Schon beim Eintritt zieht die Parallele der Wände den Blick auf ein Triptychon aus der Serie der Berlin Suite II: der Reichstag, das noch versperrte Brandenburger Tor – es war das Jahr 1987, als Winner diese Serie von Siebdrucken schuf.
Verschiedene Perspektiven vom selben Standpunkt
Der Braunschweiger Künstler, dessen Vater aus Mittelfranken stammte, wurde groß mit den Großen der Klassischen Moderne. Man sieht eine Paris-Serie in der Ausstellungshalle, der man anmerkt, wie sehr ihn Robert Delaunay beeindruckt haben muss. Bei anderer Gelegenheit ordnen sich die Linien urbaner Architektur neu zu kristallinen Mustern, wie bei Lyonel Feininger. Und: Winner bildet gleich Picasso verschiedene Perspektiven vom selben Standpunkt aus ab. Seine stürzenden Linien, die kühnen Winkel erinnern an die Bildsprache des expressionistischen Films.
In London beschäftigt er sich nicht mit den Nachwirkungen der Swinging Sixties, sondern spürt in den Chiffren der Pfeiler, Treppen und Fensterreihen dem Strukturwandel nach: von der Arbeitswelt der Docks über Ateliers zur Zukunft als hippem Wohnviertel. Die Stadt nicht als Entsprechung einer himmlischen Verheißung, sondern als konkretes Abbild einer Apokalypse – das scheint für ihn New York gewesen zu sein: The Big Apple als irdisches Gegenbild zum himmlischen Jerusalem. Die Vergangenheit, wie sie fachwerkgestützt und nicht gänzlich greifbar in unsere Gegenwart ragt, das ist sein Thema beim Dürerhaus in Nürnberg.
Mehr verdient als nur flüchtige Seitenblicke
Dieser grafisch beeindruckenden, bei nur 40 Drucken erstaunlich vielseitigen Ausstellung gibt die Ausstellungshalle, wie gesagt, einen sehr guten Rahmen. Was wäre dagegen einzuwenden, wenn man die blinde Reihe von Fernstern rechts vom Eingang des Rathauses in eine große, grelle Werbefläche verwandelte? Für eine Art schwarzes Brett für amtliche Verlautbarungen jedenfalls sind diese Fenster zu schade. Auch hätten die Ausstellungen mehr verdient als nur die flüchtigen Seitenblicke von Menschen, die mal eben etwas auf dem Amt zu erledigen haben.
Info: Gerd Winner. Bis zum 30. März im Neuen Rathaus. Geöffnet wochentags zu den üblichen Geschäftszeiten.