Sozialdienst der Caritas warnte frühzeitig vor aggressivem Bewohner Axt-Attacke im Asylbewerberheim: Mann ist offenbar psychisch krank

Von Katharina Wojczenko
Hinter der weißen Tür wohnte der Mann in der Bayreuther Asylbewerberunterkunft. Foto: Wittek Foto: red

Ein Mann greift seinen Nachbarn mit einer Axt an und schlägt ihm eine tiefe Wunde im Arm: Nach dem Vorfall am Sonntag in der Asylbewerberunterkunft in der Wilhelm-Busch-Straße ermittelt die Polizei weiter. Völlig unerwartet kam die Tat offenbar nicht. Der 44-Jährige ist psychisch krank und war mehrfach wegen seines aggressiven Verhaltens aufgefallen. Die Mitarbeiter des Sozialdienstes für Flüchtlinge der Caritas hatten dies Ordnungsamt und Polizei mitgeteilt. Verhindern konnte dies die Tat nicht.

 
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"Wir haben es schon lange kommen sehen", sagt Dolores Longares-Bäumler von der Migrationsberatung der Caritas. "Der Mann ist eine tickende Zeitbombe." Was sie aber auch sagt: "Das hat nichts mit der Unterbringung in der Unterkunft zu tun, das hätte überall passieren können." Opfer und Täter stammen aus Nachbarländern. Das tue aber nichts zur Sache. Wohl aber die Persönlichkeit des Mannes. Er sei "psychisch schwer krank", sagt Longares-Bäumler, und habe deshalb acht Jahre im Bezirkskrankenhaus verbracht. Das habe sein damaliger Betreuer den Kolleginnen vom Sozialdienst mitgeteilt. Diese sind derzeit noch im Osterurlaub.

Die genaue Diagnose kennt Longares-Bäumler nicht. Fest stehe aber: Der Mann habe seine Medikamente nicht nach Anweisung genommen, die Behandlung abgebrochen. Er sei in der Unterkunft laut und gewalttätig geworden, sogar mit einem Amulett mit Messern in der Sozialberatung erschienen. "Die Kolleginnen haben mehrfach das Ordnungsamt und die Polizei informiert."

Mit dem Messer im Ausländeramt

Ein großes Messer war auch der Grund, weshalb er vor etwa 15 Jahren eingewiesen wurde. Er war damit im Ausländeramt in Kulmbach aufgetaucht, bestätigt Pressesprecher Rüdiger Köhler. Verletzt wurde damals niemand. Aber der offene Bereich wurde deshalb durch einen Schalterraum ersetzt.

Seit April 2009 war er wieder in der Unterkunft in der Wilhelm-Busch-Straße untergebracht, sagt Oliver Hempfling, Pressesprecher der Regierung von Oberfranken. Seit Anfang der 90er Jahre sei er in Deutschland, zwischendurch auch in einer eigenen Wohnung  - und immer wieder in Gemeinschaftsunterkünften. Der Mann hatte eine Duldung und ein Einzelzimmer in der Wilhelm-Busch-Straße.

Die Hausbewohner grüßen freundlich

Etwa 170 Personen wohnen dort, Familien, Männer, Frauen. In den Fluren stehen Wäscheständer, Fahrräder. Die Bewohner grüßen freundlich. "Die Unterkunft ist kein Gefängnis", sagt Hempfling, "das ist wie ein Mietshaus, da gibt es auch keine Einlasskontrollen". Und es ist auch nicht verboten, eine Axt im Haus zu haben. Der Sicherheitsdienst sei nur für die benachbarte Notfall-Erstaufnahmeeinrichtung zuständig.

Hätte die Tat verhindert werden können? Das verneinen sowohl Dolores Longares-Bäumler als auch Oliver Hempfling:  "Sie können in einem Rechtsstaat die Persönlichkeitsrechte nur auf gesetzlicher Grundlage einschränken", sagt Hempfling. Das bedeutet: "Wir können als Behörde über eine Einweisung nicht entscheiden, das kann nur ein Arzt oder Richter." Oder wie Longares-Bäumler sagt: "Das Kind muss erst in den Brunnen gefallen sein." Die Polizei will zu dem, was sie wusste oder nicht, aus ermittlungstechnischen Gründen derzeit keine Angaben machen, sagt Jürgen Stadter, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken.

Einen Betreuer hatte der Mann zuletzt nicht mehr, sagt Bettina Wurzel von der Betreuungsstelle der Stadt. Zu den Gründen sagt sie nur so viel, weil das Betreuungsgericht Herr des Verfahrens ist: "Es ist schwierig, gegen den Willen des Betroffenen eine rechtliche Betreuung durchzusetzen." Und: "Es gibt Fälle, in denen Betreuer nicht die richtige Hilfe sind." Der Mann ist ihr bekannt. Es habe "viele, viele Versuche" gegeben, ihm zu helfen.

Die Nachbarn hatten Angst vor ihm

Seine Nachbarn in der Asylbewerberunterkunft sind froh, dass er weg ist. "Wir haben Angst gehabt, die Kinder haben Angst gehabt vor ihm", sagt ein junger Mann. Er teilte sich mit ihm einen Vorraum. Von dort führen mehrere Türen in Zimmer, eine in die gemeinsame Toilette. Acht Personen benutzen sie, alle liefen sie dafür vor der Tür des Tatverdächtigen vorbei, die direkt daneben liegt.

In dem kleinen Vorraum stehen Fahrräder, Schuhregale, ein Kühlschrank. An dessen Tür sind rotbraune Spritzer, ebenso an der Wand neben dem Türrahmen des Nachbarn. Hier sei der Mann auf den anderen mit der Axt losgegangen, sagt er. Er habe das Blut aufgewischt. Er hat Angst, dass der Mann zurückkommt. Der sitzt seit Sonntag in Untersuchungshaft. Sein 34-jähriges Opfer soll am heutigen Mittwoch wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden. Ein Bitte hat der Nachbar noch: "Schreiben Sie nicht, dass alle Asylbewerber so sind."

DAS SAGT "BUNT STATT BRAUN": „In den Unterkünften an der Wilhelm-Busch-Straße liegt Spannung in der Luft“, sagt Anna Westermann, Vorsitzende der Bayreuther Flüchtlingsinitiative „Bunt statt braun“. „Es fehlt am Fachpersonal“. An den Wochenenden seien die ehrenamtlichen Betreuer völlig auf sich allein gestellt. Der Vorfall vom vergangenen Sonntag habe gezeigt. Die Regierung von Oberfranken, als Betreiberin der Unterkunft, müsse handeln. Professionelle und geschulte Betreuer müssten auch an den Wochenende vor Ort sein. Zumindest aber müsse die Regierung eine Rufbereitschaft einsetzen.

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