Vorbildpreis der Bayreuther Dialoge an Unternehmerin Sina Trinkwalder Vorbild-Preis an Sina Trinkwalder

Von Susanne Will
Hat den Vorbildpreis erhalten: Sina Trinkwalder, Foto: Andreas Harbach Foto: red

Die Studenten der Bayreuther Uni veranstalten einmal im Jahr die Bayreuther Dialoge, es geht um Ökonomie, Philosophie und Gesellschaft. Am Ende wird der „Vorbildpreis“ verliehen. Sina Trinkwalder hat den Preis erhalten. Wieder einer, könnte man meinen, so viele, wie sie bereits erhalten hat. Doch was die 38-Jährige mit ihrem Unternehmen „manomama“ auf die Beine stellt, ist tatsächlich immer wieder preiswürdig. Es wird nicht der letzte Preis sein - und auch nicht ihr letztes Unternehmen.

 
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Sina Trinkwalder steht vor dem Uni-Gebäude, Kaffee und Handy in der einen, eine Zigarette in der anderen Hand. Von Aufregung keine Spur, ihr Händedruck ist fest. Fragen danach, ob sie am Anfang ihrer Karriere als soziale Unternehmerin daran gedacht hätte, dafür einmal ausgezeichnet zu werden, pariert sie entwaffnend: „Natürlich. Ich habe immer daran geglaubt, dass es klappt.“

Bei "manomama"  arbeiten die durch den Rost Gefallenen

Sina Trinkwalder hatte mit ihrem Mann eine Werbeagentur gegründet, da war sie 21. 2010 krempelte sie ihr Leben komplett um. Sie gründete in Augsburg die Textilfirma „manomama“. Vorwiegend mit Frauen, die - wie es so schön im Ämtersprech der Jobcenter heißt -, durch „multiple Vermittlungshemmnisse“ keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Alleinerziehende, mit Handicap, mit Migrationshintergrund oder ohne Schulabschluss. 150 arbeiten jetzt für sie und das Unternehmen, keiner verdient weniger als zehn Euro Stundenlohn.

"Sie gibt den Menschen Chancen"

„Damit gibt sie den Menschen Chancen, Sicherheit, Wertschätzung und Autonomie“, hieß es in der Laudatio. Und der Begriff Autonomie war der Leitfaden der diesjährigen Bayreuther Dialoge. Die 150 Menschen, die für Sina Trinkwalder in Augsburg arbeiten, produzieren dort ökologisch nachhaltig produzierte Textilien, deren Rohstoffe aus dem Umkreis von 300 Kilometern kommen. Ausgenommen der aus Tansania importierten Baumwolle. Acht Millionen Euro Umsatz macht sie im Jahr.

"Geht raus und denkt selbst"

Sina Trinkwalder hat nie daran gezweifelt, dass ihr Konzept funktionieren werde. In ihrer Rede forderte sie die Studenten auf, sich hinzustellen. Dann dirigierte sie die Menge, die Männer und Frauen sollten ihre Hände auf Nacken, Bauch und Rücken legen. Provozierend fragte die 38-Jährige dann: „Warum macht ihr eigentlich jeden Scheiß, den man euch vorsagt?“ Befreiendes, auch etwas beschämtes Lachen folgte. „Weil einer vor euch steht und euch sagt, was ihr zu tun habt. Geht raus und denkt selbst. Werdet Denker mit Herz und Verstand, denn das gibt es in der menschenentkoppelten Ökonomie nicht mehr.“

"Gute Nervenund ab und zu ein Glas Wein"

Dass das jeder schaffen kann, steht für Trinkwalder außer Frage, „wenn er sich den Hintern aufreißt“. Das scheint sie nicht erst seit Gründung von manomama zu machen. Sie ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes für Nachhaltigkeit. „Ich war 21, als ich den ersten schwer erziehbaren Jugendlichen ausgebildet habe. In denen steckt viel, doch um das zu finden, braucht man viel Liebe zum Detail, gute Nerven und ab und zu auch ein Glas Wein. Oder Schokolade.“

"Yoga ist mir zu bewusst"

Sina Trinkwalder birst vor Tatendrang, sie ist geliebte Gesprächspartnerin in Talkshows, weil sie entwaffnend offen wie am Tresen ihrer Lieblingskneipe redet. Ihr Pensum ist immens, doch drei bis vier Stunden Schlaf würden ihr genügen, sagt sie, noch im Dunklen joggt sie morgens durch den Wald. „Yoga ist mir zu bewusst“, witzelt sie. Über die veganen Brote in der Uni muss die Frau aus einer Metzgerfamilie lachen. Demnächst wird sie einem Massai in Tansania fränkische Blutwurst mitbringen wird. Ein Gastgeschenk, nachdem der Mann bei einer früheren Reise behauptet hatte, die Massai seien der einzige Stamm weltweit, die Blut essen würden.

Demnächst ein Unternehmen für Männer

Nein, aus der Blutwurstspende werde sie keinen neuen Geschäftszweig machen, nimmt sie ihren Aktionismus selbst aufs Korn. Doch demnächst wird es ein weiteres Unternehmen geben. „Color ride“, dort werden Sport-Accessoires hergestellt, diesmal von Männern, die keiner im ersten Arbeitsmarkt beschäftigen will. „Darauf gekommen bin ich durch das Schicksal von Hans, einem Sattler. Der lag im Koma und als er wieder zu sich kam, hatte er nichts mehr, selbst seine Werkstatt wurde aufgelöst.“ Auch Hans wird bald einen Job haben und zur Trinkwalder-Familie gehören, wie die 38-Jährige ihr Unternehmen bezeichnet.

Nebenbei ein neues Buch

Mit dem Begriff Vorbild, erzählt Sina Trinkwalder, hat sie ein Problem. „Vielleicht braucht es keine Idole, sondern Ideale.“ Für viele Menschen wird Trinkwalder aber in Zukunft noch mehr zum Vorbild taugen. „Ich habe in den letzten drei Jahren 65 Kilogramm abgenommen.“ Sie hat sich quasi halbiert. Wie sie das ohne Diät und mit Blutwurst geschafft hat, schreibt sie gerade auf, quasi nebenbei. Das Buch wird im Oktober 2017 in die Läden kommen.

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