Touristenmagnet Pompejis Wende - "Der Notstand ist beendet"

Osterzeit ist Ferienzeit - und nach Pompeji strömen wieder die Touristen. Jahrelang stand die Ausgrabungsstätte für Verfall und Zusammenbruch. Nun gibt es wieder spektakuläre Funde, lang gesperrte Gebäude sind wieder geöffnet. Was ist passiert?

 
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Neapel - Als Mauern und ganze Gebäude in Pompeji am Fuße des Vesuvs einstürzten, war der Aufschrei groß. Die antike Stadt wurde zum Inbegriff von Misswirtschaft, Inkompetenz, Bürokratie, sie galt als Sinnbild für politisches Desinteresse und Mafia-Machenschaften.

Mittlerweile kann sich die Ausgrabungsstätte bei Neapel wieder sehen lassen und macht positive Schlagzeilen mit spektakulären Funden. "Der Notstand ist beendet", sagt Francesco Muscolino.

Muscolino ist Archäologe in Pompeji und führt an einem sonnigen Tag durch die Gassen, in denen Vergangenheit zur Gegenwart wird. Die hohen Räume lassen den Reichtum der Bewohner vor fast zwei Jahrtausenden erahnen: Die Wände sind mit farbenprächtigen Fresken verziert, die Fußböden mit detailreichen Mosaiken. Das frühere Forum säumen noch immer einige wuchtige Säulen der Verwaltungsgebäude der antiken Stadt, die 79 n. Chr. unter einer meterhohen Ascheschicht unterging. "Die Menschen wussten nicht, dass der Vesuv eine Gefahr darstellt", sagt Muscolino. Auch heute sieht er zwar wenig gefährlich aus, wie er als Riese über den Überresten der Häuser in den Himmel ragt. "Aber er bedroht noch immer."

Die Schicht aus Lava, Schlamm und Asche konservierte die Stadt für Jahrhunderte. Pompeji gehört neben dem Kolosseum und dem Forum Romanum zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten Italiens. 2018 besuchten mehr als 3,6 Millionen Menschen die Ausgrabungsstätte - und zur Osterzeit zieht der Ansturm wie überall im Land an. Vor einigen Jahren wurden die Besucher Zeugen des katastrophalen Zustands der Unesco-Weltkulturerbestätte. Viele der antiken Häuser waren aus Sicherheitsgründen nicht mehr zugänglich. Lateinische Inschriften wie das bekannte "Cave canem" (Achtung vor dem Hund) verblassten. Die EU-Kommission stellte 105 Millionen Euro bereit, um den totalen Verfall der Ruinenstätte zu verhindern.

Dieses sogenannte Große Projekt Pompeji habe die große Wende gebracht, sagt die Archäologie-Professorin Monika Trümper von der FU Berlin. "Es sah vor, Pompeji quasi einmal komplett systematisch zu restaurieren, aber auch andere Maßnahmen zu implementieren." Im Zuge des Projekts seien fast alle Straßen wieder zugänglich für Besucher. "So dass man wirklich durch die ganze Stadt flanieren kann."

Anfang des Jahres wurde die Schola Armaturarum wiedereröffnet, die Ausgrabungsstätte feierte es als Zeichen der "Wiederbelebung". Das Gebäude war 2010 eingestürzt und damit zum Symbol für den Kollaps der Stätte geworden. Mittlerweile ist Pompeji an vielen Stellen sogar barrierefrei: Einige Gehwege, die die aus großen Steinen gelegten Straßen säumen, können mit dem Rollstuhl oder Kinderwagen befahren werden. Nur noch wenige verwahrloste Hunde streunen durch die Ruinen. Es gibt Papierkörbe für die Mülltrennung.

"Das mag alles banal klingen, aber das macht wirklich den Besuch dieser Stätte sehr angenehm", sagt Trümper, die unter anderem zur Badekultur in Pompeji forscht. Zudem gibt es immer wieder Ausstellungen und Aktionen im Theater: Im Sommer gibt es Aufführungen, zum Beispiel Shakespeares "Der Sturm".

Und gegraben wird natürlich auch noch immer, etwa im Bereich Regio V, wo im vergangenen Jahr wichtige Funde gemacht wurden. Auf Facebook & Co. kann man sich darüber informieren - der Archäologiepark nutzt die sozialen Medien für die Selbstdarstellung. Auf dem Instagram-Profil des wissenschaftlichen Direktors der Grabungen des Regio V, Massimo Osanna, finden sich zahlreiche Bilder, die neue Entdeckungen dokumentieren. Zum Beispiel das Fresko, das den Göttervater Zeus in Gestalt eines Schwans zeigt, wie er der griechischen Mythologie nach die Königstochter Leda verführt.

Der Fund der Überreste eines verschütteten Pferdes außerhalb der Stadtmauern sei sicher die erstaunlichste Entdeckung im vergangenen Jahr gewesen, sagt Osanna, der von 2014 an bis Anfang Januar 2019 Direktor des Archäologieparks war und Professor an der Universität Neapel Federico II. ist. Und noch immer schlummern Schätze unter der Vulkanasche. "Es wird Generationen dauern, um alles auszugraben", sagt Osanna. Bislang seien zwei Drittel von Pompeji freigelegt. "Es wird also genug für die Generationen der Zukunft geben."

Die Unesco forderte die Verantwortlichen des Archäologieparks unlängst auf, eine langfristige Strategie für die Erhaltung und Restaurierung zu entwickeln. Der Blick richtet sich auch darauf, wie man mit den vielen Besuchern umgeht - die vielleicht eine der größten Bedrohungen für den Erhalt von Pompeji sind. Viele Probleme habe man in den vergangenen Jahren bewältigt, sagt Trümper. "Was bleibt, ist in jedem Fall die Abnutzung, die Zerstörung durch undiszipliniertes Verhalten."

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