Ernte schlecht wie seit fünf Jahren nicht

Ein Mähdrescher fährt über ein Weizenfeld bei Riedstadt (Hessen). Foto: Christoph Schmidt/dpa Foto: red

Die Ernte der deutschen Bauern ist regelrecht ins Wasser gefallen. Da bringt es viele Betriebe ins Schwimmen, dass auch noch die global bestimmten Preise gesunken sind. Die Agrarkrise weitet sich aus.

 
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Ungewisses Wetter ist für die Landwirte Alltag. Doch diesmal helfen auch alte Bauernregeln nicht weiter. «Normalerweise gilt das Sprichwort: Ist der Mai kühl und nass, füllt er des Bauern Fass», meint Bauernpräsident Joachim Rukwied. «Nur: Es hat so viel geregnet, dass das Fass übergelaufen ist.» Die diesjährige Ernte war denn auch so mies wie seit fünf Jahren nicht mehr.

Für die ohnehin mit gesunkenen Weltmarktpreisen kämpfende Branche ist es der nächste Tiefschlag. Auch in der Milchkrise ist noch keine Trendwende in Sicht.

Rukwied fühlt sich schon fast an historische Missernten wie 1848/49 erinnert, als er in Berlin Bilanz für 2016 zieht - vorläufig, denn wegen anhaltender Schauer konnten die Mähdrescher bis jetzt nicht auf alle Felder. «Das war eine reine Nervenprobe», berichtet der oberste Landwirt von den Erfahrungen vieler Kollegen. «Ein, zwei Tage Drusch, dann kam das nächste Tiefdruckgebiet. Dann mussten wir wieder drei, vier Tage aussetzen.» Dabei habe es bis zum Frühjahr gut ausgesehen.

Seit Mitte Mai fiel dann aber in weiten Teilen Westdeutschlands viel zu viel Regen, das Wasser staute sich geradezu im Boden. Und weil in den entscheidenden Wochen Sonne fehlte, bildeten sich die Getreidekörner nicht wie erhofft heraus. «Dass wir überhaupt was ernten können in diesem Jahr, haben wir dem Pflanzenschutz zu verdanken», erklärt der Bauernpräsident. Das gelte für konventionell wirtschaftende Betriebe wie für Ökobauern. Wo nicht mehr gegen Schädlinge und Pilz-Krankheiten vorgegangen werden konnte, seien Erträge komplett verloren gegangen.

Für viele Bauern ist nun vor allem Schadensbegrenzung angesagt. Aus Sorge vor weiteren Einbußen holen manche schon Korn von den Feldern, das eigentlich noch zu nass ist. Fürs Einlagern müssen sie es dann per Gebläse trocknen, was natürlich extra kostet.

Zu schaffen macht allen Betrieben, dass die Preise in unwirtschaftliche Tiefen gesackt sind. Bei Weizen sind derzeit 140 bis 155 Euro je Tonne drin, wie es beim Bauernverband heißt. Generell lägen die Preise pro Tonne Getreide aktuell 10 bis 15 Euro unter dem Vorjahresniveau.

Die Bauern bekommen so erneut die Schattenseiten der internationalen Handelsbeziehungen zu spüren, die ihnen doch auch zusätzliche Märkte eröffnen sollen. Maßgeblich sind längst globale Preise. Da stützt es kaum, wenn wie jetzt in Deutschland und auch in Frankreich Ernten geringer ausfallen. Denn bei Großproduzenten wie Russland, den USA und der Ukraine zeichnen sich Spitzenernten ab, wie es auch beim Raiffeisenverband heißt. Und ein hohes Angebot drückt eben den Preis.

Dabei hoffen manche Bauern noch auf etwas Spielraum. Teils haben sie vor der Ernte Verträge mit Festpreisen ausgehandelt und könnten nun mit einem blauen Auge davonkommen. Andere behalten das Getreide erst noch auf Lager, um es später zu verkaufen. Viel bessere Preise sieht der Bauernverband jedoch bis zum Jahresende nicht. Lukrativ könnten noch mögliche Zuschläge sein, die besonders gute Qualität honorieren.

«Vielen Ackerbauern geht das Geld jetzt auch aus. Sie reihen sich bei den Milchbauern und bei den Schweinehaltern ein», warnt Rukwied. Auch bei ihnen kommen die Preise nicht aus dem Keller, obwohl die Branche bei der Milch immerhin allererste positive Zeichen registriert. Der Bauernverband drängt die Politik denn auch vehement zur Eile bei Finanzhilfen als Krisen-Überbrückung: «Es hilft den Milchbauern nichts, wenn sie im Herbst 2017 eine Unterstützung bekommen.»

dpa

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