SEK durchsucht Wohnung des Täters

Von und Andrea Pauly
 Foto: red

Es ist zu Ende, aber die Frage nach dem Warum steht ganz am Anfang. In der Wohnung von Ali David (18), der am Freitagabend in einem Münchner Einkaufszentrum neun Menschen getötet und 16 verletzt hatte, haben Ermittler mit der Spurensuche begonnen.

 
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Kurz nach 2 Uhr nachts stand endgültig fest, wer der Täter war, der eine Millionenstadt in Terror versetzt hatte. Der 18-jährige Deutsch-Iraner hatte sich in sein Auto gesetzt und war ins etwa fünf Kilometer entfernte Einkaufszentrum am Olympia-Park gefahren.  Dabei schoss er wild um sich, traf mehrere Menschen. Ein Beamter der Zivilpolizei, der vor Ort war, schoss zwar auf den Amokläufer, der aber rannte weiter in das Einkaufszentrum. Dort schoss er weiter um sich, allerdings gelang ihm die Flucht. Doch gegen 20.30 Uhr fanden Beamte seinen leblosen Körper in einer Seitengasse wenige hundert Meter entfernt. Ali David hatte sich selbst erschossen.

"Einer der schwersten Tage in seiner dienstlichen Laufbahn", sagt der Polizeipräsident der Stadt München

„Wir können wieder nach vorne gucken“, sagte der Polizeisprecher der Stadt München, Marcus da Gloria Martin. Die Spurensuche könne beginnen. Und für Hubertus Andrä, den Polizeipräsidenten der Stadt München, ging „einer der schwersten Tage in seiner dienstlichen Laufbahn“ in 40 Jahren vorbei. Bis vor wenigen Stunden war er noch davon ausgegangen, dass mindestens zwei weitere Täter „mit Langwaffen“ auf der Flucht seien. Er ließ die S-Bahnen stoppen, die Busse, die Bahnen, weil der Polizei immer wieder Schießereien aus anderen Teilen der Stadt gemeldet worden waren. Die Münchner sollten zuhause bleiben, weil Terroristen noch in der Stadt sein könnten. Die Autobahnen mussten frei sein, damit die polizeilichen Helfer – 2300 waren es insgesamt – aus den benachbarten Bundesländern sowie Österreich so schnell wie möglich in den Norden der Stadt München kommen konnten, wo die Polizei den Ausgangspunkt des Terrors vermutet hatte. „Von Zeugenaussagen mussten wir von bis zu drei Tätern ausgehen.“ Aber zwei Personen, die in einem Auto vom Tatort davon gerast waren, hatten mit den Schüssen nichts zu tun, sagte Andrä.

Angeblich hat ein Nachbar den 18-Jährigen an seinen Tattoos erkannt

Noch während er dies vor der Presse verkündete, hat nach unbestätigten Angaben der Bild-Zeitung ein Sondereinsatz-Kommando die Wohnung des Amokläufers gestürmt, wo er mit seinem Vater gelebt hatte. Angeblich habe ein Nachbar ihn an seinen Tattoos erkannt. Noch bis zum Samstagnachmittag soll die Spurensuche in der Wohnung in der Münchner Maxvorstadt dauern, sagte ein Ermittler.

Hinweise darauf, dass weitere Personen an der Tat beteiligt waren, liegen aber laut Polizeipräsident nicht vor. Woher Ali David die Pistole hatte, ob er sie zu Recht hatte, ob er den Amoklauf geplant hatte, all diese Fragen können noch nicht beantwortet werden. Das könne, so der Polizeisprecher, bis Mitte nächster Woche dauern. Von dem Amokläufer gab es mindestens ein Video, das in auf einem Dach zeigte. Er stand oben und schrie „ich bin Deutscher“. Ein anderes zeigt ihn, wie er das McDonalds-Restaurant verließ und plötzlich 17 Schüsse auf Passanten abgab. Im Einkaufszentrum soll er weiter geschossen haben. Am Morgen danach transportierten die Ermittler zwei Wagen vom Tatort ab, von denen einer voller Einschusslöcher war. S. muss sehr viele Schüsse abgegeben haben, wie viele, steht noch nicht fest. Auch nicht, ob er mehrere Magazine verschoss oder ein Spezialmagazin besaß. Darauf aber, so ein Experte zum Kurier, deute die Größe der Waffe nicht hin.

Motiv und Hintergrund der Taten sind unklar

Ali David hat neun Menschen erschossen, 16 verletzt, darunter auch ein Kind, und drei weitere schweben noch in Lebensgefahr. Sein Motiv und der Hintergrund der Taten sind unklar. Am Morgen danach war bei den Einsatzkräften am Tatort so etwas wie Erleichterung zu spüren, die Stimmung war gelöster. Das lag zum einen daran, dass der Täter feststand, zum anderen, dass es keine Hinweise auf einen extremistischen Hintergrund gibt.

Ali S. war nach Angaben der Polizei ein Deutsch-Iraner, der schon lange, „mehr als zwei Jahre“, in München lebte. „Es ist auszuschließen, dass der Mann ein Flüchtling war.“ Die Ermittler sehen auch keine Parallelen zum Attentat von Würzburg Mitte dieser Woche, wo ein junger Mann völlig unvermittelt im Zug auf eine Touristenfamilie mit Axt und Messer losgegangen war, wobei er „Allahu akbar“, Gott ist groß, schrie.

Tatort bleibt noch bis in die Mittagsstunden gesperrt

Der Tatort bleibt noch bis in die Mittagsstunden gesperrt, die Geschäfte geschlossen. Selbst Bewohner der angrenzenden Häuser durften nicht in ihre Wohnungen zurückkehren. Viele Pendler mussten die Nächte in extra bereit gestellten Schlafzügen in Gemeinden um München verbringen. Erst in den Morgenstunden war das Leben auf die Straßen der Stadt zurückgekehrt. Viele hatten sich in Häusern, Gaststätten und Privatwohnungen Fremder versteckt, sogar Moscheen hatten geöffnet für die völlig verängstigten Passanten.

"Da haben wir sofort die Rollläden geschlossen", berichtet der Filialleiter eines Geschäfts

Der Filialleiter eines Geschäfts im OEZ, der seinen Namen aber nicht nennen möchte, ist am nächsten Morgen noch beeindruckt von den Geschehnissen des vergangenen Abends. "Wir haben mitbekommen, dass jemand vor dem Geschäft geschossen hat, da haben wir sofort die Rollläden geschlossen." Ihm sei sofort klar gewesen, dass das eine ernste Situation gewesen sei. "Der Täter ist aufs Parkdeck geflüchtet und hat rumgeschrien, irgendwas von 'sieben Jahre Mobbing' und 'aus der Schule geflogen'. Und er hat geschrien: 'Ich hasse Türken.'"

Ein Todesopfer lag direkt neben dem Notausgang

Rund 40 Kunden seien zu dieser Zeit im Markt gewesen, sagte der Filialleiter dem Kurier. "Es war relativ ruhig, manche haben geweint, aber das ist ja normal. Panik gab es nicht." Rund eine Stunde habe es gedauert, bis die Polizei die Mitarbeiter und Kunden aus dem Geschäft geholt habe - dabei hätten alle an einem der Todesopfer vorbei gehen müssen, weil dieses direkt neben dem Notausgang gelegen habe.

Vater des Attentäters war alleinerziehend

Die Wohnung, in der der Amokläufer gelebt hatte, ist eigentlich eine Luxus-Wohnung, wie sie sich an der Adresse aneinander reihen. Allerdings ist der Teil der Gebäude, in dem Vater und Sohn wohnten, für Sozialwohnungen gedacht. In der Tiefgarage des Hauses steht das Taxi, mit dem der Vater seinen Lebensunterhalt verdiente. Eine schwarze BMW-Luxus-Limousine, hellbraune Ledersitze. Ursprünglich war sie in Taxi-Farbe lackiert, bevor sie schwarz überklebt wurde. "Der Mann fährt kaum damit", sagt ein Mitbenutzer der Tiefgarage. Er sei ein Eigenbrötler.

Nach Recherchen des Kuriers war der Vater des Attentäters alleinerziehend. Keiner der Nachbarn hatte Vater und Sohn je zusammen mit einer Frau gesehen.

Im Laufe des Morgens will das Polizeipräsidium München in einer Pressekonferenz weitere Details bekannt geben.

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