Kaum hatte der Wiederaufnahme-Prozess gegen Ulvi Kulac, den mutmaßlichen Mörder der neunjährigen Peggy Knobloch begonnen, da stand Wolfgang Schwemmer schon unter Beschuss. Er habe seinen minderbemittelten Mandanten allein mit der Polizei gelassen, die ein leichtes Spiel gehabt habe. Als Ulvi sein umstrittenes Geständnis abgelegt hatte, sei Schwemmer weg gewesen. Als es um die Video-Rekonstruktion  der Tat ging, sei er in Urlaub gefahren. Die Vorwürfe kamen vom Chef-Ermittler der Soko II, Wolfgang Geier (59) und Ulvis Anwalt Michael Euler (33). Als Schwemmer davon in der Zeitung las, war er total „entsetzt“. Aber er konnte sich nicht wehren – er durfte nicht. Wegen der Schweigepflicht.

Als Zeuge im Wiederaufnahmeverfahren aber war der ehemalige Verteidiger von Ulvi  von seiner Schweigepflicht als Anwalt entbunden und konnte reden. „Ich war sehr erstaunt über das, was ich nach der Aussage von Geier lesen musste.“ Im Prozess vor zehn Jahren in Hof, in dem Ulvi zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, habe Geier diese Vorwürfe nicht erhoben.

Schwemmer machte umgekehrt Geier schwere Vorwürfe: Den Tag, als Ulvi gestand, der 2. Juli 2002, habe er sich ganz freigehalten. Für die Vernehmungen von Ulvi. „Ich hatte den ganzen Tag Zeit.“ Als die Vernehmung beendet war, fuhr Schwemmer ein paar Straßen weiter in den Supermarkt. Er war noch nicht an der Kasse, klingelte sein Handy. Dran war Ermittler Geier: „Stellen Sie sich vor, er hat gestanden.“ Schwemmer fuhr sofort ins Präsidium zurück, „erstaunt und überrascht“.

Dabei hatte Schwemmer seinem Mandanten immer wieder verboten, mit der Polizei zu reden, wenn er nicht dabei war. Denn Schwemmer wusste, „Ulvi war ein Märchenerzähler“. Aber Ulvi wollte nicht hören. Er „hielt sich für eine wichtige Person, wenn er von der Polizei angehört wird. Dann bedeutet er was“, sagte Schwemmer. Deswegen sei Ulvi „immer wieder“ zur Polizei gegangen. Und redete. Und warum? „Weil ich will“, habe Ulvi immer gesagt.

Diese Schwäche seines Mandanten wollte Schwemmer ausnutzen. Seine Strategie war: Ulvi so viel reden zu lassen, wie er wollte. „Also war es naheliegend zu sagen, ,mach weiter‘“ Ulvi sollte so viele Varianten des angeblichen Mordes erzählen, sodass zum Schluss jeder einsehe: „Das kann nicht stimmen, was er erzählt.“ Das Gefühl sagte Schwemmer damals, dass die Polizei auf eine solche Gelegenheit nur gewartet habe.

Ob er etwas dazu beitragen kann, den Fall zu klären, will Staatsanwältin Sandra Staade wissen? „Ich weiß nicht, was damals passiert ist. Aber dieses Urteil, was 2004 ergangen ist, war falsch.“

Der Fall bleibt für Schwemmer eine Katastrophe: wegen der fehlenden Aufklärung, wegen der Aktenführung, wegen des Urteils. „Dieser Fall ist insgesamt ein Drama“, sagte Schwemmer.

Header Fall Peggy