Starke Frau Helferin aus Überzeugung

Von Julian Seiferth
Frau Steinhagen, Pegnitz Quelle: Unbekannt

PEGNITZ. Von Berlin in die fränkische Provinz verschlagen: Renate Steinhagen hat sich einen Namen gemacht in und um Pegnitz. Die ehemalige Gastwirtin hat eine neue Leidenschaft gefunden: Die Vorsitzende des Unterstützerkreises Pegnitz hilft Menschen in Not.

 
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Das erste Mal in Pegnitz war Renate Steinhagen im Jahr 1981. Damals organisierte die gebürtige Berlinerin das Catering für einen runden Geburtstag. Dort sei sie vom ehemaligen Bürgermeister Löhr gefragt worden, ob sie nicht die Wirtschaft im Freibad übernehmen könnte. „Wir haben ein Objekt gesucht, er einen Pächter. Das hat gepasst“, sagt die 71-Jährige über diese Zeit.

Preußin und unverheiratet

Rund lief es für Steinhagen und ihren damaligen Lebensgefährten dennoch nicht. „Wir hatten zwei echte Probleme. Wir waren Preußen und unverheiratet. Das war neu, und hier wurde jeder Neue beäugt“, sagt Steinhagen. Gegen ihre Herkunft konnte sie nichts tun, und auch heiraten wollte Steinhagen ihren Lebensgefährten zu dieser Zeit nicht. Die Hochzeit kam dann 1989, zwölf Jahre, nachdem die beiden sich kennengelernt hatten. „Wenn man alt wird, wird man pragmatisch“, sagt Renate Steinhagen und grinst. „Warum sollten wir die Rente verschenken?“

Lebenstraum Gut Schönhof

Die 71-Jährige lernte ihren Mann während ihrer Küchenmeisterprüfung kennen. Eine Zeit, die sie geprägt hat: „Das war die Zündung für unsere Beziehung, aber auch für unseren beruflichen Werdegang.“ In all ihren Betrieben gibt es seitdem eine feste Arbeitsteilung: Renate Steinhagen gibt die Chefin, ihr Mann arbeitet in der Küche. „Ich durfte nicht mehr an den Herd“, sagt Steinhagen und lacht.

Aus dem Freibad gingen die beiden erst heraus, als die Stadt sich weigerte, neue Möbel für die Gaststätte bereitzustellen. „Die waren schon hinüber, teils sogar etwas vergammelt“, erinnert sie sich. Sie zogen also weiter, blieben aber in der Region. Gut Schönhof war die nächste Station. Für Renate Steinhagen erfüllte sich ein Lebenstraum. „Ich wollte dieses Gasthaus bewirtschaften, seit ich es kannte. Das war meine Wirtschaft im Grünen. Gastronomie ist mein Leben.“

Vom Brustkrebs erholt

In die Arbeit in der Küche ist sie hineingeboren – ebenso wie in ihre kleine christliche Gemeinde in Berlin. „Gastronomie hat damals eine große Rolle gespielt. Wir hatten keine eigenen Räume und mussten deshalb oft Vereinsheime mieten. Da brauchte es jemanden, der sich in der Küche auskennt“, sagt Steinhagen.

Bis 2011, bis zur Rente, betrieb sie den Gasthof. Im Jahr 2013 kam dann der Einbruch: Renate Steinhagen erkrankte schwer. Diagnose: Brustkrebs. Dazu kam ein hartnäckiger Krankenhauskeim. „Das war fast das Ende.“

Bei ihrer Entlassung verließ sie das Krankenhaus mit Rollator. Aber: Sie kam wieder auf die Beine. Und langweilte sich. „Ich hatte keine Aufgabe mehr. Wenn du dein Leben lang in der Gastronomie gearbeitet hast, ist das Rentnerdasein keine Erfüllung.“ Sie begann, sich im Ehrenamt zu engagieren, nachdem sie bei einer Bürgerversammlung von nach Pegnitz kommenden Geflüchteten gehört hatte. Renate Steinhagen stieß im Jahr 2015 zu einer Gruppe von Menschen, die helfen wollten – diese Menschen sollten später den Unterstützerkreis gründen, Steinhagen deren Vorsitzende werden. „Ich habe die Zeit. Andere sind berufstätig oder anderweitig beschäftigt. Und ich kann mich ja auch ein bisschen durchsetzen“, sagt die 71-Jährige.

Dickes Fell gegen Anfeindungen

Der Glaube ist eine Grundlage für ihr Engagement, wie sie erzählt: „Es gibt viele Wege zu Gott, egal, ob als Christ, Muslim oder sonst was. Man darf eben nicht rauben, morden oder ähnliches.“ Mit anderen Glaubensrichtungen habe sie keine Berührungsängste. Ein Missverständnis über den Unterstützerkreis will sie allerdings ausräumen: „Wir sind nicht nur für die Flüchtlinge da. Wir wollen allen helfen, die unsere Hilfe brauchen.“

Trotzdem sieht sie sich und ihren Verein Anfeindungen aus der rechten Szene ausgesetzt. „Man muss ein dickes Fell haben – das können wir Preußen“, sagt Renate Steinhagen dazu. „Die Abschiebungen können einen fertig machen, besonders dann, wenn man schon Freundschaften geknüpft hat.“

Renate Steinhagen fehlt das Verständnis für Abschiebungen an Orte, an denen die Menschen nicht sicher sind – und denkt dabei noch mal an die alte Heimat zurück: „Bayern ist besonders rigoros in der Beziehung. Berlin ist nicht so hart.“

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