Vorbildliche Aktion „Einfach machen und helfen“

Astrid Kormann
Das Auerbacher Helferteam: Claudia van der Cammen, Manuela Ziegler, Lilly Ziegler, Leonie Friedl, Gisela Tirsch, Nico Friedl, Reinhard Friedl, Tanja Friedl und Petra Weil (von links).In Tüten sammelten Gisela Tirsch und ihr Team die nützlichen Dinge für die leidgeprüften Menschen in Rheinlad-Pfalz. Foto:  

Gisela Tirsch und ihr Team sammelten für die Flutopfer in Bad Neuenahr-Ahrweiler Waren im Wert von circa 15 000 Euro

 
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Auerbach - „Ich bin komplett ohne Worte“, beschreibt Gisela Tirsch die Hilfsbereitschaft, die sie und ihr Team in der vergangenen Woche erfahren haben. Tirsch hat in Auerbach eine Spendenaktion für die Flutopfer in Bad Neuenahr-Ahrweiler ins Leben gerufen.

„Ich bin über den Hilferuf einer Freundin aus Siegburg auf die Idee gekommen“, erzählt Tirsch, „und ich habe mich dazu entschieden, mit einer Spendenfahrt zu helfen.“ Die Hilfsaktion organisiert eine Gruppe freiwilliger Helfer in Siegburg. Am vorletzten Wochenende ist Tirsch das erste Mal gemeinsam mit ihrem Ehemann Georg nach Rheinland-Pfalz gefahren, um Hygieneartikel wie Windeln, Feuchttücher und Artikel für stillende Mütter in die besonders von der Flutkatastrophe betroffene Stadt zu bringen. Die Hilfsgüter gingen primär an ein Kinderheim, das besonders von der Flut getroffen und dessen Lager komplett zerstört wurde.

„Halber Supermarkt“ wurde gespendet

Vergangene Woche rief Tirsch dann über eine Facebook Gruppe wieder zu Spenden auf. Da große Teile von Bad Neuenahr-Ahrweiler derzeit keinen Strom haben, konzentrierte sich der Aufruf auf haltbare Lebensmittel. „Die Reaktion beim ersten Aufruf war schon super, aber die Hilfsbereitschaft, die wir letzte Woche erfahren haben, war unglaublich“, sagt Tirsch. Salami, Wurstdosen, Käse, Brot, kistenweise Nutella und Marmelade kamen zusammen. „Ein halber Supermarkt“, sagt Manuela Ziegler, die ihre langjährige Freundin Tirsch gemeinsam mit ihrer Tochter Lilly beim Sammeln und Sortieren der Spenden unterstützt.

Der Facebookpost ging in kürzester Zeit viral. Bekannte haben die Spendenaufforderungen in vielen sozialen Medien geteilt. „Die Firmen sind auf uns zugekommen und haben gefragt, was wir brauchen könnten“, erzählt Reinhard Friedl, der Gisela Tirsch beim Transport unterstützt. „Ein Transporter reichte für die Lebensmittel nicht aus. Neben Metzgereien aus Auerbach und Michelfeld haben auch mehrere Apotheken und Vereine aus der Region Spendenpakete abgegeben. Ich dachte, mit dem VW Bus meines Sohns bekommen wir das hin, aber die Hilfsbereitschaft war so groß, deshalb haben wir einen weiteren Transporter gebraucht und dann noch ein weiteres Auto.“ Beides stellte Friedl und seine Familie zur Verfügung. „Wir kannten uns vorher gar nicht“, erzählt Tirsch. Friedl hatte über Facebook Kontakt aufgenommen. Mehrere Telefonate folgten und schließlich entschied die Familie, den Transport auch persönlich zu begleiten.

Friedl schätzt den Wert der beförderten Güter auf etwa 15 000 Euro. Nicht nur die Firmenspenden, auch die privaten Spenden aus der Region seien enorm gewesen. Claudia van der Cammen, Tirschs Schwester, half wie Ziegler beim Sammeln und Sortieren und glaubt, dass für viele Menschen das Unmittelbare und das Wissen, dass die Spenden direkt bei den Bewohnern von Bad Neuenahr-Ahrweiler ankommen, ausschlaggebend gewesen seien. „Das war für Menschen, die sich nicht an den Spendenaktionen im Fernsehen beteiligt haben, eine Möglichkeit, das zu geben, was sie bereit waren, ohne dass ein Wert dahinter festgemacht wird. Es hilft auch, wenn jemand Lebensmittel im Wert von fünf oder sechs Euro vorbeigebracht hat. Das ist eine Erfahrung, dass man im Kleinen was bewirken kann – ohne Bürokratie.“

Van der Cammen hat wie Friedl schon ehrenamtlich Erfahrungen bei Spendenaktionen gesammelt. Die Solidarität in Auerbach und Umgebung sei riesengroß. „Viele Menschen waren sehr betroffen von der Situation in den Flutgebieten. Manche auch mit dem Gedanken, dass wir in Auerbach auch mal in eine extreme Notlage kommen könnten“, so Tirsch.

Die Situation in Bad Neuenahr-Ahrweiler beschreiben Friedl und Tirsch als immer noch sehr bedrückend. Tausende Menschen seien dort obdachlos. „Viele Betroffene sind noch bei Familien und Freunden in Ferienhäusern und Hotels untergekommen. Insbesondere das Ahrtal, dem Zielort der Hilfsaktion, wurde schwer von den Überschwemmungen getroffen.“

Die Familien Tirsch und Friedl haben die Hilfsgüter vergangenes Wochenende an der zentralen Sammelstelle in Bad Neuenahr-Ahrweiler, der Pizzeria La Concordia, abgegeben. „Wir sind Freitagnacht um 1 Uhr in Bergisch-Gladbach angekommen, um 3.30 Uhr aufgestanden, haben um halb sechs in Ahrweiler ausgeladen, alles noch mal in Pakete sortiert und sind dann wieder heimgefahren.“ Die Verteilung vor Ort haben die freiwilligen Helfer aus Siegburg übernommen.

Die Menschen vor Ort beschreibt Tirsch als „sehr herzlich und dankbar“. Eine Gruppe Kinder habe an der Sammelstelle ein großes Plakat gestaltet und mit bunten Herzen verziert, das allen Helfern dankt. „Die Menschen vor Ort machen auch schon wieder Pläne für den Wiederaufbau. Die meisten möchten auch nicht wegziehen, sondern in der Region bleiben. Deshalb planen wir auch langsam schon die dritte Fahrt.“ Laut Friedl und Tirsch werde die aber erst in ein paar Wochen stattfinden. In den nächsten Wochen werden in der Region Ahrweiler viele Häuser abgerissen, der Wiederaufbau kann erst danach beginnen. Schon bei der zweiten Fahrt, wurden mit Hilfe von Geldspenden Werkzeuge, wie Akkubohrmaschinen, Schraubenzieher und Sägen nach Ahrweiler gebracht.

Baumaterial, Spielzeug und Schulbedarf

Die nächste Fahrt könnte deshalb Baumaterial transportieren, aber auch Kleidung, Schulbedarf und Spielzeug stehen als mögliche Hilfsgüter im Raum. „Ich werde das alles mit meiner Freundin und den freiwilligen Helfern vor Ort besprechen und dann eine neue Spendenaktion in die Wege leiten“, sagt Tirsch. Die Helfer aus Siegburg stehen zudem kurz vor einer Vereinsgründung. Für Tirsch wäre das auch eine Option für Auerbach – ein gemeinnütziger Verein, der in Notlagen in der Region und außerhalb schnell und unkompliziert Hilfe leisten könnte. Auch Spendenquittungen könnte man dann herausgegeben. „Wir müssen noch schauen, wie das von rechtlicher Seite funktionieren würde, aber es ist eine Idee. Vielleicht habe ich mein Ehrenamt hier gefunden. Ohne lange zu überlegen, einfach zu machen und zu helfen.“

Unabhängig davon, wohin sich die Auerbacher Hilfsaktion in Zukunft entwickelt. Die gemeinsamen Erfahrungen werden den Beteiligten bleiben, das betonen van der Cammen, Ziegler, Tirsch und Friedl gleichermaßen. „Zusammen kann man Großes bewirken. Was klein angefangen hat, ist beim zweiten Mal schon um einiges größer geworden. Mal schauen, wie viele Transporter wir bei der nächsten Fahrt brauchen.“ Und auch die positiven Reaktionen aus Bad Neuenahr-Ahrweiler werden bleiben, sagt Tirsch. Die Helfer aus Auerbach sind bereits zu einem Fest eingeladen, das stattfindet, „wenn hoffentlich bald alles wieder aufgebaut ist.“

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