Ulrike Daub vom Kulmbacher Kompetenzzentrum für Ernährung im Interview Ernährungswissenschaftlerin: "Fasten ist nicht unbedingt die beste Abnehmmethode"

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Erst Plätzchen, dann Krapfen in rauen Mengen: Spätestens nach Aschermittwoch steht für viele das Ziel abnehmen ganz oben auf der Liste. Warum der Verzicht auf Kohlenhydrate nicht das Allheilmittel ist und vegetarisch essen allein nicht dünn macht, verrät Ernährungswissenschaftlerin Ulrike Daub.

 
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Was muss einer, der abnehmen will, unbedingt beachten?

Ulrike Daub: Das Entscheidende ist die Energiebilanz, das heißt, dass man nicht mehr Kalorien aufnimmt wie man verbraucht. Wer Energie einsparen will, muss also das Essen reduzieren. Dazu muss eine Verhaltensänderung und zusätzlich Bewegung kommen.

Sind Vegetarier oder Veganer automatisch dünner als andere, weil sie sich besser ernähren?

Daub: Pauschal kann man das sicherlich nicht sagen. Mit einer veganen Ernährungsweise reduziert man die Lebensmittelauswahl und hat somit weniger Möglichkeiten, Energie, Eiweiß und andere Nährstoffe in ausreichender Menge zu sich zu nehmen. Wenn jemand beispielsweise zu wenig Proteine aufnimmt, kann das zu einer Gewichtsabnahme führen, die aber meistens gar nicht gewollt ist. Ein veganer oder vegetarischer Lebensstil geht oft jedoch mit einem gesünderen Verhalten insgesamt einher. Andererseits kann sich auch ein Veganer ungesund ernähren. Wenn ich mich nur von Zartbitterschokolade ernähre, ist das nicht unbedingt gesünder.

Sind Sie selbst Vegetarierin?

Daub: Ja, ich ernähre mich schon sehr lange vegetarisch. Aber ich lasse auch mein Blutbild regelmäßig überprüfen und habe das sehr genau im Blick. Wenn man sich vegetarisch ernährt, sollte man sich tatsächlich gut informieren, damit man alle wichtigen Nährstoffe in ausreichender Menge zu sich nimmt.

Was ist dran an dem Ratschlag, dass man fünf Mal am Tag Obst und Gemüse essen soll?

Daub: Obst und Gemüse enthalten relativ wenig Energie, dafür aber eine Fülle von Nährstoffen. Wobei man drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst essen sollte. Weil Obst wiederum Fruchtzucker enthält. Die richtige Menge entspricht bei einer Orange oder einem Apfel einer Hand voll, bei Beeren oder auch Salat sind es zwei.

Wie sinnvoll ist es, bei einer Diät komplett auf Kohlenhydrate zu verzichten?

Daub: Letztendlich kommt es wieder auf die gesamte Energiebilanz eines Tages an. Ich muss so viel Energie zu mir nehmen, wie ich verbrauche. Wenn ich abnehmen will, muss ich weniger zu mir nehmen, als ich verbrauche. Es gibt keine wissenschaftliche Basis dafür, dass man bei Verzicht auf Kohlenhydrate schneller oder effektiver abnimmt.

Sind die Kohlenhydrate also nicht der böse Ernährungsfehler, den man unbedingt lassen sollte?

Daub: Man muss einfach alles ein wenig reduzieren. Zucker ist der einzige Energieträger, der unter Normalbedingungen durch die Blut-Hirn-Schranke durch kann, es macht keinen Sinn komplett auf Kohlenhydrate zu verzichten. Weil sonst die Versorgung unseres Gehirns leidet. S Unser Gehirn braucht 120 Gramm Zucker am Tag. Wenn man abnehmen und das Gewicht langfristig halten will, ist es das Beste, auf eine ausgewogene Mischkost zu setzen.

Was verstehen Sie unter „ausgewogener Mischkost“?

Daub: Das bedeutet nach den Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) erstens viel zu trinken, eineinhalb bis zwei Liter kalorienfreie oder kalorienarme Flüssigkeit am Tag, zweitens Obst und Gemüse sowie Getreideprodukte, am besten Vollkorn, reichlich zu sich zu nehmen. Milch- und Milchprodukte in Maßen, genauso wie Fleisch, Fisch, Käse und Eier. Süßes nur ab und zu, Fette und Öle sparsam verwenden. Pflanzenöle enthalten viel ungesättigte Fettsäuren, weswegen sie tierischen Fetten, zum Beispiel Butter, vorzuziehen sind.

Mir fällt es schwer, auf das Frühstücksbrötchen am Samstag zu verzichten. Was ist eigentlich so schlimm an Weißmehl?

Daub: Vollkornprodukte haben einen höheren Nährstoff- und Ballaststoffgehalt. 30 Gramm an Ballaststoffen sollten wir pro Tag bestenfalls aufnehmen, zum Beispiel über Vollkornbrot oder Müsli. Ballaststoffe verbessern die Darmtätigkeit und senken den Cholesterinspiegel. Wer den Geschmack von Vollkornnudeln nicht mag, kann sie auch mit anderen Weizenmehlspaghetti mischen.

Warum wird es mit zunehmendem Alter immer schwerer abzunehmen?

Daub: Der Energieverbrauch sinkt mit zunehmendem Alter. Ab zirka vierzig ändert sich furchtbar viel in unserem Stoffwechsel, so dass der Körper weniger Energie braucht. Die Konsequenz ist: Wenn man das Gewicht halten will, muss man sich entweder mehr bewegen oder man versucht, mehr nährstoffdichte, energiearme Lebensmittel zu sich zu nehmen, dann muss die Gesamtverzehrmenge noch nicht einmal unbedingt reduziert werden. Das heißt, Lebensmittel mit viel Nährstoffen und wenig Kalorien, zum Beispiel Obst und Gemüse. Eine Butterbrezel ist schneller gegessen, als sie wieder abtrainiert ist.

Warum ist es so wichtig, bei einer Diät viel zu trinken?

Daub: Unser Körper besteht zu 70 Prozent aus Wasser. Davon verlieren wir viel durch Ausscheidungen und Schwitzen und müssen das ausgleichen. Wir merken es, wenn wir zu wenig getrunken haben, dann bekommen wir Kopfschmerzen. Wasser ein wichtiges Transportmittel in unserem Körper. Wenn ich vor einer Mahlzeit bereits etwas trinke, reguliert das den Hunger, weil ich dann schon etwas zu mir genommen habe.

Was halten Sie von Fastenkuren?

Daub: Sagen wir so: Gemüse- und Obstsäfte decken auf Dauer den Nährstoff- und Energiebedarf nicht. Man verliert in kurzer Zeit viel Gewicht, was aber vor allem auf den Abbau von Muskelmasse zurückzuführen ist. Denn der Energiebedarf wird dann über leicht zugängliche, körpereigene Reserven gedeckt, wenn die Energie nicht von außen zugeführt wird. Für eine langfristige Ernährungsumstellung ist Fasten nicht das Richtige.

Und als Einstieg?

Daub: Das ist eine individuelle Geschichte. Es ist auf jeden Fall zu empfehlen, eine Fastenkur mit professioneller Begleitung zu machen, das sollte man nicht auf eigene Faust planen. Der Wille ist natürlich wichtig, aber die körperlichen Voraussetzungen müssen stimmen. Manche Menschen brauchen einen Plan, um abzunehmen und das hilft ihnen. Am Ende sind es immer wieder drei Dinge, die man beachten sollte: ausgewogene Mischkost, Verhaltensänderung und an die Bewegung denken.

        INFO: Ulrike Daub ist 27 Jahre alt und seit Oktober 2014 am Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) in Kulmbach beschäftigt. Sie ist Projektleiterin Wissenschaft und kümmert sich um das Thema Ernährungsbildung an Schulen, wie zum Beispiel die fachliche Richtigkeit von Unterrichtsmaterialien.

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