Stimmen zu Genschers Tod

Von Michael Weiser und Martin Sistig

Mit 89 Jahren starb Hans-Dietrich Genscher in der Nacht zum Freitag an Herzkreislaufschwäche. Nicht nur seine Bundespolitik hat ihn ausgezeichnet, sondern auch seine Liebe zur Stadt Bayreuth und den Festspielen. Politiker und Persönlichkeiten erinnern sich an ihr Treffen mit dem FDP-Politiker.

 
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Archivoto: Karl Heinz Lammel

Peter Emmerich, Sprecher der Bayreuther Festspiele
„Die Festspiele verlieren in Hans-Dietrich Genscher einen langjährigen eine großartige Persönlichkeit, einen treuen Freund und Förderer.   Was vielen nicht bekannt ist: Er war als Bundesinnenminister am Zustandekommen der Richard-Wagner-Stiftung beteiligt und damit an einer zukunftsfähigen Basis für Wahnfried und die Festspiele. Dass Ende der 80er Jahre auch Musiker aus der DDR in Orchester dabei sein konnten, war wahrscheinlich auch ihm zu verdanken. Er hat auch immer wieder mal Außenministerkollegen und hochrangige Persönlichkeiten nach Bayreuth gebracht. Seine Bedeutung für Bayreuth lag in seinem Amt, aber natürlich auch in seiner Persönlichkeit.“

Archivfoto: Andreas Harbach

Katharina Wagner, Festspielleiterin
„Das ist für mich sehr traurig. Ich habe ihn als leidenschaftlichen Politiker, aber auch sympathischen Menschen kennengelernt. Für mich ist das auch ein persönlicher Verlust. Ich habe ihn immer als sehr offen, sehr kommunikativ, sehr ehrlich und loyal erlebt. Und als bodenständig, auch seine Verdienste hat er sich niemals an seine Fahne geheftet.“

Archivfoto: Andreas Harbach

Thomas Hacker (FDP), Stadtrat
"Und wieder eine schwere Nachricht für die Freien Demokraten. Hans-Dietrich Genscher ist tot. Unvergessen sein großer Beitrag für die Deutsche Einheit, seine Rede auf dem Balkon der Prager Botschaft, bei der er den aus der DDR geflüchteten Menschen die Freiheit brachte, hat sich tief eingeprägt in unser aller Gedächtnis. In der ganzen Welt unterwegs und zu Hause, kam er Jahr für Jahr nach Bayreuth zu den Festspielen. Zuerst mit seinen Staatsgästen - Außenministern aus der ganzen Welt - später ganz privat. Viele Male durfte ich ihn treffen, den großen Staatsmann, und lernte dabei auch seine Schlagfertigkeit  und Schlitzohrigkeit zu schätzen. Noch im letzten Winter begeisterte Hans-Dietrich Genscher die Studierenden an der Bayreuther Universität, die ihn mit Standing Ovations feierten und verabschiedeten. Ein Abschied für immer." 

Foto: red

Horst Friedrich (FDP), ehemaliges Mitglied des Bundestages
"Einer der bedeutendsten Außenminister ist gestorben, der nicht nur für die deutsche Einheit gekämpft hat, sondern auch eine große Bedeutung für Bayreuth hat. Er war sicherlich einer der größten Kämpfer für Frieden durch Verhandlungslösungen und nicht durch kriegerische Auseinandersetzungen. Als Völkerversöhner war er im kalten Krieg auf beiden Seiten anerkannt. Für mich persönlich war seine größte Leistung die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie, die Frieden nach Europa gebracht hat. Besonders jetzt bräuchte man wieder einen Mann wie ihn, der Europa eint. Man merkt, was fehlt."

Anette Kramme (SPD), Mitglied des Bundestages und Parlamentarische Staatssekretärin
"Genscher war einer der ganz Großen in der Politik. Deutschland hat durch ihn international großes Ansehen erworben. Deutschland wurde als zuverlässiger Partner gesehen. Unvergessen bleiben etwa seine berühmte Ansprache an die ausreisewilligen DDR-Bürger im September 1989 auf dem Balkon der Deutschen Botschaft in Prag oder sein Mut, sich während des Geiseldramas bei den Olympischen Spielen in München als Austauschgeisel anzubieten. Mit seiner Entspannungspolitik hat er dazu beigetragen, das damals brandgefährliche Ost-West-Verhältnis nicht weiter eskalieren zu lassen. Innerhalb weniger Tage muss die FDP zwei große Verluste ertragen."

Archivfoto: Peter Kolb

Brigitte Merk-Erbe, Oberbürgermeisterin von Bayreuth
"Mit Hans-Dietrich Genscher ist ein wirklich großer Staatsmann verstorben. Die Stadt Bayreuth hat ihm viel zu verdanken; insbesondere sein Engagement für die Richard-Wagner-Stiftung, die Bayreuther Festspiele, das Richard-Wagner-Museum und das Internationale Jugendfestspieltreffen kann nicht hoch genug geschätzt werden. Wegen seiner Verdienste um Bayreuth ist Hans-Dietrich Genscher im Jahr 1992 mit dem Goldenen Ehrenring der Stadt Bayreuth ausgezeichnet worden.

Ich hatte das Glück, ihm einige Male zu begegnen und ihn sprechen zu dürfen, zuletzt im Oktober bei einer Veranstaltung der Universität Bayreuth; auf die ihm eigene, humorvolle Weise berichtete er dort über Juristen in der Politik. Für mich war Hans-Dietrich Genscher mehr als nur ein guter Jurist, mehr als nur ein guter Minister, er war ein Mensch mit einer überragenden Intelligenz, mit Humor und Wärme und einer mehr als außergewöhnlichen Lebensleistung."

Archivfoto: Ronald Wittek

Michael Hohl (CSU), Stadtrat
"Ich bin tief betroffen und traurig über den Tod Hans-Dietrich Genschers. Er war einer der ganz großen Politiker der Nachkriegszeit und er hat sich in seiner Zeit als Außenminister weltweit hohes Ansehen erworben. Unvergesslich für mich sind die Bilder vom Balkon der deutschen Botschaft in Prag 1989. Auch unsere vielen Begegnungen bei den Bayreuther Festspielen, zuletzt im vergangenen Jahr, werden mir in lebendiger Erinnerung bleiben. Herr Genscher war ein allseits gebildeter, kultivierter und sehr humorvoller Mensch. Mit ihm hat die Stadt Bayreuth und haben die Bayreuther Festspiele einen treuen Freund verloren."

Foto: CSU

Hartmut Koschyk (CSU), Mitglied des Bundestages
„Hans-Dietrich Genscher war ein Vollblutpolitiker, jemand, der sich nie weggeduckt und auch in schwierigen Zeiten seine Überzeugungen aufrecht vertreten hat. Sowohl als Innen- wie auch als Außenminister hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass Deutschland in Europa und der Welt als verlässlicher Partner wahrgenommen wird. Die Überwindung der Teilung Deutschlands und der Spaltung Europas war ihm eine lebenslange Aufgabe. Daher wird auch sein großer Beitrag zur Wiedervereinigung Deutschlands unvergessen bleiben.

Mit Beharrlichkeit, einem höchsten Maße diplomatischen Gespür und Tatendrang hat er das friedliche Zusammenwachsen unseres Landes und unseres Kontinents vorangetrieben. Persönlich durfte ich Hans-Dietrich Genscher häufiger begegnen. Sowohl als junger Abgeordneter des Deutschen Bundestages wie auch bei seinen regelmäßigen Besuchen in Bayreuth konnte ich viele persönliche Gespräche mit ihm führen und habe ihn dadurch sehr schätzen gelernt. Neben seinem politischen Wirken bleiben aber auch seine unvergleichlich herzliche Art, sein gelber Pullunder und sein Weitblick fest in Erinnerung. Deutschland verliert mit ihm einen großen Außenpolitiker und weltweit anerkannten Staatsmann.“

Dieter Mronz (SPD), Alt-Oberbürgermeister von Bayreuth
"Hans-Dietrich Genscher war ein großer Anhänger der Werke Richard Wagners und das erste Mal 1958 ganz privat als Rechtsanwalt aus Bremen zu den Festspielen angereist. Seitdem war er bis letztes Jahr eigentlich immer Gast auf dem Grünen Hügel. Die Bayreuther haben Hans-Dietrich Genscher immer als einen engen und treuen Freund der Stadt Bayreuth kennengelernt. So ist ihm als damaligem Bundesinnenminister ganz wesentlich zu verdanken, dass Bundeskanzler Willy Brandt 1973 die Richard-Wagner-Stiftung mitbegründet hat. Der Bund ist seither unverzichtbares Mitglied der Stiftung, obwohl Kultur normalerweise Ländersache ist.

Hans-Dietrich Genscher war immer eine große Hilfe bei der Festspielfinanzierung, wenn sie von der Regierung in Bonn oder Berlin in Frage gestellt wurde. Er hat dafür gesorgt, dass alles aufrechterhalten wurde.  Seine persönliche Größe konnte man bei einer Tannhäuseraufführung in Bayreuth erleben, als er zu spät eintraf und nicht während der Aufführung den Saal betrat, sondern erst nach dem ersten Akt. Er stand immer über den Dingen, das hat ihn ausgezeichnet. Bayreuth hat Hans-Dietrich Genscher auch die Sicherung des damaligen Bundesgrenzschutzes durch die Aufwertung zur Bundespolizei in ihrer heutigen Existenz zu verdanken. Bei seinen Aufenthalten in Bayreuth hat Hans-Dietrich Genscher auch immer wieder kleine politische Gipfel hier abgehalten. Für all diese Verdienste habe ich ihm 1992 nach einstimmigem Stadtratsbeschluss den goldenen Ehrenring der Stadt Bayreuth überreicht. In all den Jahren seit 1992, in denen ich ihn bei den Festspielen getroffen habe, zeigte er demonstrativ seine Faust mit dem Ring an seinem Finger. Er war ein Mann mit Herz und Seele und ein echter Bayreuther."

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