Anschläge: Helfer bleiben ruhig

Von und Sarah Bernhard
Auf das Leben im ehemaligen Gasthof Puchtler haben die Anschläge in Ansbach und Würzburg keine Auswirkungen. Die Bewohner haben ganz andere Probleme. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Erst Würzburg, dann Ansbach: Gleich zweimal in kurzer Zeit verletzten in Bayern untergebrachte Asylbewerber unschuldige Menschen. Wir wollten wissen, ob die Anschläge den Umgang mit Asylbewerbern in der Region verändert haben. Die Antworten sind erstaunlich.

 
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Das Amt: Muss ein neues Konzept her?

Um über Anpassungen des Sicherheitskonzepts zu sprechen, sei es „zu früh“, sagt Anelia Sheljaskow, die für die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zuständig ist und stellvertretend auch fürs Ausländeramt im Bayreuther Landratsamt spricht. Denn erst müsse man herausfinden, wie die Tatvorbereitungen und die Radikalisierung der Täter unbemerkt bleiben konnte.

Dass verstärkt Unterkünfte überwacht werden, hält sie im Moment für fraglich. Schließlich seien Bahnfahrer und Konzertbesucher angegriffen worden, nicht  Asyl-Unterkünfte. „Sollten sich im Lauf der Ermittlungen neue Erkenntnisse ergeben, wird das Sicherheitskonzept natürlich überprüft.“

Im Moment würden die Unterkünfte mit Kameras geschützt, zudem fahre die Polizei immer wieder Streife. Mitarbeiter und Ehrenamtliche seien mit einer Broschüre darüber informiert worden, wie sie Radikalisierungstendenzen erkennen könnten.

Kathrin Limmer vom Amt für Öffentliche Sicherheit und Soziales am Landratsamt Kulmbach, beschreibt die aktuelle Situation.  In Kulmbach leben derzeit 65 unbegleitete Jugendliche, zirka 40 davon sind noch minderjährig. Sie leben in sozialen Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt und der Diakonie, in Außenwohngruppen und Wohngemeinschaften mit Betreuern - Syrer, Afghanen, Somalier und Eritreer. 

„Jede Flucht ist ein Trauma, doch das kommt nicht bei jedem gleich an.“ Die eingesetzten Sozialpädagogen würden die gemachten Erfahrungen ansprechen und aufarbeiten. „Vielleicht können wir damit etwas bewirken. Aber sicher sein kann man nicht“, meint Limmer. „Wir können nur hoffen, dass es offenbar wird, bevor etwas passiert, dass wir rechtzeitig beobachten, wenn sich einer verändert.“ Auch im westlichen Kulturkreis gebe es Amokläufer, so Limmer, und spricht von einer Gratwanderung. „Ich warne davor, die Pferde scheu zu machen und bei jedem gleich alles zu vermuten.“

Die Betreiber: Braucht es mehr Security?

Weidenberg: „Wir machen uns keine Sorgen“, sagt Karl Biesinger, dem das Alte Schloss gehört. „Und zwar nicht aus Nachlässigkeit, sondern weil wir Glück haben.“ Erstens sei die Flüchtlingsstruktur „homogen und familiär“. Und zweitens sprächen die beiden türkischstämmigen Wachleute  arabisch und könnten deshalb gut mit Konflikten umgehen. Das einzige, was Biesinger nun ändert: Er will im Außenbereich Kameras installieren. Ursprünglich nur zur Dokumentation, etwa des Lautstärkepegels. „Aber der Sicherheit ist das bestimmt nicht abträglich.“

Warmensteinach: Passieren könne immer etwas, sagt Bürgermeister Axel Herrmann. Die Gemeinde betreibt die Unterkunft im ehemaligen Gasthof Puchtler. Angst habe er trotzdem nicht, weder um die Sicherheit der Helfer noch um die der Warmensteinacher. „Unsere Asylbewerber werden gut betreut und integriert.“ Und auch Claus Herrmann, dem das ehemalige Gasthaus Linde gehört, bleibt ruhig. „Was wir tun können, haben wir getan. Aber man kann nicht wirklich vorbeugen. Wer so etwas tun will, der tut es auch.“

Kulmbach: Elisabeth Weith ist die Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt in Kulmbach.  „Wir haben natürlich verstärkt Gespräche mit unseren Jugendlichen geführt und sie sprechen auch untereinander über die Ereignisse“, schildert sie das Vorgehen im Fall der von der Awo betreuten Flüchtlinge. Zusammen mit dem Jugendamt sei zum Beispiel eine Regelung für das Bierfest entwickelt worden. Über was genau gesprochen wurde, will Weith nicht darlegen, um die jungen Flüchtlinge zu schützen. Es sei auch um das Thema Alkohol gegangen, aber nicht alle der Jugendlichen seien Muslime.

Viele kommen nur langsam in dem Land an, das sie aufgenommen habe, weiß Weith. „Natürlich können wir nichts ausschließen“, sagt Weith. „Ansbach kann leider immer passieren.“ Weith findet die Frage nach einer verbesserten Prävention heikel: „Eine mögliche Stigmatisierung meiner Jungs löst bei mir Angst aus, nicht meine Jungs selbst.“

Die Betreuer: Steigt die Angst?

Warmensteinach: „Die Stimmung bei den Flüchtlingen kippt“, sagt Angelika Steuer, die die Asylbewerber im ehemaligen Gasthof Puchtler in Warmensteinach betreut. Mit den Anschlägen habe das aber nichts zu tun. Sondern damit, dass immer mehr Flüchtlinge anerkannt werden, aber keine Wohnung finden. „Die privaten Sorgen überwiegen. In dieser Hinsicht sind wir echt auf dem Land.“

Ob sie merken würde, wenn sich einer der Bewohner radikalisiert? „Ich nicht, aber Ahmed schon“, sagt Steuer. Der Syrer übersetzt und hilft ihr im Alltag. „Ahmed“, ruft die 61-Jährige in den Hintergrund, „Ahmed, ist bei uns was im Gange?“ „Nein“, ruft Ahmed zurück. „Wenn er das sagt“, sagt Steuer, „ist alles okay“.

Pegnitz: Renate Steinhagen ist nicht der Typ für Angst. „Es kann immer was passieren, man kann sich auch beim Nasepopeln den Finger brechen“, sagt die Vorsitzende des Pegnitzer Unterstützerkreises. In Berlin, von wo sie komme, sogar viel öfter als hier.

Die übrigen Pegnitzer Helfer sähen das ähnlich: In einer Vorstandssitzung in der vergangenen Woche sei das Thema Anschläge nicht einmal angeschnitten worden. Ob sie eine Radikalisierung eines Bewohners bemerken würde, habe sie sich auch schon gefragt. „Aber ich glaube, dass sich jemand, der so etwas vorhat, viel zu gut verstellt.“

Weidenberg: Sagy Cohen ist gebürtiger Israeli, er betreut unter anderem die Weidenberger Flüchtlingsklasse. „Die Leute zeigen es nicht, aber innerlich ist etwas passiert“, sagt er. „Denn die Deutschen verstehen jetzt leider, wie es uns Israelis seit Jahren geht.“ Gegen die ständige Angst gibt es seiner Meinung nach nur ein Rezept: reden. „Wir sollten die moderaten Stimmen in den Vordergrund rücken. Es gibt genug Muslime hier, denen ihre Religion am Herzen liegt und die nicht radikal sind.“

Bad Berneck: „Mir ist nicht bekannt, dass jemand seine Tätigkeit eingeschränkt hätte“, sagt Doris Hofmann vom Bad Bernecker Helferkreis. Und auch insgesamt sei die Stimmung in Bad Berneck gut. Manchmal, wenn sie einen Flüchtling zum Einkaufen begleite, beobachte sie von Ferne die Reaktionen der anderen Kunden. „Mir ist nie etwas aufgefallen, auch nicht jetzt. Zum Glück.“

Dass sich jemand radikalisiere, könne man ihrer Meinung nach nur merken, wenn man ständig Smartphone und Computer kontrolliere. „Aber das macht doch niemand, da ist das Vertrauen doch gleich weg.“

Creußen: „Nach dem Anschlag in Ansbach hab ich gedacht:  Das ist es, warum die Flüchtlinge aus ihrer Heimat fliehen“, sagt Petra Höfer vom Creußener Helferkreis. „Weil ihre Familien und ihr Alltag ständig  durch genau solche Situationen bedroht sind.“ An ihrem Engagement ändere das nichts. „Ich wünsche mir, dass wir unbeirrt denen weiter helfen, die sich von uns Schutz erhoffen.“

Kulmbach:  Klaus Schröder, der die Flüchtlingshilfe des Jugendamts koordiniert, warnt ebenfalls vor einer undifferenzierten Diskussion. „Selbstverständlich machen wir uns Gedanken, was wir im Rahmen unseres Integrationsplans noch verbessern können und wie wir die Jugendlichen mehr unterstützen.“ Schröder versichert: „Wir nehmen die Vorfälle nicht auf die leichte Schulter. Eine hundertprozentigen Schutz gibt es aber nirgends.“

Sicherheitspersonal gibt übrigens bei den Einrichtungen nicht, wie die zuständige Regierung von Oberfranken mitteilt. Nur in Bayreuth und in der Erstaufnahmeeinrichtung in Bamberg wird von Beginn an ein Sicherheitsdienst beschäftigt. Die Gemeinschaftsunterkünfte werden von Hausverwaltern kontrolliert. Sie seien ausreichend sensibilisiert.

Asylbewerber in der Region ungleich verteilt

Die Belegung in den Unterkünften in der Region ist recht unterschiedlich. Die ehemalige Quelle in Bad Berneck ist, genauso wie die Pegnitzer Unterkunft am Kleinen Johannes, leicht überbelegt. Andere Unterkünfte, etwa die in Fichtelberg, in Sophiental oder in der Pegnitzer Bahnhofsstraße, haben deutlich weniger Bewohner als Kapazitäten. In den übrigen Häusern sind jeweils nur wenige Plätze frei. Insgesamt leben im Landkreis im Moment knapp 580 Asylbewerber.

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