FDP-Nachwuchs: "Privatisiert die Gewog"

Von Thorsten Gütling

Er ist jung, kommt aus Kempten und ist seit zwei Wochen der Vorsitzende der Jungen Liberalen, der Nachwuchsorganisation der FDP in Bayreuth. Und für seinen ersten Vorschlag erntet Matthias Sing gehörig Gegenwind. Denn: Der 22-Jährige will einen Teil der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Bayreuth, privatisieren. Der Gewog also.

 
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Seinen Vorschlag erklärt der Jurastudent so: „Wir wollen keine kommunalen Güter verschachern, aber die Stadt Bayreuth hat 115 Millionen Euro Schulden.“ Und die Zeiten, in denen auf Kredite kaum Zinsen gezahlt werden müssen, werden irgendwann wieder enden, fürchtet Sing. Alleine, wenn die Zinsen um ein Prozent steigen, käme die Stadt ihr Schuldenberg jedes Jahr mit 1,2 Millionen Euro teuer zu stehen. Geld, das laut Sing besser in die Sanierung von Schulen, den Bau von Spielplätzen oder den Ausbau der Digitalisierung investiert werden sollte.

Dresden als gutes Beispiel?

In einem Antrag, den der 22-Jährige dazu formuliert hat, nennt er die Stadt Dresden als ein gutes Beispiel. Dort hatte ein Investor vor nunmehr elf Jahren alle Wohnungen der Stadt gekauft und Dresden damit auf einen Streich schuldenfrei gemacht (siehe Infokasten). Die Stadt hatte zuvor eine Sozialcharta mit dem Investor vereinbart, die verhindern sollte, dass der soziale Wohnungsbau in der sächsischen Landeshauptstadt zum Erliegen kommt. Und Sing sagt: Damit und mit dem Verkauf von nur 49 Prozent der Gesellschaft, könne sich die Stadt Bayreuth absichern.

Wieviel Geld ungefähr die Hälfte der Gewog wert ist, kann derzeit niemand so recht sagen. Das Vermögen des Wohnungsbauers lag zuletzt bei 108 Millionen Euro, das Eigenkapital bei 52 Millionen Euro. Uwe Prokscha, Geschäftsführer der Gewog, sagt: Was die Gewog aber darüber hinaus wert sei, wisse man erst, wenn man den Wert aller rund 4000 Wohnungen ermittelt habe. Und auch diese Ermittlung koste zunächst einmal Geld.

"Investor klingt natürlich immer gut"

Christian Fleischmann ist der Vorsitzende der FDP im Kreis. Genauso wie Thomas Hacker, der Vorsitzende der FDP-Stadtratsfraktion, kann er den Vorschlag des Nachwuchses nachvollziehen. Als „nichts ungewöhnliches“ bezeichnet Fleischmann die Teilprivatisierung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft und Hacker sagt: „Es gehört ja zur liberalen Klaviatur, dass man schaut, welches Vermögen man hat und wie man es zur Schuldentilgung einbringen kann.“ Aber beide zweifeln daran, dass einem privaten Investor vorgeschrieben werden könne, was er langfristig mit den Immobilien zu tun und zu lassen habe. „Investor klingt natürlich immer gut, aber wenn die Sozialbindung schief geht, der soziale Wohnungsbau also zum Problem wird, dann ist es das nicht wert“, sagt Fleischmann. Und Hacker sagt: „Darin, preiswerten Wohnraum vor- und instand zu halten, ist die Gewog einfach sehr erfolgreich.“ Warum also ändern? Noch dazu, wo in Bayreuth ein „angespannter Wohnungsmarkt“ herrsche, weil von privater Hand unter anderem aufgrund „überzogener Dämmvorschriften“, zu wenig gebaut werde. „Im unteren Preissegment“, sagt Hacker, „regelt sich der Markt eben nicht von selbst“.

"Ich sehe keine Schlangen"

Das wiederum sieht Gewog-Geschäftsführer Uwe Prokscha etwas anders. Die Bevölkerungsentwicklung in der Stadt sei eher rückläufig und in der Vergangenheit seien genügend Wohnungen gebaut worden. Prokscha sagt: „Ich sehe nicht, dass die Leute irgendwo Schlange stehen.“ Und: „Wir haben in Bayreuth genügend günstigen Wohnraum.“

Antrag nachbessern!

Nach hitziger Diskussion bei der Kreismitgliederversammlung der FDP haben die Jungen Liberalen ihren Antrag zunächst einmal zurückgezogen. Erst wollen Sing und seine Mitstreiter weitere Informationen einholen, ihren Antrag nachbessern, dann die FDP und schließlich den Stadtrat überzeugen. Dass das nicht einfach wird, zeigen die ersten Reaktionen: Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe sagt: „Eine Privatisierung der Gewog, auch nur in Teilen, lehne ich kategorisch ab.“ Sozialer Wohnungsbau dürfe schließlich nicht zum Spekulationsobjekt und nicht allein unter Renditeaspekten betrachtet werden.

Kritik aus allen Fraktionen

In das gleiche Horn stößt der Fraktionsvorsitzende der Bayreuther Gemeinschaft, Stephan Müller: „Die Gewog muss vollständig in der Hand der Kommune bleiben“, fordert er. Nur so sei dauerhaft sichergestellt, dass der soziale Wohnungsbau auch wirklich sozial bleibe. Apropos sozial: Auch SPD-Fraktionschef Thomas Bauske macht klar: „Die SPD wird das nicht mittragen.“ Es gebe auch gar keinen Grund, die Schulden der Stadt zeitnah zu senken. Bayreuth stehe besser da als andere Städte vergleichbarer Größe. Außerdem zeige der Haushalt der Stadt, dass schon jetzt rund 60 Millionen Euro zur Schuldentilgung ausgegeben werden können, wenn das nur gewollt wäre. Ebenfalls „keine Notwendigkeit, das Tafelsilber der Stadt zu verkaufen“ sieht Altoberbürgermeister Michael Hohl (CSU). Die Stadt komme beim Schuldenabbau gut voran und müsse auf Engpässe auf dem Wohnungsmarkt immer wieder zeitnah reagieren. „Die Gewog hat gezeigt, dass sie das kann“, sagt Hohl. „Dafür brauchen wir als Stadt aber auch den Zugriff.“ Und Sabine Steininger, Fraktionschefin der Grünen im Stadtrat und Mitglied im Aufsichtsrat der Gewog, sagt: „Ich halte nichts von einer Privatisierung. Günstigen Wohnraum für sozial Schwache anzubieten, ist eine unserer dringendsten Aufgaben.“ Zur Schuldentilgung gebe es andere Möglichkeiten. Die Veräußerung des Verkehrslandeplatzes zum Beispiel.

Die Jungen Liberalen wollen diskutieren

Dass man ihn für seinen Vorschlag zerreißen würde, das habe er schon geahnt, sagt Matthias Sing. Er habe aber überhaupt erst einmal eine Debatte anstoßen wollen. Darüber, wie die Stadt entschuldet werden könnte. „Und die Teilprivatisierung der Gewog wäre nur ein Weg“, sagt Sing, der mittlerweile schon einen Schritt weiter ist: Nicht ein großer Investor, sondern die Bayreuther selbst könnten ihr Geld ja in die Gewog einbringen. Sing spricht von Anteilen zwischen 1000 und 5000 Euro, ideal für Kleinanleger, die sich eine Eigentumswohnung nicht leisten können, aber mehr wollten, als ihr Geld nur auf das Sparbuch einzuzahlen.

Das wollen die Jungen Liberalen jetzt diskutieren. Dazu sollen interessierte Bürger genauso wie Experten und Vertreter der Gewog eingeladen werden. Ein Termin steht noch nicht fest.

Info: Das Beispiel Dresden

Die sächsische Landeshauptstadt hat 2006 als erste deutsche Kommune all ihre Wohnungen verkauft. Damit konnte die Stadt auf einen Schlag ihre Schulden in Höhe von 740 Millionen Euro tilgen. Eine amerikanische Investorengruppe hatte für die rund 48.000 Wohnungen 1,7 Milliarden Euro geboten. Die Sozialchart verpflichtete den Investor unter anderem dazu 41.000 Wohnungen in ihrer aktuellen Form zu erhalten. Für 8000 Wohnungen erhielt die Stadt ein jahrzehntelanges Belegungsrecht. Mieter über 60 Jahre und Behinderte sollten zudem lebenslanges Wohnrecht erhalten. Die 492 Mitarbeiter der Wohnungsbaugesellschaft genossen fünf Jahre lang Kündigungsschutz.

Sechs Jahre später kam es dennoch zum Streit. Unter anderem weil der Investor eine Regel nicht eingehalten habe, wonach bisherige Mieter bei einem Weiterverkauf der Wohnungen mit einem Preisvorteil von 15 Prozent bedacht werden mussten. Der Investor sprach von einem Missverständnis und erklärte sich bereit, 36 Millionen Euro Vertragsstrafe zu zahlen um einem Gerichtsprozess zu entgehen.

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