Der Stinkbomben-Mann packt aus

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Foto: Ronald Wittek Foto: red

Dass er im Februar eine Stinkbombe ins Bayreuther Rathaus warf, weil er sich über seinen roten Reisepass ärgerte, klingt verrückt. Oliver N. (48) hat noch viel mehr Verrücktes zu erzählen. Wenn es nur nicht so traurig wäre.

 
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Bis vergangenen August führte er ein normales Leben. Beruf, Auto, Wohnung, Beziehung. Ende August kam ein Bescheid, dass er nicht der Vater seines Kindes sei. Er ließ seinen Job im Außendienst sausen, fuhr nach Amsterdam und flog nach Brasilien, wo er eine, nun ja, sehr seltsame Erweckung hatte.

Auf dem Oktoberfest dort traf er Deutsche, die den Reichsadler auf dem Gürtel trugen und ihn mit erhobenem rechten Arm begrüßten. „Daraus entstand eine 30-minütge Diskussion: Ich hab das in der Schule anders gelernt.“ Dann googelte er, stieß auf Videos und sein Leben war nicht mehr wie bisher. „Da bin ich draufgekommen, was die roten Reisepässe bedeuten.“ N. war fortan „Reichsbürger“, die denken, sie seien Sklaven der Bundesrepublik, längst schon enteignet. Die denken, das Dritte Reich existiere noch. Die denken, der rote Reisepass sei ein Beleg dafür. Und N. denkt, nichts wie weg damit.

In Brasilien meldete er ihn als gestohlen. Und er bekam vom Generalkonsulat einen grünen. Einen, der „eine Stufe höher ist“. Das ist nicht unwichtig für N., denn er nennt sich der „einzige Reichsbürger“, weil er einen Stammbaum bis 1848 nachweisen kann. „Mit Original-Dokumenten.“ Und „arisch“ sei er auch, blond und blauäugig. N. meint das Ernst. Dass es verrückt klingt, gibt er zu. Auch dass es verrückt klingt, dass er an Weihnachten nach Versailles gefahren ist, um dort den Vertrag von 1919 zu unterschreiben.

Als ihn die Polizei zwei Tage nach seinem Stinkbombenattentat aufs Bayreuther Rathaus in einer Kneipe in der Innenstadt aufgriff, war er gerade „durchgedreht“. Er hatte randaliert. Die Stinkbombe gab er zu, er landete sechs Wochen im Bezirkskrankenhaus, aus dem er kurz ausbricht. In Weiden wird er geschnappt.

Und jetzt? „Ich kümmere mich intensiv um den Weltfrieden“, sagt er dem Kurier. Eine Klage gegen die Reisepässe und was damit zusammenhängt, hat er beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. „Es wird sich ändern.“ Und wenn nicht? „Dann warte ich, bis auf Deutschland die erste Atombombe fällt.“ Für die Stinkbombe, die er ins Rathaus war, kann er strafrechtlich nicht belangt werden.

Das Rathaus will sich zu dem Fall nicht äußern.

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