Weil viele Demente zu Hause gepflegt werden, unterstützt die Politik freiwillige Helfer Zahl der Demenzkranken im Landkreis steigt

Von Sarah Bernhard
Ruth Domide (Mitte) und die ehrenamtliche Helferin Margit Görl (Mitte links) bieten zweimal im Monat eine Betreuung für Demenzkranke an. Sie soll pflegende Angehörige entlasten und die Teilnehmer, die sich im Alltag oft unzulänglich fühlen, glücklich machen. Foto: Bernhard Foto: red

Sie sind oft völlig überfordert - und lehnen doch jede professionelle Hilfe ab. Um pflegende Angehörige trotzdem zu entlasten, fördert das Gesundheitsministerium Menschen, die sich ehrenamtlich um Demenzkranke kümmern. Etwa beim Demenztreff in Hollfeld, wo Helmut Glaser sogar sein Geldbeutel egal ist.

 
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Helmut Glaser hat seine rote Geldbörse neben die Kaffeetasse gelegt. Immer wieder öffnet er den Druckknopf des Kleingeldfachs, um zu sehen, ob noch alles da ist. Dann legt er den Geldbeutel wieder ordentlich neben die Tasse und schiebt sich ein Stück Krapfen in den Mund. „Das macht er immer so", sagt Ruth Domide vom Mehrgenerationenhaus Hollfeld. Denn Helmut Glaser kann sich nicht daran erinnern, dass er vor zehn Minuten schon einmal nach seinem Geld gesehen hat. Helmut Glaser ist demenzkrank.

Und damit einer von rund 2000 Menschen im Landkreis, die sich zwar an Vieles aus ihrer Kindheit erinnern können, aber oft nicht daran, was sie vor zehn Minuten gemacht haben. Oder daran, wie dieses Ding auf der Nase heißt, mit dem man besser sieht. Woher die Demenz kommt, weiß niemand, sagt Michael Schüler, Vorstand der Alzheimer Gesellschaft Bayreuth Kulmbach. Nur, dass die Zahl der Demenzkranken im Landkreis etwas höher liegt als im Bundesdurchschnitt, „weil wir auch einen höheren Anteil an älteren Menschen haben". Und dass die Zahl der Dementen in Zukunft expotenziell zunehmen wird.

Drei Viertel von ihnen werden laut Schüler von Angehörigen zu Hause betreut. Deshalb hat das Bayerische Gesundheitsministerium ein Programm aufgelegt, das die Betreuung durch ehrenamtliche Helfer fördert. Knapp 21 000 Euro sind im Jahr 2013 in den Landkreis geflossen, um so pflegende Angehörige zu entlasten.

Sechs Euro bekommen ehrenamtlichen Helfer wie Margit Görl pro Stunde dafür. Sie hilft regelmäßig beim Demenztreff, fährt aber auch mal zu den Glasers nach Hause, um ein paar Stunden mit dem 78-Jährigen zu verbringen. Zwar könne er durchaus noch eine Weile alleine bleiben, sagt seine Frau Gertrud. „Aber dann steht er so lange in der Türe, bis ich wiederkomme."

Vor sieben Jahren habe seine Vergesslichkeit angefangen im vergangenen Sommer sei es so schlimm geworden, dass er beim Autofahren den Weg vergessen habe. „Da habe ich beschlossen, dass es keinen Sinn mehr hat", sagt Gertrud. Und sieht dabei sehr traurig aus. Sie hat keinen Führerschein, seit ihr Mann nicht mehr fahren kann, sitzen die beiden meist zu Hause. „Die Abwechslung hier in der Gruppe tut ihm gut, wenn er dann heimkommt, ist er immer ein bisschen aufgeschlossener." Sie selbst geht währenddessen einkaufen oder Kaffee trinken.

Und genau darum geht es Ruth Domide: Einerseits die Angehörigen zu entlasten. Andererseits den Demenzkranken Erfolgserlebnisse zu verschaffen. „Sie fühlen, dass sie im Alltag irgendwie unzulänglich sind", sagt Domide. Bei ihr soll das anders sein. Die fünf Senioren sitzen mittlerweile im Halbkreis und kicken einen riesigen rot-weißen Stoffball zwischen sich hin und her. Helmut Glaser sitzt elegant auf seinem Stuhl, kickt lässig aus dem Knie und sieht dabei sehr zufrieden aus. An seine Geldbörse hat er schon über eine halbe Stunde nicht mehr gedacht, erst, als sie ihm aus der Hosentasche fällt, kehrt schimpfend die Erinnerung zurück.

Obwohl das Treffen, das alle zwei Wochen stattfindet, beiden gut tut, hat sich Gertrud Glaser lange dagegen gewehrt. „Das Thema ist mit Scham besetzt, viele Leute wollen nicht, dass ihre Nachbarn etwas merken", sagt Domide. Deshalb heißen die Glasers in Wirklichkeit anders. Und deshalb hat es fast ein halbes Jahr gedauert, bevor der erste Besucher zum Demenztreff kam. Auch Maria Reiß, Pflegedienstleiterin beim Diakonieverein Speichersdorf, bezeichnet das von ihr angebotene Betreuungsangebot, das dem in Hollfeld ähnelt, als „ausreichend", obwohl in Speichersdorf weit mehr Menschen demenzkrank sind als die zehn, die regelmäßig zu ihr kommen.

Fördert die Politik also ein Angebot, dass die Menschen vor Ort gar nicht haben wollen? Während Helmut Glaser seine Geldbörse in seiner Jacke verstaut, dreht sich seine Ehefrau zu Margit Görl, der ehrenamtlichen Helferin, um. „Ich würde gerne zu einem Fraueneinkehrtag fahren, da bräuchte ich aber einen ganzen Tag Betreuung", sagt sie. „Ich muss nachschauen, aber das geht bestimmt", antwortet Görl. Und für einen kurzen Moment sieht Gertrud Glaser nicht mehr ganz so traurig aus.

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