Vom Schläger zum frommen Mann

Von Sonny Adam
In Australien lebte Nik Cabraja auf der Straße, nahm Drogen und lieferte sich Schlägereien. Bis er mit dem Motorrad schwer verunglückte. Seitdem hat er zu Gott gefunden. Foto: Sonny Adam Foto: red

Er lebte auf der Straße, schlägerte, nahm Drogen. Bis er einen schweren Motorradunfall erlitt. Dieses Erlebnis sollte sein Leben von Grund aus ändern. Nik Cabraja fand zu Gott, wurde tiefgläubig. 

 
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Nik Cabraja sieht aus wie der Inbegriff des „bösen Jungen“. Er ist von Kopf bis Fuß tätowiert. Sogar an seinem Hals prangen Tattoos. Die Arme sind tätowiert, seine Beine, sein Bauch. Es sind keine freundlichen Malereien, die die Haut des 39-Jährigen verzieren, sondern wilde Tattoos in tiefem Schwarz. Auf einer Hand prangt an jedem Fingerknöchel ein Totenkopf, unter die Haut der Finger ist das Wort „Fate“ (Schicksal) geschrieben. Doch auf der anderen Hand ist ein Jesuskopf mit dem Wort „Hope“ (Hoffnung) tätowiert. „Die Totenköpfe sind für mich Klassiker. Für mich bedeuten sie nicht Tod, sondern ewiges Leben“, sagt Cabraja.

Cabraja trägt auch mit 39 Jahren noch Schlabberhosen und super-coole Klamotten. Und die Mütze hat er immer tief in die Stirn gezogen. Das ist sein Style. Doch ein böser Junge ist er schon lange nicht mehr. Im Gegenteil: Cabraja möchte Gutes tun, möchte sich sein „etwas anderes“ Aussehen zunutze machen und mit jungen Menschen und Obdachlosen arbeiten.

Tor in eine andere Welt

Cabraja ist in Kroatien geboren. Vater und Mutter hat er nie kennengelernt. Stattdessen wuchs er bei seinem Onkel in Australien auf. „Alles, was ich im Leben gelernt habe, war das Leben auf der Straße“, erzählt er. Und gibt zu, dass das natürlich nicht gut ging. „Ich war eigentlich Baumaschinenmechaniker, aber dann habe ich mich tätowieren lassen und so kam ich in Kontakt mit der Szene. Ich machte eine Ausbildung zum Tätowierer“, erzählt Cabraja. „Das hat mir die Tür in eine andere Welt geöffnet.“ Viele Jahre bestimmten Alkohol, Drogen und Gewalt sein Leben. Er arbeitete als Tätowierer, zog mit Rockern und Bikern durch die Lande. Immer von einer Party zur nächsten. „Ich war in der falschen Clique. Mein Leben war voll mit Sünde. Mein Lebensmotto war ,Fuck the world‘“, erzählt Cabraja. Jeder, der ihm blöd kam, wurde niedergeschlagen. Nick war aggressiv, scheute vor keinem Konflikt zurück. „Man hat mir immer gesagt, dass ich irgendwann sterbe oder im Knast landen werde, aber das hat mich nicht interessiert“, sagt Cabraja. Ein Leben in der Abwärtsspirale. „Mit Alkohol und Drogen habe ich mich besser gefühlt, aber es war immer scheiße. Die meisten nehmen Alkohol und Drogen aus Angst oder als Trost.“

16 Tage im Koma

Dann kam die Wende – durch einen Unfall. Anfang 2000 verunglückte Cabraja mit seinem Motorrad. „Ich war zwei Minuten und 33 Sekunden weg: Flatline“, schildert er – keine Herztöne mehr. In diesen Minuten sei sein Leben an ihm vorbeigezogen. „Ich habe damals Gott und den Teufel gesehen. Und Gott hat gesagt, er braucht mich noch“, erzählt der Tätowierer. Nach 16 Tagen im Koma wachte Cabraja auf und kämpfte sich zurück ins Leben. Er hatte einen Schädelbruch, schwere Verletzungen an der linken Hüfte und der rechten Schulter. Ein halbes Jahr hat es gedauert, bis er wieder laufen konnte – noch viel länger, bis er wieder auf ein Motorrad steigen konnte. „Ich habe mich dann mit Gott beschäftigt. Aber ich habe noch Zeit gebraucht“, erzählt Cabraja.

Er siedelte von Australien nach Deutschland über. Eigentlich, um seine leibliche Mutter in Berlin zu treffen. Doch die ist wenig später in die USA verzogen. Schließlich ließ er sich in Kulmbach nieder. Er arbeitet im Tattoo-Studio und im Angelshop in Mainleus. Angeln ist sein großes Hobby. "Ich habe auch nach dem Unfall noch Alkohol getrunken. Ich habe nicht gleich meinen Weg gefunden“, sagt Cabraja. Die Wandlung sei nicht leicht gewesen. Doch jetzt hat er ein neues Lebensziel: seine Familie. Cabraja hat inzwischen eine Frau und drei Kinder.

Großes Ziel

Sein großes Ziel ist es, anderen Menschen, die auch ins Straucheln geraten sind oder die – wie er – keinen guten Start ins Leben hatten, zu helfen. Ganz offiziell ist Cabraja als „The Tattoo Gun Preacher“ für die freikirchliche Gemeinde „Jesus Live!“ unterwegs. Und neuerdings macht er auch in Fassoldshof ein Projekt mit den Jugendlichen. „Ich will helfen. Ich will auch anderen helfen, dass sie ihre Sünden erkennen, dass sie an Gottes Liebe und Gnade teilhaben. Ich bin ein christlicher Tätowierer“, sagt er. Und dazu gehört auch, dass er anti-christliche Motive ablehnt.

Sprache der Jugend

Derzeit arbeitet Cabraja in einem Drogenpräventionsprojekt der Jugendhilfe Fassoldshof mit. Die Verantwortlichen sind begeistert. Durch sein Outfit, sein Auftreten und sein Leben kann Cabraja Dinge vermitteln, die Jugendliche von anderen Erwachsenen nicht annehmen würden. „Wir haben ihn in ein Drogenpräventionsprojekt zum Thema Kräutermischungen mit dazugenommen“, sagt Clemens Weißerth von der Jugendhilfe Fassoldshof. Jetzt – in einem zweiten Drogenpräventionsprojekt, das im Februar anläuft – ist Cabraja als vollwertiger Partner zusätzlich zum Psychologen Andreas Görtz und den Vertretern der Jugendhilfe mit von der Partie. „Das ganze Projekt hat natürlich viele Facetten. Aber der Nik Cabraja spricht die Sprache der Jugend, er ist cool, die Jugendlichen finden es toll, dass er tätowiert ist“, sagt Weißerth. „Und schön finden wir auch, dass er noch den christlichen Glauben vermittelt. Er hat sogar schon unsere bösen Jungs zum Mitbeten gebracht“, sagt Weißerth. Dass Cabraja im Namen der freikirchlichen Vereinigung „Jesus Live“ unterwegs ist, tut nichts zur Sache. „Bei dem Drogenpräventionskurs sind evangelische, katholische und auch muslimische Jugendliche dabei. Es geht um das christliche Menschenbild, und das vermittelt er“, so Weißerth. „Ich weiß selbst nicht, wie er es macht, aber seine Aussagen stehen einfach auf einem ganz anderen Fundament.“

Auch für Obdachlose hat sich Cabraja bereits engagiert. „Wenn mir jetzt was passieren würde, dann weiß ich, wo ich hinkomme“, sagt er und fügt noch hinzu, dass der Teufel bei ihm auch in Form von Alkohol und Drogen keine Chance mehr hat.

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