Zwangsversteigerung Peggys Elternhaus kommt unter den Hammer

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LICHTENBERG. Das Elternhaus der 2001 in Lichtenberg verschwundenen Peggy wird zwangsversteigert. Verbunden sind damit viele Erinnerungen an ein grausames Verbrechen, das bis heute noch nicht geklärt ist.

 
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Es sind keine architektonischen Perlen, die Häuser, deren Fotos im Gang des Hofer Gerichtsgebäudes zur Zwangsversteigerung aushängen. Eines davon ist aber richtig prominent: das kleine, hellblau gestrichene Stadthaus mit der Adresse Lichtenberg, Marktplatz 8. Aus der dunklen Eingangstür tritt am 7. Mai 2001, einem regnerischen Morgen die neunjährige Schülerin Peggy Knobloch, um zur Schule zu gehen.

Nach allem, was die Kripo ermittelt hat, ist sie nie wieder in das Haus zurückgekehrt. Sie verschwindet am Mittag dieses kühlen Tages auf den knapp 100 Metern zwischen Bushaltestelle und Haustür. Erst 15 Jahre später werden ihre Überreste in einem Wald, 15 Kilometer entfernt von Lichtenberg, gefunden. Der Fall ist noch ungeklärt.

Das Haus Marktplatz 8 ist seitdem in Hunderten von Zeitungsberichten und Fernsehberichten gezeigt worden. Am 3. April 2019 um 15 Uhr soll es im Sitzungssaal 012 des Hofer Amtsgerichts zwangsversteigert werden. Der Verkehrswert liegt gerade einmal bei 29.000 Euro.

Das hat seine Gründe: Seit 2001 hat es gelitten. Im Hausflur fällt der Putz von den Wänden, es riecht modrig und nach Schimmel. Peggy wohnte mit ihrer Mutter und deren Partner in einem Hinterhaus, das vom Marktplatz aus nicht zu sehen ist. Mit ihrer Schwester hatte sie ein gemeinsames Kinderzimmer. Das Rückgebäude ist ein Sammelsurium der verschiedensten, billigen Baustoffe. Der Garten davor ist „ungepflegt und von Wildwuchs, Altholz und abgelagerten Baumaterialien gekennzeichnet“. So formuliert es das fürs Gericht erstellte Wertgutachten. An der Mauer lehnt die Frontpartie eines alten VW-Polo.

Gleich unter dem Garten führt der Weg vorbei, auf dem die Soko Peggy einst eine Tatort-Begehung machte. Vor der Video-Kamera stellten sie mit Ulvi K. gleich zweimal nach, wie dieser der Schülerin den Burggraben entlang nachgerannt sein und sie erwürgt haben will. Später hat Ulvi K. das Geständnis widerrufen.

Dem hellblauen Haus aus dem 19. Jahrhundert sind die Jahre nach Peggy nicht gut bekommen. In der Reihe der vielen liebevoll herausgeputzten Häuser am Lichtenberger Marktplatz ist die fleckige Fassade inzwischen ein Fremdkörper. „Ständig neue Mieter, aber alle mit schwierigem sozialen Hintergrund“ hätten dort gewohnt, sagt ein Anwohner.

Das Wertgutachten schildert, dass frühere Mieter ihre Wohnungen vermüllt und unbewohnbar zurückgelassen hätten. Andere blieben über lange Zeiträume die Mietzahlung schuldig. Letzter Eigentümer war ein Mann aus dem Landkreis Kulmbach.

Um die Verwertung kümmern sich im Auftrag der Gläubiger eine Immobilien-Verwertungsfirma in Mülheim/Ruhr und ein Kölner Rechtsanwaltsbüro. Ihre Hoffnungen sind überschaubar. Da ein erster Versteigerungstermin ohne Ergebnis geblieben sei, werde das Haus beim nächsten Termin im April schon zum halben Verkehrswert, also rund 15 000 Euro aufgerufen.

Die Stadt Lichtenberg werde auf keinen Fall mitbieten, versichert Bürgermeister Holger Knüppel. Die Stadt habe in jüngster Vergangenheit drei verwaiste Häuser in der Innenstadt übernommen. Zwei davon werden abgerissen, das dritte – auf der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes – soll zu einem kleinen Begegnungszentrum umgebaut werden. „Wir haben einfach nicht das Geld, alles zu kaufen“, macht Knüppel deutlich.

Die Gefahr, dass einer der vielen Beobachter des Falls Peggy sich für wenig Geld mit so etwas wie einem Erinnerungsort an ein Verbrechen versorgt, sieht der Bürgermeister nicht. „Vielleicht ist die Versteigerung für das Haus ja die Wende zum Besseren.“ Für ganz Lichtenberg wünscht er sich etwas anderes: „Dass dieser Fall, der uns so belastet, endlich einmal geklärt wird.“ 

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