Janina-Prozess: Zwölf Jahre für Mord

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Archivfoto: Nicolas Armer/dpa Foto: red

Roland E. (54), der in der Silvesternacht die elfjährige Janina in Unterschleichach getötet hat, muss zwölf Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Das Landgericht Bamberg sah es als erwiesen an, dass er aus Wut und Frust über seine Lebenssituation zum Revolver gegriffen hat und heimtückisch auf die Menschen geschossen hat, die neben seinem Haus das neue Jahr feierten.

 
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Nach dem Prozess brach Janinas Mutter zusammen, Freunde führten sie zu einer Bank. Vorher hatte sie Journalisten gesagt, dass sie „eine kleine Erleichterung“ fühle. „Aber egal wie viele Jahre, ich habe lebenslänglich.“ Die Eltern akzeptierten das Urteil beide. Schon wegen des „Rechtsfriedens“, sagte ihre Anwälte.

Seine als „scheiße empfundene Lebenssituation“, so der Vorsitzende Richter Manfred Schmitt in der Urteilsbegründung, habe E. zu der Tat getrieben. Schwer krank, allein und depressiv habe E. keine Aussicht auf Besserung gesehen und er habe sich auch geärgert, weil die Leute vor seinem – und nicht vor ihrem eigenen Haus geknallt haben. Mit seinem Urteil folgte das Gericht weitgehend dem Antrag des Staatsanwaltes: Er allerdings hatte lebenslänglich gefordert.

Prozess dauerte nur fünf Tage

Nur fünf Tage lang dauerte der Prozess vor dem Landgericht Bamberg. Fünf Tage, in denen E. teilweise wie abwesend wirkte. Nur einen einzigen Satz brachte er in Richtung der trauernden Eltern über seine Lippen: „Ich bitte die Eltern um Verzeihung.“ Meist schwieg er, die wenigen Antworten, auf die er sich einließ, kamen stockend.

Zwölf Jahre, sechs Monate. E. nahm das Urteil ruhig auf. Janinas Mutter schaute immer wieder während der Urteilsbegründung auf den Mann, der ihre Tochter getötet hatte. Als er im Januar gefasst worden war, sagte sie, sie wolle diesem Menschen in die Augen schauen. Und wissen, warum er ihr Janina genommen hat.

Vergeblich auf Erklärung gewartet

Aber sie hatte vergeblich auf eine Erklärung gehofft, was ihn in der Silvesternacht dazu getrieben hatte, seinen perfiden Plan auszuführen. Die sechs Personen, die auf der Wiese neben seinem gepflegten Haus in Unterschleichach Silvester feierten, störten ihn einfach. „Man war verärgert.“ Sie hatten E. aufgeweckt, der alleine und frustriert auf der Couch lag und sich eine Musiksendung ansah. Sein damals 14-jähriger Sohn feierte lieber woanders, eigentlich wäre es das Vater-Sohn-Wochenende gewesen, denn von seiner Familie lebte E. schon fünf Jahre getrennt.

E. selbst hatte im Wesentlichen die Tat gestanden. Als Janina mit ihren Freunden und Erwachsenen feierte, stand er auf, ging in den Keller, packte einen Revolver aus, lud ihn, stieg nach oben, zog sich an und ging nach draußen. Dort stellte er sich so hin, dass ihn keiner sehen konnte. Und drückte ab. Er wollte, dass die Feiernden mit dem Krach aufhören. Schon nach seiner Verhaftung im Januar hatte E. immer betont, er habe keinen Menschen treffen wollen, er habe in die Luft geschossen.

Kugel wurde nicht abgelenkt

Ein Gutachten allerdings brachte an den Tag, dass die Kugel Janina direkt getroffen hat – und sie nicht abgelenkt worden war. Daraus schloss das Gericht, dass E. direkt auf die Feiernden geschossen hat. „Wenn er Richtung Wald geschossen hätte, hätte er Janina nicht treffen können“, sagte Richter Schmitt. Nicht klären konnte die Verhandlung, von welchem Punkt in seinem Garten E. geschossen hat. Bei einem abendlichen Ortstermin des Gerichts am Tatort verweigerte E. die Auskunft. Er sagte nicht, wo genau er gestanden hatte.

Etwa 27 Meter entfernt stürzte Janina, die wenige Stunden später an den Folgen des Kopfschusses starb. E. sagte immer wieder, er habe „aus Blödheit“ gehandelt, und aus Ärger und Wut. Auch darüber, dass die anderen fröhlich feierten, er dagegen alleine sein musste. Seine Partnerin hatte sich vor Jahren von ihm getrennt. „Logisch nachvollziehbar“ nannte Richter Schmitt nur die Motive Wut und Ärger. Aus Blödheit auf eine Gruppe von Menschen zu schießen, wie E. selbst stets betonte, sei nicht nachvollziehbar, heißt es in der Urteilsbegründung.

Danach legte er sich vor den Fernseher

Janina war das Opfer eines grausamen Zufalls. E. kannte weder sie noch ihre Mutter, auch mit der mit ihr befreundeten Nachbarsfamilie hatte der fast isoliert im Ort lebende Lkw-Fahrer kaum Kontakt. Die Feiernden hörten nur ein seltsam zischendes Geräusch – und das letzte Aufstöhnen Janinas. E. ging nach seinen fünf Schüssen wieder ins Haus, in den Keller, reinigte die Waffe, ölte sie, packte sie weg, ging nach oben, legte sich vors Fernsehen auf die Couch und schlief weiter.

Draußen hatte eine Erwachsene den Notruf gewählt: „Können Sie bitte kommen, am Käppela ist ein Kind umgefallen, blutet, Unterschleichach, Unterschleichach, Am Käppela, die neue Siedlung oben. Nummer 3, ein Kind, es röchelt, ist umgefallen, blutet aus der Nase, ganz schlimm.“ Fast zehn Minuten spricht der Mann am Notruftelefon mit der Frau, die anrief. Bis der Krankenwagen kam. Dort spricht der Notfallseelsorger noch ein Gebet. Janina ist nicht mehr aufgewacht. Sie hat nie mehr das Bewusstsein erlangt.

Depression wirkte sich mildernd aus

Dass E. nicht, wie erwartet, lebenslänglich bekommen hat, ist seiner Depression und der Häufung von ihn bedrückenden Umständen geschuldet, die sich mildernd auf das Urteil auswirkte. Für eine mildernde Strafe sprach auch die Lebenssituation, er war auch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, nicht vorbestraft. Und er hatte gestanden.

Trotzdem bleibt es Mord. Er musste wissen, dass ein Mensch ums Leben kommen kann, wenn er mit dem Revolver in Richtung einer feiernden Menge schießt. Das habe er in Kauf genommen, so das Gericht.  „Die Tat war ein reiner Willkürakt“, so der Vorsitzende Richter. Es sei aber auch kein eiskalter Mensch, nur jemand, der einen „schweren Fehler“ gemacht habe. Und in Richtung der Eltern sagte er: „Wir gehen aber  auch nicht davon aus, dass er keine Reue hat.“

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