Bier, Fleisch, Radon: Krebs

Von Andrea Pauly

Die Oberfranken bekommen häufiger Krebs und erkranken schwerer daran als Menschen in anderen Regionen, sagt Professor Michael Vieth. Dafür sieht der Chefpathologe am Klinikum verschiedene Gründe, darunter ungesunde Ernährung, zu viel Alkohol und die fehlende Bereitschaft zu Vorsorgeuntersuchungen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Michael Vieth ist Direktor des Instituts für Pathologie am Klinikum in Bayreuth. Er und sein Team  untersuchen jedes Jahr rund eine Million Gewebeproben auf Veränderungen wie Krebszellen oder Entzündungen. "Die Menschen hier in Bayreuth sterben wie überall auf der Welt in erster Linie an Problemen im Herz-Kreislauf-System, zum Beispiel durch Verengung der Blutgefäße, durch die es zum Herzinfarkt kommt. Die zweite Ursache ist ein Tumor jedweder Art."

 

 

Dabei hat er eine Besonderheit festgestellt: "Wir haben in Oberfranken die spezielle Situation, dass hier mehr Menschen an Tumoren erkranken, mehr Menschen an Tumoren sterben, die Überlebensraten geringer sind und die Tumorstadien auch schlimmer sind", sagt Vieth. Aus seiner Sicht gibt es dafür verschiedene Gründe:

Die sozioökonomische Struktur:

Leute mit höhrerem Einkommen und besserer Bildung ernähren sich häufig gesünder und nehmen das Angebot von Vorsorgeuntersuchungen regelmäßiger an. Das täten gerade die Oberfranken nicht häufig genug, sagt Vieth. Das sei so schlimm, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO darauf aufmerksam geworden sei. Eine Studie hat Oberfranken, Böhmen und das österreichische Burgenland verglichen, wo es genau dieselben Probleme und ähnliche Strukturen gibt. "Das sind nur indirekte Messmethoden, aber es spiegelt schon die Realität wider", sagt Vieth. In Österreich haben die Lokalpolitiker nach der Studie vehement dafür gekämpft, dass die Menschen in der Region Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen - heute sei sie landes-, vielleicht sogar europaweit beispielhaft dafür, wie Tumoren rechtzeitig zu erkennen oder sogar zu verhindern sind.

Die Lebensweise:

"Fettreiche Ernährung, Genussmittel und Alkohol spielen definitiv eine große Rolle bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen." Das gelte für alle drei Regionen. Aber nicht nur da, sagt Vieth: "Viel fettes Schweinefleisch, viel Bier dazu, um es runterzuspülen, und Rauchen: Wir wissen, dass das nicht nur zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt, sondern auch direkt zu Tumoren. Und ich kann manche Tumore schon regelrecht voraussehen, wer die wo in seinem Körper bekommen wird." Dafür untersuchen die Pathologen des Klinikums in einer Studie in Peking den Zusammenhang zwischen Alkoholsucht und Krebserkrankungen. Auch die Genetik spielt eine Rolle bei der Erkrankung.

Die Umwelt:

Krebserkrankungen können laut Vieth auch durch natürliche Radioaktivität verursacht werden. "Radon ist sicher ein Faktor für natürliche Radioaktivität im Fichtelgebirge. Wie weit das in Bayreuth Stadt und Landkreis durchschlägt, sei mal dahingestellt", schränkt er ein. Es sei ein Faktor von vielen, aber sicher nicht der Faktor schlechthin. "Da muss etwas sein, was in der Umwelt liegt." Was genau das ist, sei noch nie untersucht worden: "Wir wissen es nicht. Wir müssen uns aber jeden Tag damit befassen und versuchen, die Problemzonen in Oberfranken zu ermitteln." Dafür sei es hilfreich, wenn das Klinikum ein Teilcampus der Universität Erlangen würde - dort sei das Interesse an Ergebnissen solcher Untersuchungen groß.

Das sagt der Hausarzt

Der Bayreuther Hausarzt Sebastian Schmidt sieht zwar bei den Oberfranken keine prinzipielle Abneigung gegen Vorsorgeuntersuchungen. Allerdings gebe es schon bei manchen die Einstellung: "Was von allein gekommen ist, geht auch von allein wieder weg." Damit Patienten Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, müsse man sie auch darauf hinweisen - und ihnen die Möglichkeit geben. Wer monatelang auf einen Termin warten müsse, dürfe man sich nicht wundern, wenn diese Termine vergessen würden oder etwas anderes dazwischen komme. "Als Arzt ist man froh, wenn der Patient überhaupt was macht. Sogar Nachsorge-Patienten vergessen das manchmal, weil das Angebot nicht niederschwellig genug ist."

Das sagt der Gastronom

Für Stephan Ertl, stellvertretender Vorsitzender der Genussregion Oberfranken und Gastronom aus Kulmbach, macht die Menge das Gift: "Natürlich ist es nicht gesund, wenn man jeden Tag drei Liter Bier trinkt und jeden Tag Schweinefleisch isst", sagt er. "Da lässt sich schon ein Zusammenhang herstellen, dass viel Fleisch und viel Alkohol krank machen kann." Aber gerade die deftige fränkische Traditionsküche sei nicht für den täglichen Genuss gedacht, sondern stamme aus Zeiten, in denen es nur einmal pro Woche Fleisch gab. Und so würden echte Franken auch nur am Wochenende die traditionellen Gerichte essen, sagt Ertl: "Braten und Schäuferla gibt es nur da immer, wo die Touristen essen. Die wollen das jeden Tag."

Auch die DAK hatte bereits festgestellt, dass der Anteil an Krebserkrankungen in der Region überdurchschnittlich hoch ist. Hier geht es zum Artikel.

Bilder