Wie ein Ex-Anwalt durch einen schief gelaufenen Drogentest im Knast landete Kripo verwechselt Zucker mit Koks

Von Manfred Scherer
Das ist Zucker, und kein Kokain - obwohl es ähnlich aussieht. Ein schief gelaufener Drogenschnelltest hat nun den gefängnisaufenthalt eines Dealers verlängert. Foto: Jens Wolf/dpa-Archiv Foto: red

Rolf Ü. ist ein irrer Typ. Mit 56 hat er ein irres Leben hinter sich. Der Ex-Anwalt und Ex-Berufsoffizier erlebte in Bayreuth eine irre Geschichte. 50 Gramm Zucker brachten ihm einen längeren Knastaufenthalt ein als nötig.

 
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Vor ein paar Jahren machte das Herz von Rolf Ü. nicht mehr mit. Er sprang dem Tod von der Schippe. Jetzt lebt er mit eingebautem Defibrillator, eingepflanzt bei einer Herz-OP. Seit einiger Zeit nimmt der 56-Jährige auch gerne mal Metamphetamin, weil er sich damit angeblich „besser fühlt“.

Im August dieses Jahres stieg Rolf Ü. in Köln in den Zug und fuhr gen Oberfranken. Er hatte einen Panzerkombi an, einen Fahrradhelm dabei, der aussieht wie ein Stahlhelm und ein Fahrrad in Tarnfarben. Camouflage nennt sich das heute. Vielleicht hat Rolf Ü. als Hauptmann der Reserve bei ein Faible für Militärisches. Vielleicht dienten Panzerkombi und Camouflagefahrrad aber auch nur zur Tarnung. Der ehemalige Pionier-Hauptmann fuhr über die grüne Grenze nach Tschechien, um dort auf einem Vietnamesenmarkt Crystal zu kaufen – oder etwas, wovon er dachte, es sei das Rauschgift Methamphetamin.

In der Stadt fiel das Tarnfahrrad auf

Am 2. August stoppten Polizisten das auffällige Tarnfahrrad – am Lenker war ein Tabletcomputer angebracht – in der Friedrich von Schiller-Straße in Bayreuth. In seinem Rucksack hatte Rolf Ü. acht Gramm cremeweißes Pulver. Die Kontrolle ergab: Knapp einen Monat zuvor war er schon einmal in Oberfranken gestoppt worden, damals mit fünf Gramm weißem Pulver in Gepäck. Hatte die Polizei ihn damals nach der Anzeige noch laufen lassen, wanderte Rolf Ü. am 2. August ins Untersuchungsgefängnis. Die acht Gramm vermeintliches Crystal waren rechtlich gesehen eine sogenannte „nicht geringe Menge“, also ein Verbrechenstatbestand.

Rolf Ü. bekam einen Pflichtverteidiger. Anwalt Karsten Schieseck sprach wenige Tage nach der Festnahme vor und meinte, die Vorwürfe gegen Rolf Ü. seien so gravierend nicht – man könne ihn auf freien Fuß setzen. Da legte ein Kriminalbeamter ein Schreiben der Kölner Kollegen vor: bei der Hausdurchsuchung in Köln sei eine Dose mit 50 Gramm Kokain gefunden worden, ein Schnelltest vor Ort habe das ergeben. Rolf Ü. behauptete: „Das muss mir jemand untergeschoben haben.“ Und Schieseck glaubte seinem Mandanten das nicht: „Ich habe ihm die Hölle heiß gemacht, aber er blieb dabei.“ Es wurde nichts mit der Entlassung aus der U-Haft.

Und dann noch das: Milchpulver statt Crystal gekauft

Bei den weiteren Ermittlungen wendete sich das Blatt: Die Untersuchung des cremeweißen Pulvers ergab, dass Rolf Ü. anstatt Metamphetamin Milchpulver angedreht worden war. Dennoch gilt der Fall als Straftat des versuchten Drogeneinfuhr, denn Rolf Ü. wollte ja Drogen kaufen. Eine noch größere Überraschung aber tat sich Ende September auf, als das Ergebnis der Untersuchung des in Köln gefundenen Rauschgifts auf den Tisch der Bayreuther Staatsanwältin Ramona Eichelsdörfer landete. Sie rief Rolf Ü.‘s Verteidiger an und fragte: „Herr Schieseck, sitzen Sie?“ Die Untersuchung hatte ergeben: Das Koks war kein Koks, sondern Zucker.

Quasi über Nacht schrieb die Staatsanwältin eine Anklage für die zwei Fahrradfahrten, der Vorsitzende des Schöffengerichts, Torsten Meyer, schob den Fall von Rolf Ü. in seinen Terminkalender ein.: Für den Kauf des Milchpulvers vom August und für die Einfuhr der fünf Gramm Crystal vom Juli bekam er eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und kam auf freien Fuß. Die fünf Gramm vom Juli wurden, weil sie die Grenze zur nicht geringe Menge nicht erreicht hatten, nie untersucht. Rolf Ü. sagt, er habe im Juli beim selben Dealer gekauft wie vier Wochen später im August. Nach Ansicht seines Verteidigers ist es nicht ausgeschlossen, dass es sich bei den fünf Gramm ebenfalls um Milchpulver gehandelt hatte.

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