Windkraft: Urteil nicht das letzte Wort

Von Moritz Kircher
Windrad-Baustelle im Lindenhardter Forst im Sommer 2014: Solche Baustellen wird es nach Einführung der 10H-Abstandsregel im Landkreis Bayreuth immer seltener geben. Nach Angaben des Landratsamtes ging seit Inkrafttreten des Gesetzes kein Genehmigungsantrag mehr ein. Archivfoto: Moritz Kircher Foto: red

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat entschieden: Die bayerische Abstandsregel für Windräder ist mit der Landesverfassung vereinbar. Die Befürworter der sogenannten 10H-Regel und Windkraftgegner begrüßen das. Die Gegenseite prophezeit das Aus für die Energiewende in Bayern. Mit dem Urteil scheint das letzte Wort in dieser Auseinandersetzung noch nicht gesprochen.

 
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Das sagen unsere Landtagsabgeordneten

Gudrun Brendel-Fischer (CSU): "Die Energiewende in Bayern wird nicht an diesem Urteil scheitern", sagt sie. Die CSU-Abgeordnete hat mit dieser Entscheidung des Verfassungsgerichts gerechnet und begrüßt sie. Es sei "polemisch", jetzt das Aus der Energiewende in Bayern zu prophezeien. In der Wasserkraft und bei der Biomasse gebe es noch Entwicklungsmöglichkeiten. Wichtiger als der Ausbau der Windkraft sei außerdem die Entwicklung von Speichertechnologien, um Strom dann verfügbar zu machen, wenn er gebraucht wird. "Da investiert Bayern viel in Forschung und Entwicklung." Außerdem könnten Kommunen immer noch beschließen, die 10H-Regel zu unterschreiten. "Das muss vor Ort in einem guten Miteinander gehen", sagt Brendel-Fischer.

Christoph Rabenstein (SPD): "Das Urteil ist mehr als bedauerlich." Es sei augenscheinlich, dass seit Inkrafttreten von 10H in Bayern kaum noch Windräder beantragt wurden. "Dieses Urteil wird nun dazu beitragen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem der sauberen Energiequelle Wind, noch deutlicher ins Stocken gerät." Gemeinden hätten zwar immer noch die Möglichkeit, per Beschluss den Mindestabstand zu unterschreiten. Er glaubt jedoch nicht, dass sich eine große Zahl an Bürgermeistern das trauen wird. "Man kann nur hoffen, dass Kommunen diesen Schritt dennoch gemeinsam mit ihren Bürgern gehen werden", sagt Rabenstein.

Peter Meyer (Freie Wähler): "Ich bin enttäuscht", sagt er über das Urteil des Verfassungsgerichtshofes. "Wir haben 10H heftig bekämpft." Das bayerische Verfassungsgericht urteilte nun, dass der Bau moderner, rund 200 Meter hoher Anlagen, mit der Abstandsregel zwar kaum noch möglich sei. Aber für niedrigere Anlagen bleibe genug Raum. "Das klingt schon sehr schräg", sagt Meyer. Denn praktisch mache es keinen Sinn, andere Anlagen zu bauen, als jene, die dem Stand der Technik entsprechen. Wie es mit der Energiewende in Bayern nun weitergehen soll? "Das muss die Staatsregierung sagen", sagt Meyer. Denn sie habe mit der Abstandsregel der Windkraft in Bayern auch den Garaus gemacht.

Ulrike Gote (Bündnis 90/Die Grünen): "Ich bedauere dieses Urteil." Nun sei zwar bestätigt, dass die Abstandsregel für Windräder rechtlich zulässig sei. "Aber richtig ist diese Politik der CSU sicherlich trotzdem nicht." Gote will auch nach dem Urteil weiter für den Ausbau der Windkraft in Bayern werben.  Gemeinden dürfen mit einem Bebauungsplan den Mindestabstand unterschreiten. "Wir wollen mit den Kommunen in Kontakt treten und sie ermutigen, eben doch Anlagen zuzulassen." Auch über den Bundesrat könne noch Druck auf die Staatsregierung ausgeübt werden. Gote: "Es kann nicht sein, dass sich Bayern auf Kosten der anderen Bundesländer einen schlanken Fuß macht." Der Freistaat sei ohnehin auf Stromimporte angewiesen.

Das sagen Gegner und Befürworter

Edwin Bergmann (Bürgerinitiative Jurawindpark): Die Bürgerinitiative ist in den Landkreisen Bayreuth, Kulmbach und Lichtenfels aktiv. Bergmann und seine Mitstreiter waren es, die verhindert haben, dass beim Hollfelder Ortsteil Krögelstein Windräder gebaut werden. Er begrüßt das Urteil. "Die vielen Tausend Windkraftgegner freuen sich, dass sich eine bürgerfreundliche Lösung durchgesetzt hat", sagt Bergmann. Es sei falsch, dass die Abstandsregel den Bau von Windrädern komplett verhindert. "Es gibt genügend Flächen." Die sieht er aber nicht in Oberfranken, das durch Windräder "ohnehin extrem belastet" sei, sondern eher in Ober- und Niederbayern.

Joachim Keuerleber (Leiter des Hofer Standortes beim Windradhersteller Enercon): Bergmann spricht von vielen Tausend Windkraft-Gegnern, Keuerleber nennt sie eine "schreiende Minderheit", die gesiegt hat. Das Urteil des Verfassungsgerichtshofes kommentiert er so: "Jetzt ist es besiegelt, gegen die Interessen der Bürger Bayerns, die für den Ausbau der erneuerbaren Energien sind." Das Argument des Gerichts, dass es möglich sei, kleinere Anlagen zu bauen, kann Keuerleber nicht nachvollziehen. "Das bedeutet, wir müssten noch viel mehr Anlagen bauen, um den gleichen Ertrag zu erzielen." Mit den modernen Anlagen sei jetzt gerade ein Stand erreicht, der die Nutzung der Windkraft in Bayern erst effizient mache. "Das war eigentlich alles umsonst."

Die Windkraft in der Region

Seit rund eineinhalb Jahren gibt es in Bayern ein Gesetz das vorschreibt: Ein neues Windrad muss mindestens zehnmal so weit weg vom nächsten Wohnhaus stehen, wie die Anlage hoch ist. Ein modernes Windrad mit 200 Metern Höhe muss also zwei Kilometer Abstand halten. Seit diese sogenannte 10H-Regel in Kraft ist, wurden im Landkreis Bayreuth keine neuen Windräder beantragt, weil es keine Standorte gibt, die der 10H-Regel entsprechen.

Wo Windräder gebaut werden dürfen, schreibt schon die Flächenplanung im Regionalplan Windkraft vor. Über Jahre hinweg haben sich Vertreter aus der Kommunalpolitik Gedanken gemacht, wo geeignete Standorte für Windkraftanlagen sind. Legt man jetzt über diese Windkraftflächen im Landkreis Bayreuth die 10H-Regel, dann wird es eng. Landratsamts-Sprecher Michael Benz teilt auf Kurier-Anfrage mit: "In diesen ausgewiesenen Gebieten im Landkreis sind keine Flächen vorhanden, die einen Mindestabstand von zwei Kilometern einhalten."

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