Tim Wilhelm, Frontmann der Münchener Freiheit, über Erfolg, Zufälle, Flops, Theater und das alles verbindende Element Musik Tim Wilhelm: Rampensau mit Tiefgang

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Der gebürtige Bayreuther Tim Wilhelm ist der Frontmann der Münchner Freiheit. Am 27. August wird die Kultband die Seebühne rocken. Foto: red Foto: red

Längst überfällig. So nennt Tim Wilhelm ein Gastspiel der Münchener Freiheit in Bayreuth. Ständig fährt die Band an Bayreuth vorbei. Nur er kommt immer wieder. Ausfahrt Bayreuth-Süd. Tim Wilhelm ist hier ist er aufgewachsen. Hier hat sich die Musik in sein Leben gespielt. Hier hat er sich gegen ein Leben in einer großen Stadt entschieden. „Weil nach dem Abi gefühlt alle nach Berlin abgehauen sind. Das war ein Grund von vielen, warum ich es nicht gemacht habe.“

 
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Er entschied sich trotzdem für das große Dorf an der Isar, führt aber „bis heute ein halbes Vagabundenleben im Wohnmobil. Die längste Zeit lebe ich jetzt aber in München“. Berlin gesellte sich später zu seinen Lebensplätzen, wo er 2002 seinen ersten Solo-Plattenvertrag unterschriebe und erst jetzt wieder mehrere Monate im Wintergarten-Varieté gastierte. In Hamburg und Wien lebte er. Und in Bregenz. Wegen der Musik, wegen des Theaters.

Die Branche mit der großen Fallhöhe

Tim Wilhelm ist 38. Und er ist seit 2012 mit der Münchener Freiheit unterwegs. Kultband und Rockband, Dinos im harten Geschäft der großen Fallhöhe. Mehr als 30 Jahre sind Micha Kunzi, Aron Strobel, Rennie Hatzke und Alex Grünwald auf Tour mit der Band, Tim Wilhelm steht ganz vorne auf der Bühne – nach dem Ausstieg von Stefan Zauner im Herbst 2011. Ein Wagnis, wie er heute sagt. Eines mit Erfolg. Und mit einer langen Geschichte.

Festspielhaus prägt ihn früh

Musik machen hat sein Leben schon immer bestimmt. „Bevor es einen Grund gab, dass man es macht.“ Er hatte das Glück, dass sein Großvater Heinrich Wilhelm intensive Kontakte zum Bayreuther Festspielhaus pflegte. „Der langjährige Chorleiter Wilhelm Pitz wohnte bei meinem Opa, Katharina Wagner und ich hatten gemeinsam Klavierunterricht. Wolfgang Wagner, den ich sehr geschätzt habe, ließ mich bei den Proben auf den Treppenstufen sitzen und zuschauen, er zeigte mir auch seine riesige Schlumpfsammlung.“ Gleichzeitig gab es die Verwandtschaft in Seattle, der Cousin, der Tourmanager unter anderem bei Faith No More war. „Da war ich mit acht, neun Jahren auf der Tour dabei. Das war schon sehr spannend.“

Entweder Sänger. Oder Marktschreier.

Erfahrungen, die früh dafür sorgen, dass Tim Wilhelm sich festlegt: „Ich will Sänger werden. Das habe ich in jedes Poesiealbum meiner Klassenkameraden geschrieben. Die Alternativen waren Tiefseetaucher oder Geschichtsprofessor. Mein Opa hat gesagt: Entweder wird er Sänger oder Marktschreier, wegen meiner schon früh sehr ausgeprägten Stimme. Oder Elefantenpopo-Putzer. Weil Elefanten meine Lieblingstiere sind.“

Viva stellte die Weichen

Mit zwölf, 13 Jahren fängt Tim Wilhelm an, in Bands zu spielen. „Ein Wahnsinn für mich, denn ich habe mit Leuten gespielt, die zum Teil mehr als doppelt so alt waren wie ich.“ Er wollte „nicht nur eine Band haben, weil es sich am Pausenhof gut anhört“. Es ist die Musikszene der 90er in Bayreuth, mit der er heute noch verbandelt ist. Matthias Münch oder Marc Schlumberger – Mellow Marc –, „mit dessen Schwester ich lange zusammen war“, wie Wilhelm sagt. Seine Band Alien Police Department (A.P.D.) startet voll durch. Wilhelm, Kai Megerle, Ingo Götschel, Tobi Hennewald, Marco Speckner und Frank Helfer, „der uns in einer wichtigen Phase unterstützt hat“, holen sich 1994 den Sieg im bundesweiten Pop-Event des jungen Musiksenders Viva. „Für mich ein exemplarischer Moment, in dem ich wusste, ich will das durchziehen mit der Musik.“

Der Dämpfer kommt - und die Reaktion: Ich mach's trotzdem

Obwohl der erste Dämpfer nicht lange auf sich warten lässt: „Die Ziele sind in den Himmel gewachsen in den folgenden zwei Jahren. Dann kam die Platte, von der nur ein paar tausend Stück verkauft wurden, was in damaligen Dimensionen schlicht zu wenig war. Die Plattenfirma wollte nur zu für uns unmöglichen Bedingungen weitermachen und gab uns schließlich auf.“ Wilhelm klappt das Visier runter, lässt sich nicht entmutigen. „Oli-Kahn-Mentalität: Und wenn die zehn anderen krank sind, dann mach ich es halt alleine“, sagt er. „Mir ging es nie um Berühmtheit oder sonst was. Sondern darum, Musik machen zu können.“

Mit Jopi Heesters auf der Bühne

Musik, die der studierte Schauspieler und Sänger immer parallel zum Theater macht, „da gab und gibt es für mich auch heute keine Trennung. Weil ich beides mache, um dem Publikum eine gute Zeit zu bescheren. Wenn ich das nicht wollte, könnte ich gleich daheim bleiben. Außerdem liebe ich das Adrenalin, das kommt, wenn ich auf der Bühne stehe“. Wilhelm lernt am Theater Größen wie Jopi Heesters oder Blacky Fuchsberger kennen. Mit Heesters steht er bei dessen letzten öffentlichen Auftritt auf der Bühne.

Musikalisch eine Zeit lang hinter den Kulissen

Musikalisch arbeitet er hinter den Kulissen, über Jahre als Studiomusiker bei Curt Cress, einem der besten Schlagzeuger der Welt, in dessen Münchner Pilotstudio. Hier knüpft er auch erste Kontakte zu seinen heutigen Bandkollegen. Die Hälfte der Woche ist er in München, die andere Hälfte in Hamburg, wo er bei Christian Radtke unter Vertrag war, dem Manager vieler namhafter Künstler und Entdecker von Senta-Sofia Delliponti, die gerade mit ihrem Erfolgsprojekt Oonagh auf der Seebühne spielte.

Kinder-CDs und Kinderfernsehen

„Parallel habe ich mich entschieden, die Kinder-CDs zu machen. Neun Monate war ich mit der Gitarre in rund 1000 Kindertagesstätten und Kinderkrankenhäusern unterwegs, um rauszufinden, wie Kinder wirklich drauf sind. Ich war Anfang 20 und wollte mir das nicht von sogenannten Experten sagen lassen, wie Kinder ticken, sondern es selber erfahren.“ Drei CDs hatte er sich vorgenommen, drei sind es geworden. Tim, sein zweiter Vorname, ist inzwischen eine Marke, mit der er auch Kinderfernsehen machte. Mit der gleichen Ernsthaftigkeit, wie er Musik macht, wie er Theater spielt. Und mit der spontanen, ehrlichen Rückmeldung im Gepäck, die nur Kinder geben können. „Die verstellen sich nicht.“

Der Einstieg bei der Freiheit: Anfangs riskante Entscheidung

„Auf zwei der drei CDs haben Töchter meiner heutigen Bandkollegen mitgesungen. Auch so ein Bezug zu heute“, sagt Tim Wilhelm. Der aktuell wird, als die Münchener Freiheit 2011 ohne den Frontmann dasteht. Man kennt sich. Die Band weiß um Wilhelms Qualitäten „als Rampensau, das war ich schon immer“. Die Entscheidung, bei der Münchener Freiheit einzusteigen, sei natürlich riskant gewesen. „Für mich war die Fallhöhe unheimlich groß. Ich musste alles cutten. Hätte ich Familie gehabt, wäre das wohl unmöglich gewesen.“ Wäre er nicht angekommen bei Band und Fans, Wilhelm wäre verbrannt gewesen.

"Ein Flop fühlt sich sicher anders an."

Jetzt, im fünften Jahr mit der Freiheit, sagt er: „Ein Flop fühlt sich sicher anders an, da wär’s längst vorbei.“ Die Band hat sich mit seinem Einstieg weiter entwickelt. Raus aus der Schlagerecke, „in die die Band gerutscht war, obwohl wir eigentlich eine Pop-Rock-Band sind. Heute spielen wir auch auf Rockfestivals mit Kollegen wie Europe, Nena oder sogar Def Leppard.“ Fans von früher sind wieder da, andere kommen auch nicht mehr. Dafür kommen immer mehr neue dazu. Frischer Wind für eine Band, die national und international in den vergangenen Jahrzehnten größte Erfolge hatte und sich nicht nur mit dem Doppelalbum „Mehr“ und der aktuellen Single „Schwerelos“ zurückgemeldet hat. Nicht zuletzt mit Hunderten Konzerten.

Überfällig, dass sie mal da sind

Auf das Konzert auf der Seebühne am Samstag, 27. August, um 16 Uhr freut sich nicht nur Tim Wilhelm, weil er endlich einmal wieder in der Stadt spielt, wo seine Wurzeln sind. „Die Seebühne, unter der man sich natürlich etwas ganz anderes vorstellt, wenn man Bregenz kennt, ist klasse. Oonagh, die vor kurzem hier war, hat mir erzählt, wie toll es hier war. Es ist längst überfällig, dass wir mal hier sind.“ Zum Heimspiel. Für die Rampensau.

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