Stadt legt neuen Aktionsplan vor 4200 Bayreuther leiden unter Lärm

Von Frank Schmälzle
Das Haus Deutscher Ring am Josephsplatz ist eines der am stärksten von Straßenlärm betroffene Wohngebäude in der Innenstadt. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Verbesserungen an der Erlanger und der Bismarkstraße. Aber noch immer eine angespannte Lage an der Albrecht-Dürer-Straße, der Cosima-Wagner-Straße, am Stadtkernring, an der Kemnather Straße und an der Bamberger Straße. Die Stadtverwaltung hat eine neue Version ihres Lärmaktionsplans vorgelegt. Darin heißt es: Rund 4200 Bayreuther sind tagsüber einem Lärmpegel zwischen 55 und 70 Dezibel ausgesetzt. 70 Dezibel entsprechen dem Geräusch, das ein Staubsauger verursacht. In der Nacht stört der Verkehrslärm 2600 Menschen. Deshalb bekommt jetzt ein fast schon vergessenes Straßenbauprojekt neue Aktualität. Denn eine neue Straße könnte für mehr Ruhe sorgen. Meint man zumindest im Rathaus.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Im Jahr 2012 hat Umweltingenieur Günter Jäkl den ersten Lärmaktionsplan der Stadt Bayreuth erstellt. Mehr als vier Millionen Euro hat die Stadt seitdem in den Schutz gegen den Straßenlärm investiert. Vor allem in Flüsterasphalt. "Das hat was gebracht", sagt Jäkl. Zum Beispiel an der Erlanger und der Bismarckstraße. Dort ist der Straßenlärm durch die neue Fahrbahndecke um bis zu vier Dezibel gesunken. Zur Einordnung: Drei Dezibel weniger nehmen Menschen als Halbierung des Lärms wahr. Offen ist allerdings, wie lange der Flüsterasphalt seine Wirkung erzielt. Wenn die Poren des Asphalts verstopfen, wird es wieder lauter.

Kein Grund für Entwarnung

Aber: Vergleicht man die Zahlen der von Verkehrslärm betroffenen Personen, gibt es keinen Grund für eine Entwarnung. Laut dem ursprünglichen Plan aus dem Jahr 2012 waren nachts 2700 Menschen Geräuschen über 50 Dezibel - das entspricht dem Pegel eines normalen Gesprächs - ausgesetzt. Inzwischen sind es etwa 100 weniger. Am Tag allerdings ist die Zahl von 3800 auf 4200 angestiegen.

Einen kompletten Überblick über die Lärmlage in Bayreuth gibt auch der fortgeschriebene Aktionsplan nicht. Er berücksichtigt nur Straßen, die als Bundes- oder Staatsstraßen das Stadtgebiet durchschneiden. Neu ist: Jetzt werden nicht nur Straßen mit mehr als 16400 Fahrzeugen am Tag kartiert und auf Verbesserungsmöglichkeiten geprüft. Im neuen Aktionsplan sind Straßen ab 8200 Fahrzeugen und hohem Verkehrslärm aufgelistet. Aber: Vielbefahrene Straßen, wie etwa die Meistersingerstraße, erfasst der Plan nicht. Weil sie keine Bundes- oder Staatsstraße ist.

Albrecht-Dürer-Straße: Neue Fahrbahn muss warten

Die neuen Lärmschwerpunkte, die der Plan auflistet, sind die alten: Im Umweltamt der Stadt räumt man der Lärmminderung an der Bamberger Straße, am Hohenzollernring, an der Cosima-Wagner-Straße und an der Albrecht-Dürer-Straße Priorität ein. Flüsterasphalt liegt bereits auf dem Teilabschnitt der Albrecht-Dürer-Straße zwischen der Einmündung der Grünewaldstraße und dem Abzweig in die Bernecker Straße. Dort allerdings, wo die meisten Menschen direkt an der Straße wohnen, zwischen der Friedrich-Eberth-Straße und der Grünewaldstraße, gibt es keinen neuen Asphalt. Der soll "im Zuge des Bauunterhalts" kommen, heißt es im Rathaus. Dann also, wenn der Fahrbahnbelag ohnehin erneuert werden muss. Einen Termin dafür gibt es nicht.

Viele profitieren von der Bayreuther Verkehrsplanung

Umweltreferent Ludolf Tyll sieht das Lärmproblem aus einer anderen Perspektive. Die Verkehrsplanung der vergangenen Jahrzehnte war seinen Worten nach darauf ausgelegt, den Verkehr auf den Hautpverkehrsstraßen und auf dem Stadtkernring zu bündeln. Das trifft die, die dort wohnen. Aber es entlastet zugleich viele anderen, die in den Wohngebieten zu Hause sind und vom Verkehr nicht allzu viel mitbekomen. Schon rund um den Stadtkernring gilt fast überall Tempo 30, sagt Tyll. Die Forderung nach Tempo 30 abseits der Hautpverkehrstraßen sei also weitgehend erfüllt. Der Ausbau des Radwegenetzes über das Bayreuther Radwegekonzept geht voran. Der Öffentliche Personennahverkehr wird Schritt für Schritt besser. Die Hindenburgstraßé bekommt in diesem, spätestens im kommenden Jahr eine lärmmindernde Fahrbahndecke. "Wir haben schon was getan. Und wir tun auch in der Zukunft was", sagt Tyll.

Neue Straße um die Stadt. Der große Wurf?

Flüsterasphalt und Radwege ausbauen, Ampelschaltungen optimieren und den Parksuchverkehr veringern, den Busverkehr verbessern und Verkehr auf die Hauptverkehrsstraßen leiten - wie es im Fall der Nürnberger Straße und der Universitätsstraße geschehen ist: Das sind die Instrumente, die die Verwaltung gegen den Straßenlärm hat. "Das ist ein Prozess", sagt Jäkl. Schritt für Schritt. Der ganz große Wurf ist damit allerdings nicht drin.Der, sagt Umweltreferent Tyll, müsste politisch gewollt sein. Nach wie vor ist im Flächennutzungsplan der Stadt eine Südtangente vorgesehen. Eine Straße, die von der Autobahnanschlusstelle Süd und die Universität über die Hohlmühle und den Studentenwald bis zur Bamberger Straße um die Stadt herum führt. Eine solche Straße, sagt Tyll, würde speziell den Lärm an der Bemberger Straße senken. Und - noch weiterreichend: Ein äußerer Straßenring um die Stadt herum würde, statt einer Verkehrsführung in die Innenstadt und Weiterverteilung über den Stadtkernring, könnte auch die Anwohner anderer Hauptverkehrsstraßen entlasten.

Pro und Contra Südtangente

Contra: Eine neue Straße rund um die Stadt, das ist von gestern, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat, Sabine Steininger. "Moderne und zukunftsfähige Verkehrspolitik setzt auf Verkehrsreduzierung, -vermeidung und -entschleunigung."  Bus, Bahn, Auto, Rad und zu Fuß gehen müüsten besser vernetzt werden. Stadttdessen gelte in Bayreuth offenbar immer  der Grundsatz, mit zunehmendem Verkehr zu planen. Auch allein den Verkehrslärm zu sehen zeuge von fehlendem Bewusstsein für vernetztes Denken,mangelnder Berücksichtigung der Stadtentwicklung, des Klimawandels, des Umwelt- und Naturschutzes ärgert sich Steininger.

Einer Südtangente erteilt sie eine Absage:  "Eines der letzten Frischluftgebiete Bayreuths würde erheblich reduziert, die Frischluftzufuhr für das Gebiet Röhrensee und das Stadtgebiet würde geschwächt oder unterbunden. Gleichzeitig würden Schadstoffe und Lärm in diese Gebiete transportiert." Ein äußerer Stadtkernring würde sich zudem negativ auf die Stadtentwicklung auswirken: Schon jetzt „kesseln“ Hohenzollern- und Wittelbacherring die Innenstadt laut Steininger ein, trennt die Albrecht-Dürer-Straße die Gebiete Hammerstadt und St. Georgen. Moderne Stadtentwicklung setzt auf kurze Wege und Durchgängigkeit. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Planung Glocke/Saas.

Was Steiniger vorschlägt gegen den Verkehrslärm sind verstärkte Geschwindigkeitskontrollen,  keine neuen Parkplätze etwa rund um das Rathaus und die Parkplatzgebühren regelmäßig zu verteuern. Zugleich plädiert die Grünen-Chefin für den  Ausbau des kostengünstigen Busfahrens für Kinder und Jugendliche, um sie zu einem anderen Mobilitätsverhalten zu erziehen. Bei Kanalsanierungen und anderen Straßenbauprojekten fordert sie: Engstellen einbauen.

Pro: CSU-Stadtrat Christian Wedlich ist für die Südtangente, die er Studentenwaldumfahrung nennt. "Da wartet ein Riesenareal darauf, erschlossen zu werden." Wenn es überhaupt so etwas wie ein Verkehrskonzept gebe, sei das in keiner Weise schlüssig. Wer Bayreuth von der Universität zur Bamberger Straße umfahre, stelle fest: Mal sind die Straßen zweispurig, mal einspurig in jede Fahrtrichtung. So könne keine Verkehrsentlastung entstehen. Bereits vor Jahren hatte er einen noch weitergehender Vorschlag gemacht: Einen Verkehrsring zwischen Heinersreuth, Eckersdorf und Mistelbach mit Anschluss an eine Südtangente. "Damit würden wir den Verkehr, der am einen Ende in die Stadt hineinfließt und am anderen Ende wieder herauswill, aus der Stadt raushalten." Ein solches Projekt könne nur in Kooperation mit dem Landkreis funktionieren. Sinnvoll sei es für beide Partner. "Bayreuth hat keine Gewerbe- und Wohnbauflächen mehr. Und die lassen sich nur vermarkten, wenn die Verkehrsinfrastruktur passt."

Bilder