammenarbeit mit den Gemeinden die fehlenden Wohnungen beschaffen.

Die große Leere

Leerstehende Wohnungen für Asylbewerber gäbe es in Bad Berneck zuhauf. „100 Leute dauerhaft dezentral hier unterzubringen, wäre kein Problem“, sagt Bürgermeister Jürgen Zinnert (SPD). Auch die Infrastruktur in Bad Berneck passe: „Wir haben Hort, Kinderkrippe, eine sichere Grund- und Mittelschule und auch die medizinische Versorgung und die Einkaufsmöglichkeiten sind nicht so schlecht.“

Doch auch Bad Berneck hat ein Problem. Ein Problem, das viele Kommunen im Landkreis haben: Die leerstehenden Wohnungen müssten erst einmal saniert werden. Und das ist teuer. Für eine Konsolidierungsgemeinde, die keinen Cent zu viel ausgeben darf, quasi unmöglich. Allerdings: Vor kurzem hat die Stadt 320.000 Euro Städtebaufördermittel bekommen, mit denen auch Wohnungen für Asylbewerber saniert werden könnten. Was mit dem Geld passiert, wird der Stadtrat frühestens Anfang Juni entscheiden.

Die große Verführung

Mit den städtischen Wohnungen ist es also eher schwierig. Mit den privaten aber auch, sagt Manfred Miosga, Leiter der Abteilung Stadt- und Regionalentwicklung an der Uni Bayreuth. Dabei werde der Leerstand von Privatwohnungen noch zunehmen,. „Weil in vielen Wohnungen ältere Menschen leben, bei denen die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie in den nächsten Jahren sterben.“

Auch deshalb sei es dringend nötig, Zuwanderer aus dem Ausland in die Region zu holen. Doch so, wie im Moment vorgegangen werde, könne das nicht klappen, sagt Miosga. Denn die Migranten hätten keinerlei Anreiz, in diese Wohnungen zu ziehen. „Sie versuchen an die Orte zu kommen, wo sie Landsleute treffen, wo also schon ein soziales Netzwerk besteht.“ Meist Großstädte.

Migranten in ländliche Regionen zu bringen, könne also nur mit einer Residenzpflicht klappen. Oder, wenn so viele Menschen an einem Ort untergebracht werden, dass eine ethnische Gemeinschaft entsteht. Die müsse dann aber auch gefördert werden, sagt Miosga. „Wir müssten es schaffen, zum Beispiel eine afghanische Community aufzubauen, die dann weitere Afghanen in die Region lockt.“ Dafür bräuchte es aber zumindest eine Moschee.

Das wiederum könne die Landbewohner überfordern. Denn, so Miosga: „Die Politik hat die Bevölkerung überhaupt nicht vorbereitet.“ Immer öfter laufe die Diskussion darauf hinaus, dass die Zahl der Neuankömmlinge zu groß sei und sie so schnell wie möglich wieder weg sollten. „Stellen Sie sich mal vor, in dieser Stimmungslage siedeln sie 80 Somalis in einer 800-Seelen-Gemeinde an.“ Deshalb werde die Politik vermutlich weiter versuchen, eine kleinere Zahl anerkannter Asylbewerber in einem Ort unterzubringen, vermutet Miosga. „Auch wenn das vieles tun wird, nur nicht demografische Probleme lösen.“

Die große Enttäuschung

Roland Schramm ist ein Mann mit Visionen. Auch sozialen. Er ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Baugenossenschaft Wohnen am Ochsenkopf. Und im Moment ziemlich enttäuscht. Gleich mehreren anerkannten Asylbewerber-Familien wollte er in Warmensteinach ein neues Zuhause bieten. Sie gemeinsam mit ehrenamtlichen Paten betreuen, sie in die lokale Vereinswelt und die Kirche einführen, „gesellschaftliche Strukturen schaffen, die das Leben in Warmensteinach für Migranten interessant machen“. Doch alle Familien sind abgesprungen. „Das ist ernüchternd, wir haben uns das anders vorgestellt“, sagt Schramm.

Zwei der Wohnungen im Haus in der Oberwarmensteinacher Straße 255, das 2017 fertig saniert sein soll, sind trotzdem weiterhin für Flüchtlinge reserviert. „Aber wir haben die Befürchtung, dass wir Investitionen tätigen und dann gehen sie doch.“ Deshalb plädiert auch Schramm für eine Residenzpflicht. „Wir müssen deutlich machen: Flüchtlinge, wir kümmern uns um euch. Aber wir müssen ihnen auch klarmachen, dass sie dafür dort wohnen müssen, wo wir es organisieren können.“

Das sagen lokale Politiker zur Idee, anerkannte Asylbewerber in die Region zu holen

Landrat Hermann Hübner (CSU) glaubt, dass die sozialen Beziehungen vieler Flüchtlinge im Landkreis schon so stark seien, dass sie „durchaus daran interessiert seien, zu bleiben“. Man müsse nun für jeden den besten Weg finden. Der öffentliche Nahverkehr im Landkreis sei zwar gut ausgebaut, „in der Fläche wird es aber sicher nicht überall möglich sein, Wohnungen für Flüchtlinge zu vermitteln“. Tourismusorte sind für ihn kein Ausschlussgrund, „zumal hier die Möglichkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden, eventuell höher sind als in abgelegenen Orten“.

Landtagsabgeordneter Peter Meyer (FW) hält die Residenzpflicht nur für sinnvoll, „wenn sie mit kontrollierbaren Sanktionen verbunden wäre“. Städte hätten für Einwanderer eben den Vorteil, dass sie dort Landsleute finden, es mehr Arbeit gebe und der öffentliche Nahverkehr besser ausgebaut sei. Auf der anderen Seite müssten Gemeinden selbst entscheiden dürfen, ob sie anerkannte Asylbewerber in ihren leerstehenden Gebäuden unterbringen. „Das trifft für Kommunen, die auf Tourismus setzen, im besonderen Maße zu.“

Landtagsabgeordnete Gudrun Brendel-Fischer (CSU) ist der Meinung, dass Integration „in überschaubaren Kommunen meist besser“ funktioniert und deshalb der Trend, dass Migranten in die Großstädte ziehen, verhindert werden müsse. Das Beispiel Eckersdorf habe gezeigt, „wie rasch sich nachhaltige Kontakte ergeben“. Es sei vor allem wichtig, dass anerkannte Flüchtlinge schnell eine Arbeit bekämen. „Die aktuellen Kurse an einigen Berufsschulen werden zeigen, inwieweit das klappt.“

Landtagsabgeordneter Christoph Rabenstein (SPD) glaubt ebenfalls, dass Integration „in kleineren Gemeinden einfacher sein kann – besonders für Familien“. Und zwar durch die vielen Vereine, die es auf dem Land noch gibt. Man dürfe Flüchtlinge aber nicht dazu zwingen, in den ländlichen Raum zu ziehen. Er setzt auf Anreize wie „deutlich günstigeren Wohnraum als in der Großstadt“ und „positive Beispiele für Integration“.

Landtagsabgeordnete Ulrike Gote (Grüne) fordert ebenfalls, Anreize zu schaffen, statt „mit Drohungen und Zwang“ zu arbeiten. Sie plädiert für „passgenaue Mobilitätskonzepte, gesellschaftliches Miteinander und Bildungsangebote“. Denn Migranten seien auch eine Chance für die Region: „Wir kämpfen seit Langem darum, unsere Schulstandorte zu erhalten – neue Familien mit Kindern werden zum Erhalt beitragen.“

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