Alligatoah: Kein Mann für Castingshows

Rapper, Alligatoah, Oberfrankenhalle am 22.01.2014. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Mit dem Album „Triebwerke“ schoss Lukas Strobel alias Alligatoah in den deutschen Charts auf eins. Der Nachfolger „Musik ist keine Lösung“ war kaum weniger erfolgreich. Am 23. Oktober kommt Alligatoah in die Oberfrankenhalle. Im Kurier-Interview erklärt der Musiker, warum er sich in seinen Werken gerne einer sehr derben Sprache bedient. Er ist überzeugt, dass Jugendliche die Ironie darin erkennen und einordnen können. So mancher, den Alligatoah mit seinen Songs angreift, sei dagegen zu blöd, seine Texte zu verstehen.

 
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Ich habe schon einige Konzerte erlebt, in der mir auf der Bühne jemand was von einer besseren Welt vorgesungen hat. Und alle haben Beifall geklatscht. Dann ist das Konzert vorbei, und die Revolution fällt mal wieder aus. Also ist Musik wirklich keine Lösung, oder?

Alligatoah: Zunächst einmal singe ich nicht von einer besseren Welt. Ich singe eigentlich von einer schlechteren Welt. Ich singe von der Welt, in der wir leben und nehme in erster Linie die Ausschnitte raus, die mir nicht gefallen. Ich besinge Terrorismus, Fremdenhass und Unterdrückung. Das sind meine Themen. Musik ist keine Lösung, das ist nicht meine Aussage. Das ist der Titel meines Albums und genauso eine Beobachtung aus dieser Welt, wie alles andere.

Haben Sie das Gefühl, mit Ihrer Musik etwas über das Konzert hinaus zu bewegen?

Alligatoah: Das kann ich nur sehr schwer einschätzen. Wenn ich von der Bühne gehe und das Publikum nach Hause fährt, habe ich nur noch wenige Berührungspunkte. Ich will meine Gedanken und meine Sichtweisen rauslassen und glaube daran, dass es etwas Positives bei den Menschen bewirken könnte. Der Glaube daran muss mir reichen.

In dem etwas älteren Track „Mein Gott hat den Längsten“ machen Sie sich unter anderem über Islamisten lustig, die im Namen Gottes töten. Heutzutage werden Leute dafür bedroht oder sogar ermordet. Würden Sie das Lied heute nochmal so rausbringen oder hätten Sie Angst?

Alligatoah: Zu der Zeit, als ich das Lied gemacht habe, gab es auch Terrorismus. Auch da gab es Anschläge, Islamismus und fanatische Christen. Das habe ich nicht angefasst, weil es gerade zu der Zeit besonders ruhig um dieses Thema war. Ich spiele diesen Song nach wie vor live. Und ich stehe sehr hinter diesem Song, weil er gerade jetzt umso wichtiger ist.

Kommen dafür von religiösen Fanatikern keine Anfeindungen?

Alligatoah: Nein, tatsächlich gar nicht. Witziger Weise sind es eher Reaktionen von Leuten, die sich darum Sorgen machen, dass Fanatiker darauf reagieren könnten. Ich wähle da auch eine Art, mich auszudrücken, die bildhaft und metaphorisch ist. Auch ein wenig verschlüsselt. Und ich habe das Gefühl, dass diese Ausdrucksweise manchmal einen Tick zu komplex ist für diejenigen, die so einfach gestrickt sind, dass sie einen Anschlag verüben würden.

Karikaturen gegen religiöse Fanatiker haben weltweit zu Demonstrationen geführt. Wird man als satirischer Musiker weniger ernst genommen?

Alligatoah: Mit meiner Musik wähle ich eine Ausdrucksform, die das Kleid von schönen Klängen und einer Melodie und einer Berieselung anhat. Das bewegt auch abseits des Inhalts. Für viele funktioniert Musik hören auch, ohne sich mit den Texten auseinanderzusetzen. Leute sagen mir oft, dass sie erst nach einigen Jahren simpelste Zusammenhänge in meinen Texten bemerkt haben. Das ist auch okay. Und vielleicht schützt mich das auch vor Anfeindungen.

Wenn Alligatoah auf Deutsch „Willst du mit mir Drogen nehmen?“ singt, läuft das nicht im Radio. Wenn Taio Cruz auf Englisch singt, „Ich saufe, bis ich kotzen muss“, dann spielen es alle großen Sender rauf und runter. Nervt Sie diese Doppelmoral?

Alligatoah: Das gab es schon immer, aber das hat mich nie gestört. Es wäre auch lächerlich, wenn ich mich darüber aufregen würde. Was auf einer fremden Sprache verfasst ist, wirkt erst einmal harmloser. Das müssen die Sender letztlich selbst wissen. Ich bin der Künstler, der im Radio stattfindet oder nicht. Ich kann denen nicht sagen, wie sie ihren Job machen sollen, weil ich dort nur zu Gast bin. Wenn mir der Gastgeber sagt, ich soll bitte meine Schuhe ausziehen, kann ich nicht sagen: Nein, ich lasse sie an, weil ich mir nichts vorschreiben lasse. Aber ich kann meinen Fans sagen, ihr könnt gerne zu mir nach Hause kommen. Und da lassen wir alle die Schuhe an und reiben uns mit Schmutz ein.

Einige Titel Ihres Bandprojektes Trailerpark wurde von der Bundesprüfstelle schon als jugendgefährdend eingestuft. Liegen die Radiosender vielleicht richtig, weil sie Alligatoah in diesem Kontext sehen?

Alligatoah: Das glaube ich nicht. Der Bogen zu Trailerpark wird sehr wenig geschlagen und das auch zu Recht. Die Radiosender begreifen, dass ich als Solokünstler etwas ganz anderes bin, als das, was ich mit dem Bandprojekt mache. Das wird mir auch selten vorgehalten. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Auch in der Musik des Solokünstlers Alligatoah geht es sprachlich oft sehr derb zu. Sind Sie sich immer sicher, dass die jungen Leute auf Ihren Konzerten richtig einordnen können?

Alligatoah: Ich bin mir eben nicht sicher. Ich habe keine Kontrolle darüber, was mit dem passiert, was ich sage und was das bei Leuten auslöst. Ich habe nur die Kontrolle darüber, zu überlegen, was ich sage und ob ich das mit einem guten Gewissen sagen kann. Wenn ich auf mein Gefühl höre, dann fahre ich damit immer gut. Mir wird oft gesagt, dass junge Leute nicht die Ironie und den Sarkasmus in meinen Texten verstehen. Und dass man nicht verstehen würde, dass das, was so bösartig und wild klingt, eigentlich eine friedliche Botschaft hat. Im Zuge des letzten Albums bin ich hin und wieder Mal in Schulen gewesen und habe mich mit jungen Leuten unterhalten. Da war ich erstaunt und überrascht, wie gut schon Acht- und Neuntklässler das einordnen konnten. Die Jugendlichen können sehr wohl differenzieren und Satire und Ironie erkennen. In erster Linie steht da die Sorge der Erwachsenen im Weg, die den jungen Leuten nicht mehr viel zutrauen.

Wie Sie haben einige Musiker mal sehr rau und derb angefangen, auch mit einer sehr wilden Sprache. Dann kam der Erfolg und die Leute wurden zahm. Wann sehen wir einen gezähmten Alligatoah in der Jury von „Deutschland sucht den Superstar“?

Alligatoah: Ich habe vor zehn Jahren angefangen, Musik zu machen. Und seitdem bemühe ich mich um eine besondere Konstanz, was meinen Inhalt und meine Grundfeste betrifft. Man kann mir vorwerfen, dass ich mich musikalisch verändert habe. Meine Musik ist viel melodischer geworden und ich mache viel mit Gesang. Die Inhalte haben sich aber über die Jahre kaum verändert. Ich bin bei meiner Deutlichkeit geblieben. Meine Derbheit, meine Tabubrüche und mein Einsatz von Schimpfworten waren niemals Selbstzweck. Das war immer in einem Kontext eingeordnet und genau dosiert. Ich konnte das alles immer vor mir selbst rechtfertigen. Das kann ich auch heute noch. Ich muss nichts bereuen. Und es gibt deshalb auch keinen Grund für mich, eine neue, weichere Richtung einzuschlagen. Das unterscheidet mich vielleicht von den Künstlern, die am Ende in den Jurys der Castingshows landen.

Das Gespräch führte Moritz Kircher

Hier geht's zur Bildergalerie des letzten Auftrittes von Alligatoah in der Oberfrankenhalle

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