Angebot für alle Interessen Ein Landkreis wie ein Verein

Elisabeth Golly hat wohl den besten Überblick über die Vereine im Landkreis Wunsiedel. Foto: /Florian Miedl

Unzählige Menschen im Fichtelgebirge verbringen ihre Freizeit am liebsten in organisierter Form. Dabei gibt es Angebote für fast jedes Interesse.

 
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Wunsiedel - Wenn Auswärtige einige Zeit im Fichtelgebirge leben, merken sie schnell, dass die Menschen hier etwas anders ticken. „So eine Verbundenheit mit den Vereinen gibt es bei uns nicht. Hier ist so mancher in sechs, sieben Vereinen Mitglied. Unglaublich“, sagte kürzlich eine Oberbayerin, die zu Besuch im Landkreis war. Tatsächlich ist der typische Fichtelgebirgler ein echter „Vereinsmeier“, wie mancher gerne leicht spöttisch sagt. Grund für Spott ist allerdings fehl am Platz. „Vereine leisten eine unbezahlbare Arbeit für die Gesellschaft. Ohne sie wäre die Region wesentlich ärmer“, entgegnet darauf Elisabeth Golly, Ehrenamtsmanagerin am Landratsamt Wunsiedel. Sie unterstützt deren Arbeit unter anderem mit Fortbildungsangeboten oder Informationen über Zuschüsse.

Wir begeben uns auf die Spur der hiesigen Vereine. Dabei stellt sich die Frage, wie viele es davon eigentlich im Landkreis Wunsiedel gibt. So ganz genau weiß das offenbar niemand. Anruf im Registergericht Hof. Hier sind tatsächlich alle Vereine „eingetragen“. Der freundliche Mitarbeiter am Telefon muss bei der Frage aber passen. „Wir können die Vereine leider nicht nach Regionen filtern und die aus dem Landkreis Wunsiedel extra auflisten.“

Mehr als 900 Vereine

Erfolgversprechender ist es, bei Elisabeth Golly nachzuforschen. „Auch wir im Landratsamt wollten die Zahl ermitteln. Daher haben wir vor einigen Jahren alle 17 Kommunen im Landkreis abgefragt und kamen so auf rund 900 Vereine im Landkreis.“ In einem dicken gelben Aktenordner gibt es eine ziemlich gute Übersicht über all das, was der Fichtelgebirgler in organisierter Runde so in seiner Freizeit treibt.

Ein Blick in den Ordner, der noch unter der Amtszeit von Landrat Peter Seißer angelegt und danach noch einige Jahre immer wieder aktualisiert worden ist, zeigt, dass Vereine immer auch den jeweiligen Zeitgeist widerspiegeln. So fanden sich in den 90er-Jahren in Marktredwitz eine ganze Reihe Computer-Freaks – heute würde man Nerds sagen – aus dem Landkreis zusammen und gründeten den Computerclub Fichtelgebirge. Im Laufe der Zeit sind PCs immer mehr zu Alltagsgegenständen geworden und auch die Vorderen im Club verloren wohl irgendwann das Interesse, ihr Hobby vereinsmäßig zu betreiben. Das geht zumindest aus den noch immer im Internet vorhanden Sitzungsprotokollen hervor. 2007 ließen die letzen Vorstandsmitglieder den Computerclub Fichtelgebirge aus dem Vereinsregister löschen.

Ältester Funkhilfsclub

Auch der Funkhilfsclub Eisvogel Marktredwitz scheint auf den ersten Blick aus der Zeit gefallen zu sein. Wer benötigt in Zeiten von Whats-App noch ein Funkgerät mit einer Reichweite von wenigen Kilometern? Doch weit gefehlt. Die Mitglieder des ältesten CB-Funk-Hilfsclub Nordbayerns sind nach wie vor rege und trafen sich erst kürzlich in einer Versammlung.

Vor allem einzelne Sparten in den Vereinen kommen und gehen. So gab es einst die „American-Football-Cheerleaders“, mehrere Wasserball- und etliche Eisstockschützen-Abteilungen. Neu sind die Beachsoccer in Wunsiedel und etliche Fitness-Angebote der Turnvereine.

Elisabeth Golly, die wahrscheinlich den besten Überblick über das Vereinswesen im Landkreis besitzt, ist fasziniert von den schier unendlichen Angeboten. „Klar, die Sportvereine sind eindeutig in der Mehrzahl. Auch die vielen Hilfsorganisationen wie Feuerwehrvereine sind glücklicherweise sehr stark vertreten. „Man darf auch die vielen Heimatvereine wie den FGV, die Obst- und Gartenbau- und selbst die Schrebergartenvereine nicht unterschätzen.“ Die Ehrenamtsmanagerin will in nächster Zeit eine digitale Plattform aufbauen. „Hier können sich die Vereine präsentieren und ihre Angebote für alle Interessenten darstellen.“

Riesiges Engagement

Apropos engagieren. Vereinsmitglieder pflegen nicht nur ihre Hobbys, sie sind auch gerne bereit, anderen zu helfen. Dies zeigt sich laut Elisabeth Golly in Krisenzeiten, etwa in der Corona-Pandemie. Unter anderem der ASV Wunsiedel – aber auch etliche andere Vereine – hätten umgehend einen Einkaufsservice für ältere oder gefährdete Mitbürger aufgebaut. „Auch mit unserer Ehrenamtsbörse warben wir um Freiwillige, die für andere einkaufen. Es war faszinierend, wie viele Menschen sich gemeldet haben. Wir hatten einen so großen Zulauf, dass es gar nicht genügend Nachfrage für all die Menschen gab.“

Genau diese Hilfsbereitschaft erlebt Elisabeth Golly jeden Tag. „Erst heute hat sich wieder eine Frau per Mail gemeldet, die sich ehrenamtlich einbringen will.“ Die Landratsamtsmitarbeiterin wird die Bürgerin kontaktieren. „Ich werde ihr Vorschläge unterbreiten, die zu ihren Wünschen und Interessen passen.“

Corona zerstört viel

So bunt das Vereinsleben im Fichtelgebirge auch ist, viele der Vorstände plagen große Sorgen. Da ist die Coronakrise, die mit einem Federstrich ganze Sparten lahmgelegte, den Trainings- und Wettbewerbsbetrieb der Sportvereine durcheinanderwirbelte und der selbst Hauptversammlungen reihenweise zum Opfer fielen. „Das hat sicherlich viel kaputt gemacht“, befürchtet Elisabeth Golly. Es werde teilweise Jahre dauern, bis sich die Vereine davon erholt haben. Ein weiterer Trend belastet die organisierte Freizeit: Jüngere wollen sich zwar engagieren, aber nicht langfristig binden. „Es wird mancherorts immer schwieriger, zum Beispiel Mitglieder für einen Vorstandsposten zu finden. Immer weniger wollen in ihrer Freizeit eine derartige Verantwortung übernehmen.“

Abgesehen von den Zwängen der Corona-Krise pulsiert das Vereinsleben im Landkreis nach wie vor. Dazu gehört auch die gute alte Jahreshauptversammlung. „Klar ist das Formelle, sind die vielen Protokollverlesungen nicht jedermanns Sache. Daher ist es sinnvoll, dass viele Vereine mittlerweile Online-Versammlungen anbieten, aus denen man sich zwischendurch auch mal ausklinken kann. Aber seien wir ehrlich: Eine Hauptversammlung im Wirtshaus oder Vereinsheim mit Currywurst und Bier, das hat einfach was.“

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