Weil ein Hollfelder regelmäßig zu tief ins Glas schaut, wird er jetzt für eine „Lappalie“ bestraft Dosenwurf auf Eishockeyfans wird teuer

Von Thorsten Gütling
Archivfoto: Daniel Karmann/dpa Foto: red

Ein Tigers-Fan wirft eine fast leere Bierdose durch die Luft. Sie landet auf der Brust eines Rosenheimer Eishockeyfans. Der schaut verdutzt und will mit einem Bierflecken auf dem Pullover weitergehen. Mehr ist nicht passiert. Aber die Polizei hat’s gesehen. Und die Staatsanwaltschaft kennt die Vorgeschichte des Mannes. Während der Anwalt des Dosenwerfers von einer Lappalie spricht, denkt die Staatsanwältin an eine Haftstrafe.

 
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Eigentlich hätte der 25 Jahre alte Hollfelder am Abend des 18. November vergangenen Jahres zufrieden sein können. Der Eishockeyfan hatte einen Siegtreffer des EHC Bayreuth gegen die Starbulls Rosenheim in buchstäblich letzter Minute erlebt. Zu Hause wartete seine hochschwangere Freundin auf ihn, und sein Hollfelder Arbeitgeber stellte der ungelernten Hilfskraft eine Festanstellung in Aussicht. Vorbei schienen die Zeiten, in denen der Hollfelder alle paar Monate vor Gericht erscheinen musste, um sich wegen Körperverletzung, Hehlerei oder Unterschlagung zu verantworten. Wenn nur der Alkohol nicht gewesen wäre.

Ein Pegel, bei dem die meisten taumeln würden

2,3 Promille hat der 25-Jährige am Abend des Tigers-Sieges im Blut. Ein Pegel, so sagt es ein Polizist vor Gericht, bei dem 90 Prozent der Bevölkerung taumeln und zur Ausnüchterung abgeführt würden. Die Polizei schickt den Hollfelder nach dem Dosenwurf aber nicht nach Hause. Der Mann habe relativ fit gewirkt, heißt es. Sein Begleiter, ein 20 Jahre alter Hollfelder, gibt zu Protokoll: Man habe pro Drittel zwei bis drei Bier und ein paar Glühwein getrunken und zu Hause mit Schnaps vorgeglüht. Was Richter Stefan Käsbohrer zu der Frage bringt: „Sind Sie nun Eishockeyfans oder Bierfans? Sie stehen ja mehr am Bierstand an, als dass sie das Spiel verfolgen.“

Und so kommt, was kommen muss: Ordentlich vollgetankt denkt der Hollfelder nicht mehr daran, dass er erst vor sechs Monaten zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden ist. Dass er in wenigen Tagen Vater wird und dass zum ersten Mal ein fester Job in Aussicht ist.

"Geben Sie mir lieber einen aus"

Weil die Polizei den Dosenwurf des 25-Jährigen beobachtet, hilft es auch nicht, dass der Getroffene vor Gericht versichert: „Es hat mich wirklich nicht interessiert, wo die Dose herkam.“ Und dass sich ein Polizist im Zeugenstand erinnert, dass der Rosenheimer ihn noch am Tatort bat, ihm zur Entschädigung lieber ein Bier auszugeben, anstatt dem Dosenwerfer Ärger zu machen. Der Anwalt fordert daher die Einstellung des Verfahrens.

"Auch ein weichgekochter Spargel"

Die Staatsanwaltschaft sieht die Sache ein bisschen anders. Beim Wurf eines Gegenstandes in eine Menschenmenge handle es sich nun mal per se um eine gefährliche Körperverletzung. „Hätte die Dose den Mann nicht an der Brust, sondern am Kopf oder im Gesicht getroffen, hätte mehr als nur ein Bierfleck auf dem Pullover die Folge sein können.“ Richter Käsbohrer sagt: „Es ist fast alles eine Waffe, außer ein weichgekochter Spargel, und selbst der, wenn er richtig eingesetzt wird.“ Dazu kommt: Die elf Begleiter des Rosenheimers sollen nicht ganz so gelassen auf den Dosenwurf reagiert haben. Käsbohrer sagt, die Situation hätte genauso gut eskalieren können.

Ein Fehler zuviel?

Und dann ist da noch dieses lange Vorstrafenregister des Hollfelders. Noch gar nicht berücksichtigt ist dabei, dass er sich schon vor Gericht verantworten musste, weil er die Mutter seines späteren Kindes verletzt haben soll. Das Verfahren wurde zwar eingestellt, aber auch damals wurden dem Hollfelder 1,8 Promille Alkohol im Blut nachgewiesen. Richter Käsbohrer treibt daher die Frage um: „Wie viele Fehler darf ein Mensch machen?“ Und ist das offensichtliche Alkoholproblem noch zugunsten des Mannes oder schon zu seinen Lasten zu werten?

Dosenwurf kostet 1200 Euro

Die Staatsanwaltschaft kommt daher zu dem Schluss: Weil der Mann einschlägig vorbestraft ist, könne man kein Auge mehr zudrücken. Schon gar nicht, weil ihm der Fall dann nicht mehr zur Last gelegt werden könnte, sollte er sich bald wieder vor Gericht verantworten müssen. Von einer Haftstrafe sieht sie am Ende zwar ab, fordert aber eine empfindliche Geldstrafe. Richter Käsbohrer entscheidet: Der Hollfelder hat sich der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht und wird zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt.

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