Interview: Landrat Söllner 20 Jahre im Amt

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Nur drei Landräte in Bayern sind länger im Amt als Klaus Peter Söllner (Freie Wähler). Der Kulmbacher Landrat fuhr bei seiner Wiederwahl zur vierten Amtszeit ein phänomenales Wahlergebnis von 96,4 Prozent ein. Das höchste Wahlergebnis bayernweit bei der Landratswahl am 16. März 2016, Gegenkandidaten waren gar nicht erst angetreten. Im Mai übt der 59-jährige Jurist das Amt seit 20 Jahren aus.

 
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Sie sind einer der dienst ältesten Landräte in Bayern.  Hätten Sie das 1996 für möglich gehalten?

Klaus Peter Söllner: Ich bin damals sehr überraschend ins Amt gekommen und hätte nicht damit gerechnet. Am Dreikönigstag wusste ich noch nicht, dass ich eine Woche später kandidieren würde. 1996 war das nicht ganz einfach für mich, weil ich gegen den Nachbarbürgermeister Erhard Hildner von der CSU antreten musste, der ein guter Freund von mir ist. Was in zwanzig Jahren sein würde, daran habe ich damals noch nicht gedacht. Ich war noch sehr jung und habe versucht, die anstehenden Aufgaben  zu meistern. Dass das mal zwanzig Jahre gehen würde und ich in Oberfranken der am längsten amtierende Landrat sein würde, habe ich da natürlich nicht erwartet.

Wie schaffen Sie es mit der hohen Belastung umzugehen?

Söllner: Ich bin wirklich mit einer guten Gesundheit gesegnet. Mein letzter Krankheitstag war der 15. August 1996. In den zwanzig Jahren war ich also nicht ein einziges weiteres Mal krank. Vielleicht ist meine Konstitution deshalb so gut, weil ich früher viel Sport getrieben habe. Ich bin schon hart im Nehmen und kann mich schnell regenerieren, das sind sicherlich Vorteile. Aber ich habe bisher Glück und Gottes Segen gehabt.

Könnten Sie sich also eine fünfte Amtszeit vorstellen?

Söllner: Das ist eine Frage, die mir in diesen Tagen häufig gestellt wird. Jetzt ist nicht einmal noch die vierte Amtszeit zur Hälfte um. Was im Jahr 2020 sein wird, zum Zeitpunkt der Wahl bin ich 63, steht für mich noch in den Sternen. Natürlich gibt es viele Kollegen, die in diesem Alter noch einmal antreten. Aber ich bin mir da noch nicht sicher, das wäre jetzt einfach zu früh, sich da festzulegen. Im Grundsatz bin ich dafür, dass auch junge Leute nachwachsen sollten, das ist meine feste Überzeugung und von daher werde ich es mir ganz genau überlegen. Und wer glaubt er sei unersetzbar, der macht was verkehrt.

Sie sind auf Harmonie bedacht, oder? Im Kreistag wird ja relativ wenig gestritten.

Söllner: Das stimmt, es wird viel diskutiert, aber wir kommen häufig zu gemeinsamen Lösungen. Auch bei den Haushaltsverabschiedungen läuft das sehr professionell. Beim VGN-Beitritt haben wir nichts falsch gemacht. Unsere Grundhaltung ist, dass wir den Beitritt anstreben, wenn die Bedingungen in Ordnung sind. Wir sind dabei den Nahverkehrsplan neu aufzustellen und der VGN ist da ein ganz wichtiges Thema. Es hätte sicherlich Vorteile für den Landkreis, aber wir brauchen die Stadt Kulmbach dazu und die Verkehrsunternehmen. Gegen die Stadt und die Verkehrsunternehmer ist es nicht möglich und das kommt in der Diskussion bisher zu kurz.

Der Schuldenstand des Landkreises liegt bei 23,9 Millionen Euro. Wie viel Gestaltungsspielraum haben Sie da noch?

Söllner: An absoluten Zahlen gemessen, haben wir den zweitniedrigsten Schuldenstand aller Landkreise in Oberfranken. Nur der Landkreis Kronach hat einen geringeren Schuldenstand, alle anderen liegen deutlich darüber. Ein wichtiger Maßstab ist die Pro-Kopf-Verschuldung und hier befinden wir uns im Mittelfeld. In den letzten Jahren haben wir erheblich Schulden abgebaut. Wir müssen natürlich auf Haushaltskonsolidierung achten und nur so bekommen wir die Stabilisierungshilfen des Freistaats, weil wir ein strukturell benachteiligtes Gebiet sind.  Aber die Verschuldung ist nicht so besorgniserregend, dass sie uns handlungsunfähig machen würde.

Wie sehr drücken die Kommunen im Landkreis die Schulden?

Söllner: Bei den Kommunen haben sich Verbesserungen eingestellt. Kasendorf, Neuenmarkt und Mainleus stehen sehr gut da, dann haben wir ein breites Mittelfeld und einige wenige wie Thurnau im Süden, Grafenhaig, Kupferberg und Presseck im nördlichen Landkreis haben es schwerer. Grafengehaig war in einer sehr prekären Situation und hat sich inzwischen stark verbessert. Nicht alle haben deshalb, nur weil sie Stabilisierungshilfe bekommen, schlecht gewirtschaftet. Das sind Kommunen, die durch ihre Struktur, ihre Fläche und viele Einzelgehöfte auch von Haus aus große Belastungen haben. Auf der Intensivstation haben wir im Moment nur noch Grafengehaig, alle anderen werden voraussichtlich einen genehmigungsfähigen Haushalt hinbekommen.

Der Landkreis investiert viel Geld in den Umbau der Schulen. Ist das durch die Schülerzahlen gerechtfertigt?

Söllner: Beim Beruflichen Schulzentrum haben wir durch neue Berufsbilder an Attraktivität gewonnen, so dass sich die Schülerzahlen sehr gut entwickeln. Bei der Realschule haben wir eine leichte Abwärtsentwicklung, die Zahlen sind aber immer noch okay wie auch bei den Gymnasien und Fachschulen. Der Schulstandort Kulmbach ist spürbar gestärkt worden und sehr gut aufgestellt.

Der Zuzug von Flüchtlingen stellt die Landkreise vor große Herausforderungen. Wie beurteilen Sie im Moment Situation im Landkreis?

Söllner: Ich kann sagen, dass wir das bisher sehr gut im Griff haben. Besonders durch den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer, so haben gut 150 Leute vom BRK die Versorgung der Menschen in der Notunterkunft übernommen. Mittlerweile wird sie nicht mehr gebraucht und wir werden sie wahrscheinlich in den nächsten Wochen auflösen. Das soll ja das Headquarter des BRK-Kreisverbands werden. Wenn wieder eine schwierige Situation eintreten sollte, fallen uns sicherlich andere Lösungen ein. Wir bekommen aber nach wie vor Zuweisungen von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Die Zahl derer, die dezentral untergebracht sind, ist daher relativ stabil geblieben und liegt zwischen rund 670 und 700.  Ich habe immer versucht, gemeinsam mit den Bürgermeistern Lösungen zu finden und muss sagen, dass sich das bewährt hat.

Der Landkreis ist am Zweckverband Klinikum beteiligt. Das Krankenhaus wird ständig ausgebaut und erweitert.

Söllner: Wir wollen die Qualität steigern und auf eine neue Ebene heben. 2015 hatten wir eine Auslastung von 95 Prozent. Das führt dazu, dass wir zum Teil Vier-Bett-Zimmer belegen müssen. Das wollen wir aber in Zukunft nicht mehr. Wir wollen den Standard Zwei-Bett-Zimmer und deshalb ist es richtig, den großen Wurf zu machen. Ich habe die große Hoffnung, dass wir für den neunten Bauabschnitt im Bedarfsplan des Freistaats Bayern gelistet sind und dann werden wir zügig mit den Bauarbeiten beginnen.  Das wird ein Projekt sein, das mehrere Jahre in Anspruch nimmt und da wird eine dreistellige Millionensumme investiert werden. Die Expansion ist wirklich enorm: Wir haben vor zehn Jahren 800 Mitarbeiter gehabt und jetzt sind es 1500.

Die Stadt Kulmbach will einen Medizincampus, um am Klinikum Medizinstudenten auszubilden. Gibt es Fortschritte bei der Suche nach einer europäischen Partneruni?

Söllner: Die Federführung hat tatsächlich die Stadt Kulmbach gemeinsam mit der Universität Bayreuth. Für den Medizincampus soll nach Möglichkeit der Kopfbau der alten Spinnerei genutzt werden. Es sind bereits konkrete Gespräche im Gange, aber es ist nicht einfach. Warum versuchen wir es trotzdem? Der Landkreis und auch die Stadt Kulmbach verlieren an Einwohnern. Unsere Strategie ist es deshalb, junge Leute nach Kulmbach zu holen. Hochschulstädte tun sich da viel leichter. Denn die allergrößte Herausforderung für den Landkreis ist die demografische Entwicklung. Wir setzen daher auf die Verankerung der Universität Bayreuth in der Region. Denken Sie an das neue Geschichtsinstitut in Thurnau: Dort werden zehn bis zwölf hochwertige neue Stellen entstehen.

Das ist ein entscheidender Punkt: Nur wenn es genügend interessante Arbeitsplätze gibt, werden sich junge Leute für die Region entscheiden.

Söllner: Wir haben ja viele aufstrebende Firmen, viele hidden champions, Ireks, Raps, Glen Dimplex und innovative Firmen im Internet- und Kommunikationsbereich. Die Situation des Wirtschaftsstandorts Kulmbach ist gut, wir haben enorme Arbeitsplatzzuwächse und die niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit 35 Jahren. Besonders die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze ist gestiegen, Himmelkron hat in zehn Jahren 1000 Arbeitsplätze hinzugewonnen. Die Ansiedlungen waren nicht unumstritten, aber wenn ich jetzt sehe, was damit gewonnen wurde, ist das richtig gewesen. Auch Kasendorf und Mainleus haben nennenswert Stellen hinzugekommen. Wir sind ein Landkreis, der alles tut, um wirtschaftsfreundlich zu agieren. Der Kurs wird zum Glück auch von der Regierung von Oberfranken mitgetragen. Mein Credo ist: Ohne eine funktionierende Wirtschaft ist alles nichts.

Im Rückblick: Was war Ihr schönster Moment als Landrat?

Söllner: Ich habe einen wunderschönen Moment erlebt, nämlich den Spatenstich zur Ortsumgehung Untersteinach, ein Projekt, das seit 30 Jahren im Verfahren ist. Mit wie vielen Staatssekretären und Abgeordneten war ich schon draußen, habe Aktenordner voller Schreiben verfasst, also ein Tag der großen Freude. Doch selbst an dem hat man Kauerndorf im Blick und da sind wir noch nicht zufrieden. Ich will damit sagen, dass selbst an Freudentagen gibt’s immer wieder auch einen problematischen Aspekt – und das ist ständig so. Wer das nicht aushält, darf so ein Amt nicht annehmen. Wer das nicht kann, sich immer wieder mit neuen Problemstellungen konfrontieren zu lassen, der darf so ein Amt nicht ausführen. Ich bin sieben Tage in der Woche unterwegs und das muss man auch mögen.

Und was war Ihr größter Fehler?

Söllner: Eine Niederlage kann ich da schon nennen. Wir haben damals um den Erhalt des Stimmkreises gekämpft und mit einer merkwürdigen Begründung verloren. Über Parteigrenzen hinweg haben wir uns dafür eingesetzt und es nicht geschafft. Das war eine bittere Niederlage.

Einen Kommentar zu 20 Jahre Landrat Söllner lesen Sie hier.

 

 

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