Drindl und Lederhosen sind nur eine Modeerscheinung. Darin waren sich die Mitglieder der Trachtenvereine auf dem oberfränkischen Sänger- und Musikantentreffen in Crottendorf einig. Hier gehen die Röcke über das Knie und die Blusen sind hochgeschlossen. Ausschnitt gucken ist da nicht.
Rockmusik und Tracht. Passt das zusammen? Auf jeden Fall. Das findet zumindest Meike Kratzer. Die 18-Jährige ist Mitglied im Heimat- und Volkstrachtenverein Alt- Bayreuth. "Ich bin eher so der Heavy-Metal-Typ", sagt sie.
Privat trägt die Studentin lieber schwarze Kleidung, sie hat eine grüne Strähne im dunklen Haar. Schwarz ist bei ihrer Tracht nur das Korsett, das sogeannte Mieder, der Rock ist in verschiedenen Lilatönen gehalten. "Die Leute sind teilweise geschockt, wenn ich ihnen erzähle, dass ich im Trachtenverein bin, aber es macht mir unglaublich viel Spaß", sagt Kratzer.
Der Trachtengauverband Oberfranken hat zum oberfränkischen Sänger- und Musikantentreffen geladen, der in Crottendorf in der Gaststätte am Burgstall stattfand. Kratzer singt bei den Alt-Bayreuther Sängerinnen, auch ihre Mutter ist in der Sängergruppe. Neben den Alt-Bayreuther Sängerinnen treten noch die Fichtelseer Hausmusik, die Alt-Bayreuther Stubenmusik, die Zechgemeinschaft Neukenreuth und der Hummeltrachtenerhaltungsverein Mistelgau auf.
Kratzer ist an diesem Abend die Jüngste. Im Gegensatz zu den älteren Frauen trägt Kratzer eine Haube mit weißer Spitze und einen Gürtel um den Rock statt einer Schürze. "Das bedeutet, dass ich noch ledig bin", sagt sie. Die vergebenen Frauen tragen eine Haube mit schwarzer Spitze und eine Schürze.
Wer auf die Kerwa oder das Münchner Oktoberfest geht, sieht immer mehr Menschen in Dirndl und Lederhose. Die Dirndl auf dem Oktoberfest gefallen Kratzer nicht besonders. "Sie sind ziemlich schrill. Es gibt komische Farbkombinationen wie Pink und Grün", sagt Kratzer. Auf dem Oktoberfest trägt Kratzer allerdings Lederhose. "Ist einfach bequemer."
Kratzer ist mit der Tracht praktisch aufgewachsen. Ihre Eltern haben sich im Trachtenverein kennengelernt. "Es ist nicht üblich, dass junge Leute noch im Trachtenverein sind. Mich freut das natürlich", sagt die Mutter Susanne Kratzer. Der Trend zu Dirndl und Lederhose hat dem Trachtenverein nicht viel gebracht. "Es ist eine Modeerscheinung, wir haben davon nicht profitiert", sagt Susanne Kratzer.
Bei den Frauen stechen besonders die Hauben hervor: üppig verziert, mit Steinen und Stickereien. Wie die Haube von Renate Roder des Hummeltrachtenerhaltungsvereins Mistelgau. "Es ist die Brauthaube", sagt Roder. Ihre lila Haube funkelt und glitzert.Am Hinterkopf hat die Haube eine große Schleife mit einem langen Band, auf dem der erste Buchstabe ihres Vornamens und das Jahr der Entstehung der Haube gestickt ist.
"Ich trage die typische Hummelgauer-Tracht", sagt Roder. Der Rock geht über das Knie, die Schürze ist lila, grün und blau. Ihre Bluse ist langärmlich und hochgeschlossen. Über der Bluse trägt sie noch eine schwarze Halskrause aus schwarzer Spitze. Roder trägt mehrere Schichten. Ihre lange weiße Unterhose darf schließlich auch nicht fehlen.
Die Tracht von Roder ist auch eine Art Identifikation. "An der Tracht erkennt man, wo man herkommt", sagt Roder. Dirndl und Lederhose hätten mit der Tracht nichts gemein. "Momentan ist das ein Zeitgeist, aber unsere Tracht bleibt."
Von den Alt-Bayreuthern führt Rudi Böhm durch den musikalischen Abend. Der 63-Jährige begleitet die Musikgruppen der Alt-Bayreuther mit der Zitter und schreibt auch selbst die Stücke. "Man muss auch mal was Neues ausprobieren. Jazz und Volksmusik passen hervorragend zusammen", sagt Böhm. Die typische oberfränkische Tracht gibt es nicht. Die Trachtenlandschaft ist so vielfältig", sagt Böhm. Bei den protestantischen Trachten seien die Farben aber dunkler als bei den katholischen.
Unterschiede zwischen den Dirndln und Lederhosen von heute zu der traditionellen Tracht gibt es für Böhm trotzdem. "Die Herrenlederhosen sind heute stark verziert, das hat es früher nicht gegeben", sagt Böhm. Böhms Lederhose hat überhaupt keine Verzierung. Auch das Dirndl in Minirocklänge ist für Böhm neu. "Das hat überhaupt nichts mit der historischen Tracht zu tun", sagt Böhm.
Ausschnitt gucken können die Männer bei der Tracht nicht. Die Blusen sind alle hochgeschlossen. Böhm hat damit kein Problem. "Wenn es schön eingepackt ist, ist es viel interessanter zum Auspacken."
Hier sehen Sie Videos des oberfränkischen Sänger- und Musikantentreffens
Video 1: Meike (weiße Haube) und Susanne Kratzer von den Alt-Bayreuther Sängerinnen
Video 2: Reinhold Unterberger (links) und Willi Vogel von der Fichtelseer Hausmusik
Video 3: Die Zechgemeinschaft Neukenreuth
Video 4: Der Hummeltrachtenerhaltungsverein Mistelgau
